Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Vorwärts!

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profil: Herr Blecha, können Sie nachvollziehen, dass die Idee, das SPÖ-Programm von einem 79-jährigen Politpensionisten runderneuern zu lassen, mancherorts ein wenig Verwunderung auslöst?
Blecha: Nein, das versteh ich überhaupt nicht. Wäre Ihnen vielleicht lieber, die Laura Rudas macht das?

profil: Das wäre zumindest ein Signal an die, nun ja, etwas jüngeren Wähler.
Blecha: Im Prinzip schon. Das Blöde ist nur: Die jungen Wähler pfeifen auf die Laura. Genauso wie die alten.

profil: Ist man vielleicht auch deshalb auf Sie verfallen, weil Sie quasi die Antwort auf Frank Stronach sind?
Blecha: Nein, weil wir brauchen gar keine Antwort auf diesen feinen Herrn. Die SPÖ muss sich vor einem Milliardär, der gierig ein Vermögen auf dem Rücken der werktätigen Massen zusammengerafft hat und jetzt auf einmal glaubt, er muss den politischen Profis ins Handwerk pfuschen, sicher nicht fürchten.

profil: Man könnte ihn natürlich auch mit einer annähernd 100-prozentigen Vermögensteuer in die Schranken weisen.
Blecha: Im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit, auf die wir ja bekanntlich das Monopol haben, wäre das ein durchaus überlegenswerter Ansatz.

profil:
Diese völlig unpopulistisch viel beschworene Gerechtigkeit wird ja sicherlich einer der Hauptpunkte des neuen Programms sein.
Blecha: Ganz klar. Wissen Sie, so alt kann ich gar nicht werden, dass ich nicht einen Mordszorn bekomme auf all diese Ausbeuter, die sich nur auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.

profil: Ja, eh. Die Banken und Spekulanten und so, nicht wahr?
Blecha: Sie sagen es!

profil: Und die haben dann Häuser und alles.
Blecha: Ja! Unerträglich ist das! Eine Verhöhnung des kleinen Mannes! Der kann da nur ohnmächtig zuschauen und die Rechnung für die Krise zahlen, an der er nicht schuld ist. Ich könnte schreien vor Wut, wenn ich daran denke, dass wir alle, auch ich ganz persönlich, dafür sorgen, dass irgendwelche Kuponschneider ein schönes Leben haben.

profil: Die ÖVP bezeichnet das Gerechtigkeitsmantra der SPÖ als Neiddebatte. Was sagen Sie dazu?
Blecha: Wenn sich die ÖVP als Anwältin der Superreichen profilieren will, bitte. Das ist nicht meine Welt. Ich bin ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat vom alten Schlag. Und schon allein deshalb bin ich auch immer ein Mann der Basis gewesen. Da können Sie fragen, wen Sie wollen. Ich bin quasi der kleine Mann. Wenn ich sehe, wie meine Pensionisten kämpfen müssen, dass sie mit ihrem Geld durchkommen, muss ich manchmal sogar weinen. Ich teile diesen Schmerz mit ihnen. Sogar körperlich.

profil: Das ist ja auch kein Wunder, wenn man weiß, dass Sie selbst nur um die 15.000 Euro Pension beziehen.
Blecha: Dass ich da im selben Boot sitze, hilft natürlich enorm, ganz klar.

profil: Und Sie mussten ja dafür noch dazu gleich 13 Jahre im Parlament und sechs Jahre in der Regierung Frondienst leisten.
Blecha: Ja, stimmt. Das kann sich ja kein ehemaliger Hochofenarbeiter, dem ich bei einem bunten Nachmittag bei uns im Pensionistenverband schon einmal ein Paar Würschtln aus eigener Tasche spendiert habe, vorstellen, was das bedeutet hat. Oder so ein junger Arbeitsloser.

profil: Und man darf auch nicht vergessen, dass Sie schon 56 waren, als Sie wegen der Skandale um Lucona und Noricum zurücktreten mussten und diese Pension endlich antreten durften.
Blecha: Ja, Wahnsinn. Das hat sich schon ewig gezogen. Aber beklage ich mich? Nein. Ich stelle mich nach wie vor gerne in den Dienst der Allgemeinheit und schreibe ihr jetzt ein schönes, gerechtes Programm.

profil: Abgesehen von Ihrer hohen persönlichen Glaubwürdigkeit beim Kampf für mehr Gerechtigkeit ist es natürlich auch sehr hilfreich, dass die SPÖ ja in den vergangenen Jahrzehnten praktisch ohne Pause alles nur Erdenkliche unternommen hat, um zum Beispiel die Steuern auf Arbeit zu senken, wie sie es jetzt wieder tun will.
Blecha: Auch das ist natürlich mit ein Grund, warum wir in den Umfragen so deutlich führen. Die Menschen spüren einfach, dass wir es ehrlich mit ihnen meinen.

profil: Allerdings sind die Umfragewerte der SPÖ trotzdem auf einem historischen Tiefststand.
Blecha: Warten Sie einmal das neue Programm ab. Und die flankierenden Maßnahmen. Wenn ich zum Beispiel eine Großdemonstration anführe, ein „Eat the Rich“-Banner in der entschlossen geballten Faust, dann wird sich das schon wieder ändern.

profil: Herr Blecha, ich danke für das Gespräch. Darf ich Ihnen jetzt vielleicht noch ein Mittagessen zahlen?
Blecha: Ich dachte schon, Sie fragen nie.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort