Rainer Nikowitz: Winter is coming

Nordkoreas Kim Jong-un zappt sich durch die benachbarten Olympischen Spiele.

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Kim: Aber … Was zur Hölle ist das? Unsere Invasion des Südens hat schon begonnen? Ich kann mich nicht erinnern, den Befehl dazu erteilt zu haben! Bringt mir den Verantwortlichen! Und eine Boden-Boden-Rakete aus meinem Privatvorrat! Sekretär: Das sind ja gar nicht unsere Leute, Eure Herrlichkeit! Das ist eine Biathlon-Übertragung von den Olympischen Spielen. Kim: Ach so? Sekretär: Ja, Ihr könnt ganz beruhigt sein. Unsere Invasion startet wie geplant: Sowie der Süden bei der Übertragung des Curling-Achtelfinales in ein kollektives Wachkoma verfallen ist. Kim: Biathlon also, soso. Das ist ja durchaus beeindruckend. Die schießen fast nie daneben! Haben unsere Biathleten denn Siegchancen? Sekretär: Wir haben leider keine Biathleten. Kim: Was? Wieso nicht? Sekretär: Das Zentralkomitee für kalorienbewusste Volksernährung meint, es könnte an der Grassuppe liegen, Eure Bedachtsamkeit. Kim: Was ist falsch an Grassuppe? Sekretär: An sich natürlich nichts. Außer vielleicht die Jahreszeit. Kim: Wie ich diese regimezersetzenden Ausreden hasse! Sekretär: Ich bitte Euch, Eure Beschaulichkeit, regt Euch nicht auf! Das letzte Mal habt ihr dann Euren Kakaobecher geworfen und hättet fast den Knopf auf dem Schreibtisch getroffen. Kim: Gut, ja. Ich beruhige mich ja schon. Also … du hast vorher von der Curling-Offensive gesprochen. Was genau ist Curling noch einmal? Sekretär: Das läuft auf dem nächsten Kanal … Ah, hier. Im Wesentlichen geht es darum, einen Stein auf dem Eis so nah wie möglich ans Ziel gleiten zu lassen. Kim: Um ihn dann zur Explosion zu bringen! Sekretär: Äh …, nein. Kim: Nicht? Das sind keine Granaten? Sekretär: Nein. Nur Steine. Kim: Wozu dann das Ganze? Blödes Spiel! Ein anderes, weiter! Aha. Was macht der da? Sekretär: Das ist Skispringen, Eure Betulichkeit. Kim: Ah! Interessant. Luftangriff auf Skiern! Der fliegt aber weit … Der kommt ja über jede Demarkationslinie! So was kann man immer brauchen! Wie stehen unsere Chancen da? Sekretär: Wir haben leider auch keine Skispringer. Kim: Die auch nicht? Warum? Und komm mir diesmal nicht mit der Grassuppe! Weil die sehen ja alle so aus, als würden sie freiwillig unserem Fünf-Jahres-Ernährungsplan folgen. Sekretär: Wir bräuchten Schanzen zum Üben. Und natürlich Trainer. Die wachsen nicht auf dem Baum. Kim: Nicht? Sekretär: Unsere bisherigen Versuche mit einigen freiwilligen Helden der Revolution waren leider nicht sehr ermutigend. Wir müssten irgendwie an ausländische Trainer herankommen. Kim: Können wir welche entführen? Sekretär: Natürlich. Aber ich frag vorher noch diesen Andi Goldberger. Vielleicht hat der ja Lust, was weiß man. Serbe war er ja auch schon einmal. Kim: Gut. Sekretär: Aber darf ich doch noch leichte Zweifel an der militärischen Verwendbarkeit einer Skispringer- Staffel anbringen, Eure Wiesmichnichtfreut? Kim: Nun ja … Möglicherweise erhoffe ich mir tatsächlich ein wenig zu viel. Aber wenn alle Stricke reißen, können sie immer noch meine Pakete liefern oder was. Dieser Herr Amazon braucht nicht zu glauben, dass er mit seinen Drohnen allein am Himmel ist. Sekretär: Aber wirklich nicht! Nicht mit Ihnen! Kim: Deine Arbeitsauffassung gefällt mir. Wie lange bist du jetzt schon mein Sekretär? Sekretär: Vier Tage, sechs Stunden und 32 Minuten. Kim: Unglaublich! Sekretär: Schon, oder? Wenn ich noch neuneinhalb Stunden überlebe, dann bin ich in den Jahrescharts schon in den Top 3! Kim: Nur weiter so. Man soll den Tag zwar nicht vor dem Abend loben, aber ich hab zumindest kein ganz schlechtes Gefühl. Was gibt es bei diesem Olympia noch? Sekretär: Da. Das ist Slalom. Man muss möglichst schnell um diese Stangen herumfahren. Kim: Sind da Minen drunter? Sekretär: Nein, wieso? Kim: Was heißt wieso? Weil’s lustig wär, hallo? Sekretär: Nein. Die machen das nur so. Kim: Diese selbstgefällige Ziellosigkeit des Westens ekelt mich an. Sekretär: Ein Österreicher und ein Norweger machen sich da immer den Sieg untereinander aus. Kim: Widerlich, diese sinnentleerte Dekadenz! Können wir eigentlich Österreich und Norwegen mit unserer Langstreckenberta erreichen? Sekretär: Ja. Aber mehr als eine würde ich nicht aufwenden. Weil dann fehlt uns die wieder in Miami. Oder Los Angeles. Gerade Los Angeles würde ich ungern auslassen. Kim: Gut, dann eben nur eine. Aber wohin? Sekretär: Meistens gewinnt der Österreicher. Kim: Dann ist er selber schuld.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort