Rainer Nikowitz: 2020

Rainer Nikowitz: 2020

Die Welt gerät immer mehr aus den Fugen. Aber wahrscheinlich geht ja eh alles noch gut aus.

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US-Präsident Donald Trump – die Wiederwahl im Herbst scheint ihm kaum mehr zu nehmen zu sein – erklärte heute in seiner täglichen Rede an die Nation auf Fox News, dass die Klimaerwärmung eine Erfindung der liberalen Kommunisten sei und er nicht daran denke, Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes in den USA zu ergreifen. Vielmehr plane er, alle pseudowissenschaftlich verbrämten Lügen zu diesem Thema auf Basis seiner als „Patriotic Trumpet“ bekannten Notstandsverordnung, die alles untersagt, was zwar sein kann, aber nicht darf, als unamerikanisch zu verbieten. Darauf angesprochen, dass 2019 das sechste Jahr in Folge war, in dem ein neuer globaler Wärmerekord aufgestellt wurde, meinte Trump gewohnt launig: „Und was bedeutet das? Sarah Palin zeigt jetzt dort oben in Alaska viel öfter ihre Bazookas im Leoparden-Bikini her. Wer das nicht gut findet, ist entweder ein Schwanzlutscher oder ein verdammter Muslim!“

Die anhaltende Dürre in weiten Teilen Nordafrikas und des Nahen Ostens dürfte indes gemeinsam mit den weiterhin ungelösten Konflikten in Syrien, Libyen, Marokko, Tunesien, Jemen, Sudan, dem Irak, der Türkei und dem Iran/Saudi-Arabien-Krieg nach Berechnungen der EU-Verteidigungsagentur Frontex zu einem Anschwellen der Flüchtlingsbewegung Richtung Europa von im Vorjahr 12 auf heuer ungefähr 15 Millionen Menschen führen. EU-Frontex-Kommissar Geert Wilders sieht die Operation „Clean Sea“ dennoch nicht gefährdet, obwohl er einräumt, dass der Wegfall der Beteiligung der französischen Streitkräfte nach dem im Vorjahr erfolgten Frexit durchaus ein Problem darstelle. Allerdings könnte der von Präsidentin Marine Le Pen in Aussicht gestellte Seeminen-Gürtel, der sich in weitem Bogen von Perpignan bis nach Nizza sowie rund um Korsika erstrecken soll, im westlichen Mittelmeer durchaus auch für Entlastung sorgen – sofern die Winde dieses Jahr gnädig wehten.

Ein Ansinnen, das Bundeskanzler Heinz-Christian Strache sofort empört zurückwies.

Dennoch fordert Wilders eine Budgeterhöhung, die nach seinen Worten „deutlich“ über der von Mario Draghi für heuer angepeilten Inflationsrate von 6000 Prozent liegen müsse. Der EZB-Chef hatte dieses Ziel erst kürzlich bei einer Pressekonferenz, bei der er die beeindruckenden Erfolge seiner Helicopter-Money-Strategie referierte, nach oben revidiert. EU-Wirtschaftskommissar Yannis Varoufakis ergänzte, dies sei auch nötig, um gegen die Folgen des chinesischen Zusammenbruchs aninvestieren zu können und forderte in diesem Zusammenhang einmal mehr ein höheres Engagement von Deutschland und Österreich – ein Ansinnen, das Bundeskanzler Heinz-Christian Strache sofort empört zurückwies. Sollten die beiden noch in der EU verbliebenen Nettozahler, so Varoufakis weiter, jedoch diese gebotene Solidarität mit den armutsgefährdeten Rest-18 vermissen lassen, könne er ja auch Wladimir Putin fragen. Beobachter bezweifeln allerdings, dass der auf Lebenszeit ernannte russische Präsident nach der Eroberung der Ukraine und des Baltikums im Moment über ausreichende Ressourcen verfügt, um der EU unter die Arme greifen zu können.

Varoufakis’ Vorstoß brachte in den jüngsten Umfragen für die Volksabstimmung im Juni einen weiteren Schub für die Öxit-Befürworter, die sich nunmehr bereits auf eine satte Zweidrittelmehrheit stützen können. Bundeskanzler Strache kündigte an, dass er im Falle des Erfolges seiner „Alpenfestung“-Kampagne und der dann zu erwartenden heftigen Abwertung des Neuen Schillings eine nationale Kriegsanleihe auflegen werde, deren Zeichnung klarerweise die Pflicht jedes aufrechten Patrioten sei.

Die österreichische Integration ist ein Gebot der Stunde, so wahr Allah der einzige Gott ist!

Selbst ein flammender Appell des türkischen Sultans Recep Erdoğan, eines bekannten Pro-Europäers also, bei einer Wahlveranstaltung auf dem Wiener Karmelitermarkt („Die österreichische Integration ist ein Gebot der Stunde, so wahr Allah der einzige Gott ist!“) konnte am neuerlichen Anstieg der anti-europäischen Ressentiments nichts ändern. Die von Erdoğan unterstützte ASP („Allein Seligmachende Partei“) könnte Umfragen für die kommende Wien-Wahl zufolge eine entscheidende Rolle bei der schwierigen Koalitionsbildung in Österreichs letztem linken gallischen Dorf spielen. Bürgermeisterin Sonja Wehsely und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou betonten übereinstimmend, es käme rein auf die Übereinstimmung in Sachfragen an – und nannten etwa den Kampf gegen Islamophobie, eine untadelige antifaschistische Grundhaltung und die Erhöhung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle 2,5 Millionen WienerInnen um 10.000 Prozent als nicht verhandelbare Eckpunkte für eine zukünftige nicht-reaktionäre Dreierkoalition.

Und noch eine Meldung aus dem Sport: Der ORF ändert heute aus gegebenem Anlass sein Programm und überträgt nunmehr zwischen 8 und 20.15 Uhr die Hangpräparierung, die Hangbesichtigung, das Training, das Stretching, die Massage, das Abendessen und schließlich die Dusche von Rainer Pariasek vor der mit Spannung erwarteten übermorgigen Alpinen Kombination der Damen auf dem Montblanc-Gletscher.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort