Sven Gächter

Sven Gächter Farce ohne Boden

Farce ohne Boden

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Herr Schnell also wieder. Nach der strammen Devise, man werde doch wohl noch die Wahrheit sagen dürfen, hielt Salzburgs FPÖ-Landesparteiobmann es für zulässig und angebracht, in einem Interview mit der „Presse“ die Meinung zu vertreten, es gebe „eine Umvolkung in gewissen Bereichen“. Er sei kein Rechtsradikaler und habe nichts gegen Ausländer, „aber wir haben auch ein Recht auf unsere Heimat“. Das Copyright für den Begriff „Umvolkung“ liegt, wie gerade in freiheitlichen Kreisen bestens bekannt sein dürfte, bei den Nationalsozialisten. Auf diesen Umstand angesprochen, erklärte Herr Schnell rechtschaffen entrüstet, er sei erstens kein Rechtsradikaler und lasse sich zweitens von niemandem verbieten, die Wahrheit auszusprechen; im Übrigen interessiere es ihn nicht, „was die Nazis einmal gesagt haben“. Über die Gründe, warum es ihn nicht interessiert, kann man nun vielerlei Vermutungen anstellen, die ­allesamt wenig geeignet sind, Herrn Schnells Intelligenz zumindest in ­gewissen Bereichen ein schmeichelhaftes Zeugnis auszustellen.

Das Leitprinzip aller politischen Prozesse in Österreich ist die stetige Wiederholung, woraus sich einerseits der bombensichere Anschein von Stabilität und andererseits der weit verbreitete Verdruss daran erklärt. Karl Marx verdanken wir die Einsicht, dass „alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen: das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce“. Das kleine heimische Politpersonal vom Kaliber eines Herrn Schnell hat Teil eins, die Tragödie, übersprungen und sich dafür ganz auf die Monoton-Variation von Teil zwei verlegt: Farce in Permanenz. Mit gespenstischer ­Regelmäßigkeit, die wohl kaum dem Faktor Zufall geschuldet ist, setzt man in Worten oder Taten einschlägig kodierte Tabubrüche und weist den durch nichts von der Hand zu weisenden Verdacht auf Rechtsradikalität mit cholerischem Nachdruck als „völligen Blödsinn und Schwachsinn“ (Karl Schnell) zurück.

Fast bedrückender noch als Text und Handlung dieses absurden Schmierentheaters erscheint die Tatsache, dass es immer wieder aufgeführt wird, in einer nicht enden wollenden Reprise: Und ewig grüßt das blaue Murmeltier. Ermüdungserscheinungen bei den langjährigen Hauptdarstellern und beim treuen Stammpublikum sind offenbar nicht zu verzeichnen, eher schon aufseiten der Kritiker, die es allmählich leid sind, sich, zum Teil sogar von ihresgleichen, vorhalten lassen zu müssen, mit dem anhaltenden Widerstand gegen das üble Treiben auf der Polterbühne nur mehr Langeweile zu verbreiten, so als hätten ausgerechnet sie um jeden Preis origineller zu sein als jene Notoriker, die unverdrossen von „Umvolkung“ faseln oder, wie der Linzer FPÖ-Fraktionschef Sebastian Ortner, an Wehrsportübungen und Treffen der rechtsextremen deutschen NPD teilnehmen. Immerhin legte dieser nach entsprechenden Enthüllungen im „Kurier“ vergangene Woche alle Funktionen und seine Parteimitgliedschaft nieder, nicht jedoch, ohne ausdrücklich klarzustellen, dass damit keinerlei Eingeständnis der Verwerflichkeit irgendwelcher Aktivitäten verbunden sei: „Der mediale Druck, den ich in den letzten Tagen erlebt habe, die eigene Gesundheit, die eigene Persönlichkeit haben mich dazu bewogen, mich nicht weiter mit diesen Dingen zu belasten.“ Diagnose: zu Tode gehetzt von der links-linken Jagdgesellschaft.

Der zivilisatorische Reifegrad einer Gesellschaft bemisst sich nicht zuletzt danach, wie ernsthaft sie gewillt ist, unselige Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren und irgendwann vielleicht auch zu überwinden. Im Umgang mit – latenter oder manifester – Rechtsradikalität sind in Österreich seit Jörg Haiders ersten beherzten Gehversuchen auf dem braun polierten Parkett keine nennenswerten Fortschritte zu erkennen. Die Rädelsführer und die Mitläufer des so genannten politischen Protests rotieren in der Endlosschleife aus vorsätzlicher Provokation und dreister Larmoyanz und werden dafür entweder bejubelt oder beschimpft, niemals aber so nachhaltig bestraft, dass sie Anlass hätten, wenn schon nicht ihre Gesinnung, so doch zumindest ihre Taktik zu ändern.

Die lumpige Farce ist zum Dauerzustand geworden, ­dessen lähmende Wirkung bisweilen schon auf die unverzagte Anti-Farce-Bewegung überzugreifen droht. Diesen billigen Triumph sollte man den rechten Murmeltieren auf keinen Fall gönnen – selbst auf die Gefahr hin, dabei langweilig zu wirken.

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