Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Wenn wählen, wen?

Wenn wählen, wen?

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Amerikanische Zeitungen geben ihren Lesern vor Wahlen oft unverblümt Empfehlungen, regelmäßig auch gegen die eigene Blattlinie; da kann ein konservatives Medium durchaus einen Kandidaten der Demokraten unterstützen, solange die Person gefällt, und ein liberales einen Republikaner. In Europa sind eindeutige Bekenntnisse selten und einschlägige Hinweise daher eher verwaschen in der Berichterstattung versteckt. Prinzipiell verbieten journalistische Grundsätze aber keineswegs direkte Empfehlungen. Gerade profil hat da regelmäßig nicht mit klarer Meinung gegeizt. Zum Beispiel hatte ich im Jahr 1999 trotz guter Argumente für das Liberale Forum und die Grünen für eine taktische Stimme an die SPÖ plädiert: Ich sah trotz gegenteiliger Versicherungen der Volkspartei eine schwarz-blaue Koalition am Horizont und ein Votum für Kleinparteien als Verschwendung in dieser heiklen Lage. Die Rechtsregierung kam dann bekanntlich wirklich – mit Lug und Betrug und ohne jeden Sinn.

Vor dem kommenden Sonntag kann von einer heiklen Lage keine Rede sein. Das künstliche Aufheizen der Stimmung hat nicht einmal für Reibungswärme gesorgt, und hätte Frank Stronach mit jedem Satz über seine Geschäftstüchtigkeit nicht um die Aberkennung seiner Geschäftsfähigkeit gerungen, wäre dies der langweiligste Wahlkampf seit Jahrzehnten geworden.

Daher dieses Mal: keine Wahlempfehlung; aber die Empfehlung, drei Parteien nicht zu wählen.

SPÖ. Werner Faymann hat das Land als Kanzler solide durch die schwerste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Kritiker verwenden statt „solide“ lieber „ideenlos“. Tatsächlich fehlte dieser Regierung, die nun mal dem Chef zuzurechnen ist, jede über die Nachmittagsjause hinausgehende Vision. Aber immerhin hat sich Faymann vom „Krone“-Leserbriefschreiber zu einem Angela-Merkel-Fan entwickelt (was ausnahmsweise nicht ironisch gemeint ist). Jedenfalls: Wer zum Beispiel für mehr Verteilungsgerechtigkeit ist, sollte die SPÖ wählen; wer nicht für mehr Verteilungsgerechtigkeit ist, weil er Vermögenssteuern fürchtet, kann das dennoch tun – denn der für die Sozialdemokraten unverzichtbare Koalitionspartner ÖVP wird solche Steuern verhindern.

ÖVP. Maßgeblicher Einfluss auf die Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahren kann Michael Spindelegger nicht angedichtet werden. Im Gegenteil: Dass die Bildungsreform nicht vom Fleck kommt, ist eine Schande und der ÖVP zuzurechnen – schwarze Lehrergewerkschaft plus Standesdünkel der konservativen Klientel. Allerdings verhinderte die Partei einiges an Unsinn, den der Regierungspartner im Köcher hatte. Wer also Budgetabenteuer wie die jüngst von Faymann gezimmerte Steuergeschenkreform verhindern will, sollte ÖVP wählen.

FPÖ. Nein, nein und wieder nein. Wer gegen Stillstand und Freunderlwirtschaft protestieren will – und das sind sehr gute Beweggründe –, hat andere Möglichkeiten. Die FPÖ ist eine Krawallpartei, deren dubioses Personal seinen Lärm mit verstimmten Instrumenten erzeugt. Die FPÖ denkt in Zerstörungskategorien, ist ausländerfeindlich ohne Maß und Ziel, ist von der Spitze abwärts mit rechtsradikalem Gedankengut verseucht.

BZÖ. Ein Programm ist nicht erkennbar, die „Mitte“ und ein geschickter Parteichef sind keines. Umso mehr modert die Vergangenheit: Hier (und in der FPÖ) mieft Haiders Erbe – nicht nur in Ungestalt der Kärntner Hypo. Nostalgie wäre der einzige Grund, das BZÖ zu wählen. Aber Heimatfilme gibt es bessere.

Die Grünen. Finger weg für eingefleischte Autofahrer und Obacht auch für Halbmillionäre! Wie bei der SPÖ gilt freilich: Da die Grünen eher nicht alleine regieren werden, ist die reale Bedrohung für Kraftfahrzeug, Haus und Hof überschaubar. Davon abgesehen gutes Material für Protestwähler: supersauber seit Jahrzehnten. Und vielleicht auch für Pragmatiker: Bis auf Chaos in der Mariahilfer Straße haben die notorischen Chaoten – aktuell in fünf Landesregierungen tätig – nichts Böses angestellt.

Team Stronach. Erste Wahl bei allen, die Aug’ in Aug’ mit Berufskillern und Bankbetreuern um ihr Leben bangen. (Und für alle, die sich über den real existierenden Stronachismus totlachen wollen.)

NEOS. Warum nicht? Aber warum eigentlich? Das Programm mit Bürgergeld für Bedürftige und das Personal mit dem Milliardär als Gutmensch steht unter Mäzenatentum-statt-Politik-Verdacht. Andererseits: Neben den Grünen die einzige intellektuell und moralisch statthafte Protestgelegenheit.

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