Kolumne

Vermögenssteuer: Der Maler streicht an, der Staat streicht ein

Wer sich für 400.000 Euro eine Wohnung kauft, muss in Summe 808.000 Euro an den Staat abliefern. Und wir wundern uns, dass kaum noch jemand arbeiten will.

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Während in Österreich mit den Preisen auch die Lohnstückkosten davongaloppieren und das Land in allen Standortrankings nach hinten durchgereicht wird, scheint es wirtschaftspolitisch nur ein wirklich relevantes Thema zu geben: Wann kommen endlich die Erbschafts- und Vermögenssteuern zurück? Die Debatte ist nicht neu, sie schwelt seit vielen Jahren und lodert in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder auf. Deutlich zu wenig geredet wird nach meinem Geschmack über die nahezu menschenrechtswidrige Besteuerung der heimischen Arbeitnehmer. Wer hierzulande 3700 Euro brutto im Monat verdient, zählt zum elitären Club des obersten Einkommensviertels, das mehr als drei Viertel der gesamten Lohnsteuerlast trägt. Die obersten zehn Prozent schultern bereits mehr als die Hälfte der Steuerlast.

Nun dürfte niemandem verborgen geblieben sein, dass Österreich ein Hochsteuerland ist. Weniger bekannt sein dürfte, wie beherzt der Staat tatsächlich zugreift. Kauft sich ein Durchschnittsverdiener eine Immobilie für 400.000 Euro und nimmt dafür einen Kredit in Höhe von 300.000 Euro auf, der 30 Jahre lang zurückgezahlt wird, dann kommt das neue Eigenheim inklusive Steuern und Zinsen auf 726.000 Euro. Um diese Summe mit dem versteuerten Einkommen zahlen zu können, müssen 1.422.000 Euro an Arbeitseinkommen erwirtschaftet werden. Der Staat kassiert also über 808.000 Euro dafür, dass sich jemand von seiner Arbeitsleistung ein Eigenheim für 400.000 zulegen kann. Kommt auch noch ein Maler ins Haus, um für 600 Euro ein Zimmer zu verschönern, muss der frischgebackene Wohnungsbesitzer 1176 Euro erwirtschaften, um die Rechnung nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen begleichen zu können. Dem Maler bleiben von den 600 Euro nach Zugriff des Staates 311 Euro. Die öffentliche Hand kassiert also für eine Transaktion in Höhe von 600 Euro flotte 865 Euro Steuern und Sozialabgaben.

Um die absurd hohe Belastung des Faktors Arbeit zu senken, werden Substanzsteuern ins Spiel gebracht. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, der nicht gerade der Präsident des Karl-Marx-Fanclubs ist, erklärte in einem Interview mit der „Zeit“ vor einer Woche: „Vermögenssteuern lösen weder alle Probleme, noch sind sie des Teufels. Die USA und Großbritannien haben im Vergleich zu Österreich hohe Vermögenssteuern, ohne dass sie gleich kommunistische Länder wären.“ Um den Faktor Arbeit „spürbar“ zu entlasten, könnten auch Substanzsteuern wieder ein Thema sein. Genau das dürfte schwierig werden. Seit die Vermögenssteuer 1994 von Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ) abgeschafft und durch die Kapitalertragssteuer ersetzt wurde, sind auch sämtliche Steuern auf Kapitalvermögen abgegolten. Ein Passus, der in der Bundesverfassung verankert ist und nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann.

Kapitalvermögen sind per Verfassung vor einer Vermögenssteuer geschützt. 

Wer also eine Vermögenssteuer einführen will, muss das gesamte Kapitalvermögen ausklammern. Womit ein großer Brocken der zu besteuernden Masse schon einmal wegfällt und nur noch Unternehmen, Immobilien sowie Bilder und der Familienschmuck übrig bleiben. Wer also 500 Millionen Euro von der Oma geschenkt bekommt, bleibt steuerfrei, wer das Unternehmen der Vorgängergeneration übernimmt, hat selbst in Verlustjahren Vermögenssteuer zu bezahlen. Eine recht eigenwillige Interpretation des Begriffs „Steuergerechtigkeit“. Um den Faktor Arbeit, der jährlich

100 Milliarden Euro in die Staatskassen spült, „spürbar“ zu entlasten, müsste die Vermögenssteuer schon eine Massensteuer werden. Also genau das, wovor sich die hart arbeitende Bevölkerung, die mit ihrem hoch versteuerten Arbeitseinkommen ihren Hauskredit abgestottert, zu Recht fürchtet.

Jetzt kann man natürlich aus rein ideologischen Gründen weiter für die Einführung von Vermögenssteuern sein. Auch wenn der Schaden größer sein wird als der Erfolg: Österreich wird den Faktor Arbeit nicht entlasten können, aber mit der Wiedereinführung von Substanzsteuern Investoren an andere Länder verweisen, die derartige Steuern nicht kennen. Wer wirklich möchte, dass Arbeitnehmern spürbar mehr von ihrem Einkommen bleibt, muss an die Staatsausgaben ran. Österreich hat mit knapp 52 Prozent der Wirtschaftsleistung die fünfthöchsten Staatsausgaben der EU. Würden sie auf das Niveau von 2019 zurückkehren, ersparte sich der Staat jährlich

18 Milliarden Euro. Mit dieser Summe könnte der Faktor Arbeit um fast ein Fünftel entlastet werden. Aber darüber reden vor allem jene nicht gerne, die sich bei jeder Gelegenheit im Namen der sozialen Gerechtigkeit für Substanzsteuern starkmachen. Sie wollen nämlich nicht, dass der Staat seine Ausgaben bremst – weil davon angeblich nur der Sozialstaat geschwächt würde. So lange das so bleibt, haben wir es mit einer politisch motivierten Scheindebatte zu tun, die nur ein Ziel hat: der Politik die mühsame Arbeit zu ersparen, den Staat auf Vordermann zu bringen und das offensichtliche Geldverschleudern endlich ein wenig einzudämmen.