Wir haben Geburtstag! Ein Hoch auf die Falten

profil wird 55 Jahre alt. Wir sind mitten in den Wechseljahren. Das bringt Schweißausbrüche, aber auch richtig viel Gutes.

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„Das Alter kommt in keiner schönen Figur“, sagt mein Papa immer. Leider hat er, wie so oft, recht. Sein Spruch gilt auch für das profil. Wir werden dieses Jahr 55 Jahre alt – und Altern in Würde, das ist oft nicht so einfach, wie man sich das für sich selbst wünscht. Die Schönheit unserer Jugend ist verblasst. Es gab Zeiten, da sind Studenten am Samstag vor Trafiken Schlange gestanden, weil sie auf die neue druckfrische Ausgabe gewartet haben. Es war eine Zeit, als junge Menschen unsere Covers ausgeschnitten haben und in ihren Zimmern aufgehängt haben, weil wir so sexy waren. Als klassische Medien gesellschaftlich noch einen deutlich höheren Stellenwert hatten, weil es sonst kaum Informationsquellen gab. Und, böse gesagt: Es war eine Zeit, als Menschen noch gerne und viel gelesen haben. Eine Kompetenz, die weltweit schwindet. Glaubt man Studien, entwickelt sich unsere Aufmerksamkeitsspanne eher in Richtung der einer Fliege.

Wir sind also sprichwörtlich in den Wechseljahren. Wir schwitzen ordentlich, weil die wirtschaftliche Lage in Österreich insgesamt schwierig ist und uns das in weiterer Folge betrifft. Die gesamte Medienlandschaft kracht – Qualitätsmedien im Besonderen. Professioneller, hochwertiger Journalismus ist eben kein Tik-Tok-Video, das man schnell aufnimmt. Er braucht Zeit, Ressourcen, Geduld – und die klügsten Köpfe. Wir bei profil setzen noch immer auf klassische Handarbeit, Sie finden bei uns keine Geschichten, die bloß aus Agenturen kopiert oder Schnellschüsse wären. Es ist gutes, altes Handwerk, aus Hirnschmalz gebacken.

Wir schwitzen, weil sich die Welt schneller dreht und wir darum auch schneller laufen müssen. Wir haben Gelenksschmerzen, weil wir flexibel sein müssen, um dem digitalen Wandel gerecht zu werden – aber wie fast alle Medienhäuser haben wir zu lange unsere Dehnungsübungen nicht gemacht. Der Spagat zwischen Print und Digital ist eine schwierige Übung geworden. Und dann wäre da noch die Zukunft: Um digital fit zu werden, bräuchten wir in finanziell angespannten Zeiten eigentlich viel mehr Mittel. Alles nicht so einfach, manchmal. Aber wer hat schon gesagt, dass es einfach wird? Oder, dass wir es gerne einfach haben? Wenn es so wäre, hätten wir einen anderen Job. Einen, in dem man es gemütlicher hat. Wo man weniger angegriffen wird. Manchmal weniger kämpfen muss. Kurz gesagt: Wir lieben die Challenge.

Das Alter bringt auch Gutes, um diese bewältigen zu können. Gelassenheit etwa und ein gewisses Vertrauen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten erleben können, wie schnell sich falsche Entwicklungen auch wieder drehen können. Manchmal sogar überraschend schnell zum Positiven.

Wir haben gesehen, dass es immer wieder Einzelne in Politik oder Wirtschaft gibt, die für ihren eigenen Vorteil Missbrauch betreiben. Manchmal kommen sie damit durch. Aber unsere Erfahrung hat uns auch gelehrt, dass die Gerechtigkeit am Ende deutlich öfter siegt und diese Menschen zur Verantwortung gezogen werden. Wir betrachten es als unsere Pflicht, dazu etwas beizutragen. Wir wissen, dass groß aufgebauschte angebliche Skandale oft nur Eintagsfliegen sind – und wir sind alt genug, um vieles davon zurückgelehnt betrachten zu können. Das empfiehlt sich übrigens schon auch deswegen, um sich nicht im Nachhinein zu blamieren.

Wir altern ohne Grant. Man sagt uns zwar nach, dass wir nur das Negative sehen – und ja, wir sind defizitorientiert. Aber nicht, weil wir glauben, dass alles so furchtbar ist. Sondern im Gegenteil: Weil wir an das Gute auf der Welt glauben. Dafür muss man die faulen Äpfel aber auch ausklauben. Wir suchen sie und richten den Scheinwerfer auf sie. Es gibt keine bessere Verteidigung gegen schlechte Entwicklungen als Transparenz.

Wir tun all das mit mehr Leidenschaft als je zuvor – denn im Alter wird man auch renitenter und resilienter. Wir sind nicht mehr so laut wie in unserer Jugend – dafür sehen wir vieles klarer. Wir tun uns mit der Flexibilität manchmal schwer, dafür wissen wir, wie Haltung geht. Wir haben als Magazin in den letzten 55 Jahren Geschichte mitgeschrieben – und mit diesem Erfahrungsschatz schauen wir nach vorne. Denn altern ist kein Defekt, sondern ein Prozess, aus dem man lernen kann. Wir versuchen das jeden Tag, und siehe da: Anscheinend funktioniert es auch. Die digitale Transformation schreitet voran – wir sehen, dass wir immer mehr Leser für uns begeistern können. An dieser Stelle auch an Sie, liebe Leserinnen und Leser: Es ist schön, mit Freunden alt zu werden, danke dafür. Danke, dass sie unsere Falten und unsere Patina lieben. Wir finden, vieles auf der Welt ist zu glattpoliert. So sind wir nicht. Wir altern in Würde - und werden dabei sogar jünger. Der profil-Altersschnitt liegt derzeit bei 41,7 Jahren.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.