Franz Schellhorn
Franz Schellhorn

Wer passt jetzt auf unser Geld auf?

Der deutsche Bundesbankpräsident nimmt den Hut. Die Eurostaaten planen höhere Schulden. Die OECD rechnet mit kargem Wachstum. Es könnte besser laufen.

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Es ist dieser Tage nicht gerade so, dass die Welt in erfreulichen Nachrichten unterginge. Die wirtschaftliche Erholung schreitet nach der schlimmsten Phase der Pandemie zwar zügig voran, gleichzeitig wächst sich aber die stark gestiegene Langzeitarbeitslosigkeit zum großen sozialen Problem aus. Und das in einer Phase, in der viele Unternehmen Aufträge ablehnen müssen, weil ihnen die Mitarbeiter fehlen. Als wäre das nicht genug, beglückt uns die OECD mit einem ernüchternden Blick in die Zukunft.

Bis 2060, so wollen die volkswirtschaftlichen Auguren der Industrienationen wissen, werde sich das Weltwirtschaftswachstum halbieren. In der Eurozone werde das jährliche Wachstum pro Kopf zwischen 2025 und 2060 nur noch bei knapp 1,0 Prozent liegen. Österreich werde sich laut OECD noch etwas schwächer entwickeln. Es riecht also verdammt stark nach einer längeren Phase einer Beinahe-Stagnation.

Jetzt könnte man einwenden, dass derartige Langfristprognosen für den sprichwörtlichen „Hugo“ sind. Wir kennen nicht einmal das Wirtschaftswachstum vom nächsten Jahr, wie wollen wir dann 40 Jahre voraussehen?

Was wir allerdings ziemlich genau wissen: Die Bevölkerung altert. Diese an sich überaus erfreuliche Erkenntnis hat einen Haken: Die Zahl der produktiven Bürger wächst langsamer als jene der Pensionisten. Was wiederum das Wirtschaftswachstum entscheidend bremst, womit die Prognose der OECD plausibler wird.

Das treibt vielen Bürgern den Angstschweiß auf die Stirn. Weil sie auch ohne Wirtschaftsstudium wissen, was ein schwaches Wachstum bei einer stark steigenden Zahl an Anspruchsberechtigten für einen gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat heißt: Leistungskürzungen oder höhere Steuern. Aus Sicht der OECD würde sich die Steuerleistung in Österreich auf bis zu 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erhöhen – so nicht mit Reformen gegengesteuert wird. Und genau danach sieht es nicht aus.

Nehmen wir nur das budgetär wichtigste Thema der kommenden Jahre: das klaffende Defizit im staatlichen Pensionssystem. Allein bis 2025 fehlen 125 Milliarden Euro. Statt endlich das Pensionsantrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, wird von einer ÖVP-geführten Regierung sogar jede Menge Geld über außertourliche Pensionserhöhungen nachgeschüttet. Als gäbe es kein Morgen mehr. Doch das Morgen wird kommen.

Auch auf europäischer Ebene sieht die Sache nicht besser aus. Statt darüber zu diskutieren, wie nach Corona zu einer vertretbaren Neuverschuldung zurückzukehren wäre, wird in der EU-Kommission eifrig daran gearbeitet, die „strengen“ Budgetregeln zu lockern. Sie wissen schon, das sind jene „strengen“ Budgetregeln, die seit deren Einführung bei jeder sich bietenden Gelegenheit gebrochen wurden.

Obwohl die politischen Vertreter aller Euro-Länder deren Einhaltung hoch und heilig versprochen haben, um den Euro nicht zu einer Weichwährung verkommen zu lassen. Statt die politische Realität den Regeln anzupassen, werden die Regeln der politischen Realität angepasst. Das könnte man pragmatisch nennen. Weil es ja wirklich keinen Sinn ergibt, an Regeln festzuhalten, um die sich ohnehin niemand schert. Aber wer soll den europäischen Regierungschefs in Zukunft noch etwas glauben?

Dazu passt, dass der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann vergangenen Mittwoch um die vorzeitige Auflösung seines bis 2027 (!) laufenden Vertrages ersucht hat. Aus persönlichen Gründen, wie er seinen Mitarbeitern schreibt: „Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als 10 Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ Das könnte man auch anders lesen: Der wichtigste Einzelkämpfer in der Europäischen Zentralbank gibt entnervt auf. Weidmann hielt budgetäre Stabilität für erstrebenswert und eine hemmungslose Verschuldung für einen Fehler. Das Unterfangen ist aussichtslos geworden, die Freunde der offenen Geldschleusen haben längst die Oberhand. Obwohl der EZB die Finanzierung von Staaten verboten ist, kauft sie über Umwege immer mehr Schulden der Eurostaaten auf.

Gegen steigende Schulden wäre grundsätzlich auch nichts einzuwenden, wenn sie unsere Zukunft sicherten. Das Gegenteil ist leider der Fall, nicht zuletzt in Österreich. Während die klaffenden Löcher im Pensionssystem mit neuen Schulden gefüllt werden, warten Schulen noch immer auf leistungsfähiges Internet, von digitalisierten Lehrplänen nicht zu reden. Statt endlich die Verwaltung zu digitalisieren, schlurfen hoch besteuerte Bürger mit Zetteln in den Händen durch gebohnerte Gänge heimischer Behörden.

Statt neue Technologien zur Energiegewinnung zu erforschen, fördert der Staat den Zukauf von batteriebetriebenen Automobilien, Windrädern und Sonnenkollektoren aus asiatischer Produktion. Zugegeben, es könnte deutlich besser laufen. Aber wer weiß: Vielleicht haben die Anhänger der „Magic Monetary Theory“ ja recht – und wir werden alle mit neuen Schulden endlos reich. Dann würde zumindest die OECD mit ihrer pessimistischen Langzeitprognose danebenliegen.