Satire

Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?

Der Selbstfindungsprozess der SPÖ hätte eigentlich kaum besser laufen können.

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Und? Sie kandidieren hoffentlich auch für den SPÖ-Vorsitz? Ich meine, wann bekommt man so eine Gelegenheit schon so leicht und unverhofft wie jetzt gerade, bei dieser klug geplanten und damit keineswegs hart an einer Farce entlangschrammenden roten Castingshow. Wenn es sogar ein verhaltensorigineller Berufskrakeeler wie Gerald Grosz hinkriegt, sich auf dem von der SPÖ offenbar eigens zu diesem Zweck angelegten Spielfeld über sie lustig zu machen – dann schaffen Sie und ich das doch noch lang, oder? Wobei ich selbst bin ja bei diesem Versuch leider letztendlich gescheitert. Ich habe zwar den Parteibeitritt geschafft, der ist mit € 6,50 Mitgliedsbeitrag pro Monat durchaus wohlfeil und somit auch viel günstiger als zum Beispiel die neue ORF-Haushaltsabgabe – und SPÖ schauen ist im Moment deutlich spaßiger. Aber danach, als es ans Eingemachte ging und ich mich auch noch als Kandidat bewerben wollte, ist es mir ergangen wie bei den letzten  14 Runden der heimischen Solarförderung auch – ich bin online leider zum Opfer des ungeheuren Ansturms und meines brustschwachen WLANs geworden. Das ist wirklich schade, weil ich glaube, ich hätte dieser Partei sehr viel geben können. Und umgekehrt erst! Eine solche Karrierechance ohne die Mühsal eines zweiten Bildungswegs bekomme ich in meinem Alter schließlich nie wieder. Es hat nicht sollen sein. 

Bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, wer denn nun aller statt mir antreten darf, um die SPÖ zu retten – oder zumindest was sie/er halt dafür hält. Quantitativ scheint vieles möglich, bis hin zum Telefonbuch. Qualitativ natürlich auch, wenngleich Gerald Grosz ein Antreten verwehrt wurde. Aber wo der herkommt, gibt’s sicher noch mehr, lassen wir uns überraschen. Und ob es bei  drei Kandidaten bleibt, die auch wirklich Chancen haben?

6,50 € Mitgliedsbeitrag sind weniger als die ORF-Haushaltsabgabe. Und SPÖ schauen ist noch dazu viel spaßiger!

Zu Wochenbeginn sah es jedenfalls kurz so aus, als seien die Odds der Titelverteidigerin deutlich gestiegen. Und dies nicht etwa durch einen plötzlichen Beliebtheits-Raketenstart, sondern eher der geplanten Ausgestaltung des Stimmzettels wegen. Ein gewiefter Stratege in der Parteizentrale – es soll da einen konkreten Verdächtigen geben – hat ersonnen, dass er mit folgendem Satz beginnt: „Soll die gewählte Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben und unsere nächste Spitzenkandidatin werden?“ Dieser Kurzroman zum Start ist natürlich wesentlich zielführender als eine bloße Liste mit den Namen der Kandidaten – denn bei der könnten labilere Mitglieder schließlich viel eher dazu verleitet werden, jemand Falschen anzukreuzen. Eventuell könnte man auch noch andenken, den Kreis für das „Ja“ aus Servicegründen ein wenig großzügiger zu gestalten als den anderen, manche Mitglieder sind ja doch schon älter und sehen vielleicht nicht mehr so gut. 

Das Doskozil-Lager dürfte übrigens überraschenderweise eher verhalten amused gewesen sein. Ob es einen Gegenvorschlag mit einem Stimmzettel gab, der mehr breit als lang ist, analog zum Bus aus dem Burgenländerwitz, in dem alle in der ersten Reihe sitzen wollen, ist nicht überliefert. Er hätte zu der Art, wie die SPÖ diese ganze Wahl handhabt, jedenfalls gar nicht so schlecht dazu gepasst. 

Allerdings könnte sich Doskozils sichtlich düstere Laune nach der letzten Präsidiumssitzung deutlich aufgehellt haben, als sich herausstellte, dass Rendi-Wagner, Kandidatin des linken Flügels, nicht nur gegen ihn, also den Rechten  antreten muss. Sondern dass ihr auch noch Ungemach vom linken Flügel des linken Flügels droht. Mit ihm war auch Robert Menasse sofort begeistert, das ist kein Wunder, zwischen die beiden passt politisch ja sicherlich auch sonst kein Blatt Papier. Und wenn Menasse schon wegen Niki Kowalls aussichtsreicher Bewerbung lautstark wieder der SPÖ beitritt – wie enthusiasmiert muss er jetzt erst bei Andi Babler sein? Der ist ja jetzt schon länger der sentimentale Favorit der Basis. Also der Werktätigen auf Twitter. Der Mann trägt St.-Pauli-Leiberln. Viel mehr muss man gar nicht wissen. Beckmesser könnte zwar der Verdacht beschleichen, dass es eine SPÖ, wie sie unter ihm aussähe, eventuell schon ziemlich deckungsgleich geben könnte. Und zwar unter dem Tarnnamen „Grüne“. Aber die würden sich dann jedenfalls warm anziehen können, so viel steht fest! 

Wie jetzt auch Rendi-Wagner. Darum wäre es aus Gründen der innerparteilichen Ausgewogenheit wünschenswert gewesen, wenn es auch noch einen weiteren Kandidaten des rechten Flügels gegeben hätte, der wiederum Doskozil schadet. Und nach Lage der Dinge hätte das eigentlich nur einer sein können: der Held der Wiener Flächenbezirke. Das war Michael Ludwig nämlich bei seiner Wahl zum Bürgermeister. Aber  wie schon Fred Sinowatz wusste: „Es ist alles sehr kompliziert.“

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort