Meinung

Ukraine-Konferenz in Ramstein: Schickt Panzer!

Europa muss seine Verteidigungspolitik endlich selbst in die Hand nehmen.

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Darf der Leopard 2-Panzer in die Ukraine?

Darüber wurde heute Freitag in Ramstein diskutiert, einer Militärbasis der US-Air Force im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz, wo die Vertreter der Unterstützerländer der Ukraine zusammenkamen. Eine Entscheidung blieb aus. Man werde die Bestände prüfen, hieß es vom neuen deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius. Als hätte die Ukraine alle Zeit der Welt. 

Der Leopard 2 ist Putins Kriegsgerät technisch überlegen. Er gilt als einer der besten Kampfpanzer der Welt. Der Leopard wird in Deutschland hergestellt und mehrere europäische Staaten, darunter Polen, Finnland und Spanien, verfügen über Panzer dieses Typs. Die Ukraine braucht nach eigener Auskunft mindestens 300 Stück des Leoparden, um sich gegen Russland zu verteidigen. Die Uhr tickt. Westliche Geheimdienste prognostizieren für den Frühling eine Großoffensive Moskaus.

Es könnte so einfach sein. Ist es aber nicht.

Der Grund dafür heißt: Olaf Scholz. Der deutsche Kanzler hat diese Woche einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Deutschland seinem Anspruch als europäische Führungsmacht nicht gerecht wird. Dabei war es Scholz, der vergangenes Jahr eine „Zeitenwende“ ausgerufen hat. „Was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht wird, das wird getan“, sagte er damals. Ein Jahr später tut er genau das nicht. 

So zynisch es auch klingen mag: Um den Frieden in Europa zu sichern, braucht es jetzt Waffenlieferungen. Sie wären kein Tabubruch, sondern nur konsequent. Deutschland hat bereits schwere Panzer wie den „Gepard“ geliefert.

Doch beim Leopard zögert und zaudert Scholz. Noch schlimmer: Er hält andere Länder davon ab, ihn in die Ukraine zu schicken. Berlin nimmt in der Panzerfrage eine Schlüsselrolle ein. Als Herstellerland muss Deutschland bei sämtlichen Exporten grünes Licht geben. In der Praxis bedeutet das: Polen oder Finnland dürfen den Panzer nicht ohne die Erlaubnis Berlins losschicken.

Und genau dort passierte bis heute: gar nichts. Als Erklärung gab Scholz an, keinen „Alleingang“ hinlegen zu wollen. Das Wording ist höchst eigenartig. Deutschland ist nämlich nicht allein. Großbritannien, Frankreich, Polen, Lettland, Dänemark – sie alle wollen Panzer westlicher Bauart liefern. Die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament fordern Scholz auf, die Lieferung von „Leopard 2“-Panzern zuzulassen.

Scholz warnt vor dem Alleingang, während das, was er riskiert, das Allein-Sein ist. So brachte es diese Woche Wolfgang Ischinger im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auf den Punkt, der langjährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und der ehemalige Botschafter Deutschlands in den USA.

Als der Druck zu groß wurde, ging Scholz auf Zick-Zack-Kurs. Er wolle der Lieferung „grundsätzlich“ zustimmen, aber nur unter der Bedingung, dass die USA Kampfpanzer vom Typ Abrams schicken.

Klingt logisch? Ist es aber leider nicht, nicht einmal rein technisch betrachtet

Der Abrams ist anders als der Leopard 2. Er braucht große Mengen Treibstoff und wird mit einem System betrieben, das von den Ukrainern nicht gewartet werden kann. Der Abrams ist teurer und mit einem  immensen logistischen Aufwand verbunden.

Kurzum: Es macht militärisch keinen Sinn, den Abrams zu schicken. Das hat das Pentagon bereits vor Monaten so kommuniziert.

Olaf Scholz weiß das natürlich. Er bekommt regelmäßige Briefings von Geheimdiensten und Militärexperten.

Warum also knüpft er dringend benötigte Lieferungen an eine Bedingung, die nicht zu erfüllen ist? Warum Gerät schicken, das der Ukraine nichts nützt, wenn in Polen dringend benötigte Panzer in den Startlöchern stehen?

Was vom Treffen in Ramstein bleibt, ist eine bittere Lehre für ganz Europa. Der deutsche Kanzler tut das Notwendige immer erst dann, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Und: Streng genommen hat er Washington vor aller Welt zu erpressen versucht. Auf die Art: Wenn ihr nicht euren Panzer liefert, dann liefern wir unseren erst recht nicht. „Olaf Scholz wirkt manchmal wie ein trotziges Kind“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Angesichts des Leids, das sich jeden Tag in der Ukraine vollzieht, ist das eine fast schon verniedlichende Darstellung der Realität. Der Westen hat die moralische Verpflichtung zu helfen. Verzögern sich Waffenlieferungen, dann steigt der Blutzoll. Im Frühling könnte Russland eine weitere Großoffensive starten. Putin führt nagelneue Panzer ins Feld. Er hat aus den Fehlern des vergangenen Jahres gelernt, das Militär aufgestockt und laut Angaben des britischen Geheimdienstes kann er auf die Unterstützung von rund 50.000  Soldaten der Söldnertruppe Wagner zählen. Womöglich könnte er die Ukraine von Belarus aus angreifen und so in die Zange nehmen.

Selbstverständlich hat Olaf Scholz Recht, wenn er sagt, dass sich alle westlichen NATO-Partner im Verbund absprechen müssen. Aber Europa sollte seine Panzerlieferungen nicht von den USA abhängig machen. Immerhin verteidigt der Leopard in der Ukraine auch unsere eigene Sicherheit.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.