Sven Gächter: Mediamarkt

"Kein gesunder Mensch tanzt", meinte der römische Chefrhetoriker Cicero, was nicht weiter überrascht, denn er schwang bekanntlich lieber Reden als Hüften.

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Samuel Beckett, seinen Texten nach zu schließen auch kein geborener Partytiger, setzte dem Kult der Bewegung in "Warten auf Godot" immerhin ein kleines Denkmal: "Erst tanzen, dann denken. Das ist die natürliche Ordnung." Friedrich Nietzsche wiederum krönte das Nachdenken über die höhere Weltordnung mit einem verblüffenden Bekenntnis: "Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde." Nietzsche war bekanntlich Atheist, aber hätte er lange genug gelebt, um Fred Astaire, Ginger Rogers und Michael Jackson, Christopher Walken in "Weapon of Choice" oder John Travolta in "Pulp Fiction" zu sehen, wäre seine Glaubenskrise vielleicht rasch überwunden gewesen.

Wie sich "Dancing Stars" auf Nietzsches spirituelle Verfasstheit ausgewirkt hätte, ist jedoch eine andere, höchst ambivalente Frage, die Georgij Makazaria, Frontmann der Spaßband Russkaja und Kandidat der diese Woche anlaufenden zehnten Staffel, im aktuellen "News" leider auch nicht ganz zufriedenstellend beantworten kann, jedenfalls nicht nach metaphysischen Kriterien: "Sobald ich den Bauch einziehe, kommt mein Hintern zu weit raus. Achte ich auf beides, versinkt plötzlich mein Kopf." Kein Zweifel: Makazaria denkt zu viel nach und verstößt damit gegen die natürliche Ordnung. Auch Wladimir und Estragon dachten sehr viel und redeten auch noch die ganze Zeit darüber. Aber sie tanzten wenigstens nicht.

Sven   Gächter

Sven Gächter