Gernot Bauer
Gernot Bauer

Sechs Erkenntnisse aus Oberösterreich

Was das Wahlergebnis in Oberösterreich über alte Parteien und neue Bewegungen aussagt.

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ÖVP: Erwartungen, nicht Ergebnisse zählen

Landeshauptmann Thomas Stelzer, ÖVP, erzielte mit 38 Prozent ein solides Resultat, bleibt aber deutlich hinter seinen LH-Kollegen in anderen Bundesländern wie Niederösterreich oder Tirol zurück, die jeweils über 40 Prozent erzielten. Stelzer stellte vor allem seine Person und bisher Erreichtes in den Vordergrund und warb mit dem Slogan, Politik mit „Hausverstand“ zu machen. Schön und gut. Aber zu viel Hausverstand behindert Visionen. Stelzer ist mehr Chief Operating Officer (COO: ein Manager fürs Tagesgeschäft) als Chief Executive Officer (CEO: ein Manager für das große Ganze).

Merke: Bürgerinnen und Bürger wählen nicht Ergebnisse, sondern Erwartungen.

FPÖ: Eine Partei mit einem Thema

Der Einfluss der FPÖ-OÖ in der Partei gründet auf ihrer regionalen Stärke. Diese ist verloren. Mit 20 Prozent (ein Verlust von einem Drittel ihrer Wähler) ist die FPÖ-OÖ von Landesparteichef Manfred Haimbuchner nun so stark wie (in Umfragen) die Bundespartei von Herbert Kickl. Die These, es gäbe eine Haimbuchner-FPÖ und eine Kickl-FPÖ, ist obsolet. Die FPÖ ist eine geschlossene Partei der Impfskeptiker und -verweigerer. Ob Thomas Stelzer wirklich mit ihr koalieren kann? Bei der Wahl 2015 konnte die FPÖ-OÖ dank der Flüchtlingskrise punkten. Anti-Corona wird vom FPÖ-Wähler offenbar weniger gewürdigt als Anti-Ausländer.

Merke: Die FPÖ ist und bleibt eine monothematische Partei.

Grüne: Grüne sind Ökos

Zwölf Prozent sind der Sockel der Grünen. Spitzenkandidat Stefan Kaineder setzte auf den Klimaschutz. Dieser war auch das dominante Wahlmotiv. Menschen- und Minderheitenrechte, Asyl, Migranten sind – nicht nur in Oberösterreich – keine Stimmenbringer. Das mussten die Grünen im Bund bei der Wahl 2017 auf die harte Tour lernen, als sie aus dem Nationalrat flogen.

Merke: Die Grünen werden eine Öko-Partei sein, oder sie werden nicht mehr sein.

SPÖ: Hoffen auf die Fehler der anderen

Die SPÖ holt im Voest-Land 19 Prozent. Mehr muss man zum Wahlergebnis nicht sagen. Parteichefin Birgit Gerstorfer kam mit ihren Themen – Frauen, Pflege, Arbeit – nicht durch.

Merke: Die SPÖ kann es im Bund aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Sie muss auf Fehler der anderen hoffen.

NEOS: Sie wissen nicht, was sie sind

Allein dass die NEOS um den Einzug in den Landtag zittern mussten, ist eine Niederlage. Die Pinken haben keinen Sockel. Sie müssen bei jeder Wahl erneut um jede Stimme kämpfen. NEOS-Sympathisanten wählen Überbau-Themen: Freiheit, Demokratie, Unabhängigkeit, Kontrolle und ja: politischer Stil. Bei der Kontrolle konnten die NEOS im Ibiza-U-Ausschuss punkten, beim politischen Stil nicht. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger positioniert die NEOS als Wutpartei für Großstadt-Akademiker. Wirtschaftsliberale Impulse sind kaum spürbar.

Merke: Anti-Kurz sein ist kein Programm.

MFG: Das System funktioniert auch für Systemgegner

Und wieder zieht der Reiz des Neuen, wie bei Frank Stronach oder nun bei der Liste MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte). Ein Teil ihrer Wähler (insgesamt sechs Prozent) sind Corona-Leugner und Hardcore-Impfgegner. Andere werden die Partei aus legitimem Protest gegen die Corona-Einschränkungen gewählt haben. Ehemalige FPÖ-Wähler werden für MFG gestimmt haben, weil ihnen Herbert Kickls Kurs zu radikal oder zu wenig glaubwürdig war. Alle drei Gruppen eint, dass sie in etablierten Parteien kein Angebot finden oder diese überhaupt ablehnen. Das Phänomen MFG zeigt aber auch dem letzten Staatsverweigerer: Politische Anliegen können in den demokratischen Prozess eingespeist werden.

Merke: Das System funktioniert, auch zugunsten von Systemgegnern.

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.