Von Stuben und Hockern

Nach Biedermeier und Cocooning ist aktuell wieder einmal Eskapismus angesagt.

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Soll die Kommode unterm Fenster stehen oder kommt sie doch im Vorzimmer besser zur Geltung? Ein paar Klicks, ein paar Wischer: Schon ist das gute Stück umarrangiert. Ganz ohne schweißtreibenden Körpereinsatz oder Anheuern kräftiger Möbelpacker. Es überrascht nicht, dass Einrichtungs-Apps für Smartphones oder Tablets derzeit wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden schießen. Schließlich nahm die erste Halbzeit des Jahres 2016 einen angstmachenden und höchst grausamen Verlauf.

Krisenherde umzingeln Europa und Terrorakte treffen den Kontinent mitten ins Herz. Wer will da nicht mitunter flüchten, aus dieser rauen und brutalen Nachrichtenwelt? Der Rückzug ins Private also. Neu ist das nicht. Nach Biedermeier (zugegeben, schon eine Weile her) und Cocooning ist aktuell wieder einmal Eskapismus angesagt. Während draußen die Welt unterzugehen droht, dreht sich drinnen alles um Haus, Küche und Garten. Krisengewinner sind Branchen, die von der Tendenz zum Stubenhocken profitieren.

Auch wenn man den Eindruck haben mag, dass derzeit (fast) alle ins Freie stürmen, um Pokémons zu jagen. Das täuscht. Hier bestätigt einfach nur die Ausnahme die Regel. Und so geht es um die ausgeklügelte indirekte Beleuchtung für ein optimales Wohngefühl. Vor der Palmentapete ohne Terrorgefahr. Hauptsache, man sitzt in einem perfekt durchgestylten Zuhause. Dann kann draußen ruhig das Chaos toben. Oder?

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.