Satire

Tischrede beim Editor's Dinner: Menüfolgen

Erstmals lud profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum traditionellen Editor’s Dinner ins Palais Rahimi in Wien. Die Tischrede kam wie immer von Rainer Nikowitz.

Drucken

Schriftgröße

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitesser!

Die Führung des profil hat mich mit vorgehaltenem Giebelkreuz gezwungen, auch bei diesem Editor’s Dinner wieder meine Büttenrede zu halten. Das wird sie noch bereuen.

Den Veteranen unter Ihnen, die schon mehrere unserer Anfütterungen auf dem Kerbholz haben, ist sicher sofort aufgefallen: Etwas ist heuer anders. Grundlegend. Eine aufregende Neuerung, eine wichtige Weichenstellung. Nämlich: Wir stehen. Und essen Häppchen. Früher saßen wir immer und aßen vier Gänge. Diese Änderung hat mehrere Gründe.

Zum Ersten ist Häppchenjournalismus gerade generell sehr modern. Zum Zweiten – und auch das liegt auf der Hand: Ein warmes Essen für so viele Leute können wir uns schlicht nicht mehr leisten. Aber der wichtigste Grund war der dritte, da ging es nämlich um ein vernünftiges Risikomanagement. Wenn Sie sich in diesem Palais umsehen, werden Sie an vielen Wänden alte Teppiche sehen, sehr wertvoll, wahre Kunstwerke. Nun wäre bei einem viergängigen Abendessen klarerweise auch ein Suppengang dabei. Somit hätten wir also ein in Zeiten wie diesen eher ungünstiges Zusammentreffen von drei Faktoren: Kunstwerke, Suppe und – Leonore Gewessler.

Unsere Vorsicht war aber eh umsonst, sie hat kurzfristig abgesagt. Aber deswegen schmeiß ich den Gag nicht weg.

Nun gut, ich sehe schon ich, ich kann Sie mit diesem plumpen Ablenkungsmanöver nicht aufs Glatteis führen, Ihnen ist natürlich sofort aufgefallen: Es hat sich noch etwas deutlich Wichtigeres geändert. Zumindest auf den ersten Blick trägt hier niemand bunte Socken. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf das erste Cover verweisen, das meine neue Chefin Anna Thalhammer zu verantworten hatte. Darauf sieht man einen Mann im Nadelstreifanzug von hinten. Und der Titel lautet: „Adieu, alter weißer Mann!“ (profil 11/23) Interessante Wahl – ich bin mir nur nicht sicher, ob es nicht zu subtil war.

Aber wie ich das gesehen habe, ist mir auch gleich siedend heiß eingefallen, dass es nunmehr beim profil kaum mehr etwas besser Abgehangenes gibt als mich. Wenn man von der Software unseres Redaktionssystems einmal absieht. Ich bin schon so lange dabei, ich habe über Susanne Riess-Hahn schon Witze gemacht, da hieß sie noch Riess-Passer und war nicht Wüstenrot, sondern kornblumenblau. Wie schaut es übrigens aus, Frau Riess-Hahn, wollen Sie nicht vielleicht in die Politik zurück? Die SPÖ wäre gerade zu haben. Ein Job, der ähnlich leicht ist wie profil-Chefredakteurin. Oder ist das was für Beate Meinl-Reisinger? Sie haben zwar schon eine Partei, aber manchmal will man ja dann vielleicht doch aus der Bedeutungslosigkeit heraus. Nein? Nicht einmal, wenn die in der Löwelstraße den Deutsch drauflegen? Der wär umsonst.

Schade, das hätte man sehr schön filmisch umsetzen können, so als feministisches Roadmovie a la „Thelma und Louise“. Beim Showdown stehen die beiden an dieser Klippe, vor ihnen der gähnende Abgrund, also die SPÖ. Meinl schaut Riess bedeutungsschwer an und sagt dann: „Susanne – geh du voran!“

Erstmals lud profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum traditionellen Editor’s Dinner ins Palais Rahimi in Wien.

___________

Aber jetzt habe ich lang genug um den heißen Brei herumgeredet. Denn gerade als Satiriker kann ich nicht eine Änderung nicht ansprechen, eine Personalie, die draußen bei den Menschen Sorgen um die journalistische Unabhängigkeit des profil aufkeimen hat lassen. Und zwar vor allem in der wichtigsten aller Welten, also auf Twitter.

Ich muss Ihnen dazu eines sagen: Wie ich erfahren habe, dass Richard Grasl profil-Geschäftsführer wird – da war ich richtig erleichtert. Ja, wirklich! Das war nämlich so: Ich war gerade ein paar Tage im Spital, nichts Ernstes, nur eine missglückte Schönheitsoperation. Ich lieg da also so in meinem Bett und lese diese Nachricht. Und der erste Gedanke, den ich hatte, war: Was für ein Glück – dass ich schon da bin!

Da hätt’ ja sonst weiß Gott was passieren können in meinem Alter. Aber dann hab ich mir gedacht: Ach was soll’s, der Mann war schon beides, also Journalist und Medienmanager – also warum soll er jetzt nicht auch beides gleichzeitig sein, wenn es sich mit der Work-Life-Balance ausgeht. Und dann hab ich auch noch, wie es sich für einen beinharten Investigativjournalisten wie mich gehört, bei meinen besten Kontakten recherchiert. Also auf Wikipedia nachgelesen. Da steht, man sage Richard Grasl tatsächlich eine gewisse Nähe zu einer bestimmten Partei nach. Aber das kann nicht stimmen. Er hat schließlich eine der härtesten Unabhängigkeitsschmieden durchlaufen, die es in diesem Land überhaupt gibt: den ORF Niederösterreich. Roland Weißmann weiß, wovon ich rede – der war ja auch in diesem Stahlbad. Sicher hat ihm Medienministerin Susanne Raab schon allein wegen der Unbotmäßigkeit, mit der man im Landesstudio St. Pölten sozialisiert wird, jetzt dieses geharnischte ORF-Sparpaket umgehängt. Da gibt es aber nur eins, Herr Weißmann: No pasarán!

Ich sage Ihnen eines: Wenn sich ein Erwin Pröll bis heute nachts im Traum unruhig hin- und herwälzt, dann kann das nur einen … na gut, okay, beim Pröll könnte es mehrere Gründe haben, aber einer davon ist mit Sicherheit, dass ihn immer wieder derselbe Alptraum heimsucht. Er ist Studiogast bei „Niederösterreich heute“ – und Chefredakteur Grasl grillt ihn mit seinen beinharten Fragen. Ich habe einmal so ein Interview gesehen. Dagegen ist der Armin Wolf die Gerda Rogers.

Und ich zum Beispiel kann nicht von mir behaupten, Erwin Pröll jemals schlaflose Nächte beschert zu haben. Ich hab ihn aber auch nur ein einziges Mal persönlich getroffen, und zwar hier. Wir haben einander die Hände geschüttelt, er hat mich angestrahlt und gesagt: „Herr Nikowitz! Ich muss Ihnen sagen: Ich finde Sie ja so lustig.“ Und ich habe zurückgestrahlt und geantwortet: „Herr Landeshauptmann – ich Sie auch!“

So werde ich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner heute Abend nicht begrüßen. Also nicht mit diesem Witz. Obwohl …

Aber jedenfalls nicht per Handschlag, sondern nur aus der Ferne. Und zwar nicht, weil ich unhöflich sein möchte – sondern ganz im Gegenteil. Ich will Sie nämlich nur nicht anstecken – weil ich hab die Impfung. Stellen Sie sich vor, der Udo kriegt das spitz, dass Sie ungeschützten Kontakt haben. Da braucht er gleich noch einen Fonds. Wobei es halt ein bisschen schade ist, dass das Geld in Niederösterreich dann bei wichtigen Zukunftsinvestitionen fehlen wird. Alle Welt redet jetzt gerade von ChatGPT, von künstlicher Intelligenz. Da muss man jetzt dabei sein, da muss man investieren! Niederösterreich könnte ein Hotspot für die Entwicklung künstlicher Intelligenz werden. Feldversuch eins könnte sein: Man schenkt dem Landbauer ein Tamagotchi – und lässt nur mehr das reden.

Aber kommen wir zurück zur Unabhängigkeit des profil, ich will Ihre diesbezüglichen Sorgen zerstreuen. Es wird sich nämlich rein gar nichts ändern. Und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Weil wir ja in Wirklichkeit ohnehin schon seit Jahrzehnten Lohnschreiber und Handlanger der grünen Mafia sind! Wir sind längst daran gewöhnt, ständig einen Gummistiefel, in dessen grober Sohle noch etwas Kuhdung und einige russische Kopeken stecken, in unserem gebeugten Nacken zu spüren. Jahrzehntelang war Christian Konrad unser Pate. Man kann sich ja wohl vorstellen, was das bedeutet hat: Christian Rainer war öfter in Mariazell als Kardinal Schönborn!

Wenn dem Alten eine Geschichte nicht gepasst hat, wurde der schuldige Redakteur einen Monat lang zum „Bauernbündler“ versetzt und musste dort die Heiratsannoncen bearbeiten. Das bricht die Härtesten. Und einmal haben wir geglaubt, wir machen einen Betriebsausflug – aber dabei hat der Landesjägermeister nur Treiber für eine Fasanenjagd im Tullnerfeld gebraucht. Das war die Zeit, in der der natürliche Abgang bei uns dann besonders hoch war.

Aber den meisten von uns hat das alles trotzdem nie etwas ausgemacht. Und das war wiederum das Ergebnis einer klugen Personalpolitik. Nehmen wir noch einmal mich als nachgerade prototypischen profil-Redakteur: Ich bin im Marchfeld aufgewachsen, im langen Schatten eines Lagerhaussilos. Bei uns war die Welt noch in Ordnung. Wenn die Leute an der Kirche vorbeigegangen sind, haben Sie sich ein Mal bekreuzigt – und bei der Raika drei Mal. Diese glückliche Kindheit half mir dann auch sehr dabei, vor 36 Jahren meinen allerersten Job im Journalismus zu ergattern – beim „Kurier“, wo denn auch sonst. Dort wiederum wurde gleich meine erste Erfahrung zu einer prägenden. Eine Pressekonferenz von – Othmar Karas. Und so ist das immer weitergegangen, bis heute. Dass ich beim profil bin, ist also alles andere als Zufall. Nicht zuletzt auch die Backkurse bei Martina Salomon haben mir unendlich weitergeholfen.

Und diese solide Grundausbildung, die im Prinzip wir alle beim profil durchlaufen haben, macht es Anna Thalhammer jetzt natürlich sehr leicht. Sie kann auf etwas aufbauen, diese Redaktion weiß ohnehin, was sie zu tun – und vor allem zu lassen hat. Da braucht sie uns gar nicht erst das Parteibuch um die Ohren hauen, von dem Twitter ganz genau weiß, dass sie es hat.

Und ich würde da ja auch noch gerne ein bisschen mithelfen, aber … spät ist es geworden. Am besten wird sein, der Opa geht jetzt wieder zurück ins Heim. Schönen Abend!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort