Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Watschenmann

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Es war Zeit, Uwe musste in die Arbeit. Er schlüpfte in den Trachtenjanker, der sein gesundes Volksempfinden so malerisch unterstrich und außerdem bei dieser einen Sachbearbeiterin im Amt der Kärntner Landesregierung immer zu Wallungen und leichtem Hyperventilieren führte. Eine sehr erfreuliche Tatsache, die Uwe demnächst einmal auch in einen zählbaren Erfolg umzumünzen gedachte.

Gerade, als er das Haus verlassen wollte, kam ihm aber noch die Frau mit dem Jausenbrot nachgerannt. Geistesgegenwärtig öffnete Uwe das Stanniolpapier und zog die beiden Schnitten ein wenig auseinander. Aha! Er hatte es ja geahnt. Salami! Uwe hasste Salami. Sie erinnerte ihn an Ungarn, und wenngleich dort mittlerweile ein Bruder im Geiste regierte, dachte Uwe ungern an Ungarn. Das schlimme Unrecht, das ihm dort angetan worden war – durch unmenschliche Knebelverträge, in denen zum Beispiel drinstand, dass man ein geleastes Auto auch wieder zurückgeben musste –, war halt nicht so leicht zu vergessen.

Und natürlich musste seine Frau an sich von Uwes kleinem Salamiproblem wissen. Hatte es jetzt geheißen „In guten wie in schlechten Zeiten“ oder nicht? Aber so waren die Weiber halt manchmal. Unkonzentriert, unlogisch, unmöglich. Um der Empathie seiner Holden ein wenig auf die Sprünge zu helfen, teilte Uwe einmal einen ordentlichen rechten Schwinger aus, auf den er eine Links-rechts-Uppercut-Kombination folgen ließ. Die war immer schon sein stärkstes Argument gewesen. Seine Frau steckte diese
Metaphern natürlich ohne linkes Gejeiere ein, weil sie wusste: Er wollte nur ihr Bestes. Und diese kleinen Tetschen taten ihm mindestens genauso weh wie ihr.

„I bin spät dron!“, raunte Uwe dann zärtlich. „Haust du den Kindern no ane von mir eine?“ Tränen der Rührung flossen jetzt über die leicht geröteteten Wangen der Scheuchin. Uwe war ja so ein aufmerksamer Vater. Genau so einen hatte sie sich für ihre Kinder immer gewünscht. Fremde Kinder dreschen war ja gut und schön, denn immerhin war Uwe Bildungsreferent und musste sich um alle Pamperletschen kümmern – aber es war bei ihm auch stets sonnenklar, dass die eigenen an erster Stelle standen.

„Uwe Scheuch, Bildungsreferent“. Es passierte ja immer noch manchmal, dass Ortsunkundige angesichts dieser Tafel an seiner Bürotür in haltloses Gelächter ausbrachen, weil sie zu annähernd 100 Prozent fanden, dass „Uwe Scheuch, Bildungsreferent“ eine ebenso sinnstiftende Kombination darstellte wie „Benedikt XVI., Sexualtherapeut“. Aber das war nun einmal Kärnten hier. Und seit die Freiheitlichen dieses wunderbare Land so sehr auf Vordermann gebracht hatten, dass ganz Österreich noch Jahrzehnte dafür bezahlen würde, gab es ja im Schatten der Karawanken kaum einen staatsfeindlicheren Umtrieb als einen IQ mit einem Pluszeichen davor. Und in dem wie geschmiert laufenden System kam Uwe die Schlüsselrolle schlechthin zu: Nur er konnte mit seinen Bildungsmaßnahmen dafür sorgen, dass auch die kommenden Generationen von Wahlberechtigten mit einem geistigen Horizont ausgestattet wurden, der ein Kreuzerl bei den Freiheitlichen erst möglich machte.

Vor allem unter diesem Gesichtspunkt konnte es natürlich nie schaden, wenn man den lieben Kleinen regelmäßig eine Ordentliche anschob.

Der beste Beweis dafür, dass es aber auch sonst nicht schadete, war ja der denkerisch bekannt flinke Landesvater Gerhard Dörfler. Seine Nehmerqualitäten waren Legende, denn eigentlich hatte das Abfotzen bei ihm auch nach dem glorreichen Pflichtschulabschluss nie aufgehört. Uwe sah sich diesbezüglich auch als Traditionsbewahrer, denn jedes Mal, wenn Dörfler im dritten oder vierten Versuch die genaue technische Funktionsweise der Türklinke verstanden und Uwes Zimmer betreten hatte, legte ihm Uwe gleich einmal ansatzlos eine auf. Früher hatte das natürlich der Jörg besorgt, und Gerhard wäre ob dieser schönen Erinnerung sicherlich total sentimental geworden, wenn er sich denn endlich einmal merken hätte können, was dieses komplizierte Wort bedeutete.
Wobei, einen kleinen Defekt hatte der große Vorsitzende möglicherweise doch davongetragen. Anders konnte es sich Uwe nicht erklären, dass Gerhard den Mädchen die Gesundheit der Watsche vorenthalten wollte.

Uwe war natürlich entschieden dagegen, hier einen künstlichen Unterschied zu konstruieren. Außerdem würden sich dann sicherlich die ganzen Emanzen wieder fürchterlich über diese Diskriminierung aufregen. Nein, nein. So süß konnten blonde Zöpfe gar nicht sein, dass sich nicht ab und zu eine wohlmeinende Faust dazwischen gut machte. Das würde Uwe heute, an seinem nächsten harten Tag im Büro, am besten mit einem unmissverständlichen Erlass klarstellen.

Er würde aber natürlich dazuschreiben, dass er ganz entschieden und ausnahmslos Gewalt ablehne. Denn sonst würde ihm ja sicher wieder die linke Jagdgesellschaft das kluge Wort im Mund umdrehen. Das taten diese prinzipienlosen Gesinnungsterroristen ja schließlich immer.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort