Donald Trump bei einer Rede

Das Faustrecht erobert die Politik

Krisen, Kriege, rhetorische Klammergriffe: Die Sprache der Politik dient der internationalen Verrohung und der Entsolidarisierung.

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An Donald J. Trump ist kein fesselnder Redekünstler verloren gegangen. Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten ist das Inbild eines von Affekten und billigen Antworten getriebenen Politikers: Showman auf der Weltbühne, Angstschürer und Beschwichtiger in Personalunion. Erst vor wenigen Tagen zeigte sich Trump in Washington mit der ihm eigenen Unmissverständlichkeit sehr, sehr wütend über Israel und den Iran. Teheran, so grantelte er in Mikros und Fernsehkameras, habe die Waffenruhe „verletzt“, aber Israel habe dies „ebenfalls“ getan. Dann folgte ein Trump-Satz erster, sprich: letzter Güte: „Im Grunde haben wir es mit zwei Ländern zu tun, die sich schon so lange und so heftig bekämpfen, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie verdammt noch mal tun.“ Im englischsprachigen O-Ton griff Trump dabei in die unterste Schublade vulgärer Formulierungen: „They don‘t know what the fuck they‘re doing.“ Trump parierte auf die Frage nach den dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten mit seinem Erfolgsrezept für alle Lebenslagen: mit rhetorischem Rempeln und Ellenbogenstößen in Versalien. 

Auf keinem anderen Feld der Öffentlichkeit ist die Sprache so folgenreich wie in der Politik. In der Politik wird bekanntermaßen Relevanteres verhandelt als in der Pfadfindergruppe Fähnlein Fieselschweif oder an den Stammtischen der österreichischen Provinz. In der Politik ist die Sprache stets folgenreich. Angemessen umfassend gesagt: Politik bildet die Welt ab, die verwendete Sprache ebenfalls. Worte können Kriege wüten lassen, Menschengruppen diskriminieren, Börsenkurse hochjagen oder in den Keller schicken. 

Hierzulande verroht die politische Sprache seit Jahrzehnten in aller Öffentlichkeit. Jörg Haider geiferte 2001 gegen den damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, in einer Aschermittwochsrede: „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben?“ Copyright der antisemitischen Attacke: Herbert Kickl, seit Juni 2021 Bundesparteiobmann der FPÖ. Kickl im Originalton von 2018: „Wir wollen die Asylwerber konzentriert an einem Ort halten.“ Der damalige Innenminister betonte damals, er habe mit dieser Formulierung „keinerlei Provokation intendiert“. Der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte im Jahr davor in einer Finca auf Ibiza erklärt: „Journalisten sind sowieso die größten Huren auf diesem Planeten.“

Ach, es ist immer dieselbe Geschichte: Was folgt, ist stets noch mehr billiger Applaus, als irgendjemandem guttun kann. Als sei es die vorrangige Aufgabe der Politik, unser aller Zusammenleben zu vergiften.

Auf dem internationalen Parkett geht es seit geraumer Zeit sprachlich nicht minder unfein zu. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ließ kürzlich mit dem Wort von der „Drecksarbeit“ aufhorchen, die Israel im Iran für andere erledige; Irans oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei, dies gab wiederum Israels Verteidigungsminister Israel Katz zu Protokoll, sei ein „moderner Hitler“, der „nicht weiter existieren“ dürfe; das letzte Wort hatte, wie so oft, Donald Trump: Die USA wüssten genau, wo sich Chamenei aufhalte, erläuterte der US-Präsident in seinem Onlinedienst Truth Social: „Er ist ein leichtes Ziel, aber dort ist er sicher – wir werden ihn nicht ausschalten (töten!), zumindest nicht im Moment.“ Drei Vertreter großer Demokratien ersetzen das dringend nötige Gespräch durch verbales Faustrecht: Fadenkreuz statt Sprach-Schlagabtausch; die von der hohen Kanzel der Politik herab sanktionierte Ermutigung zur Brachialformulierung. Raunen und rempeln statt reden. 

Dagegen waren und sind Wiens Gangster wahre Gentlemen und Verbalerotiker, Hüter des sogenannten Rotwelsch, der legendären Kriminellenmundart in Österreichs Hauptstadt. „Gschlitzte“ (Taschendiebe), „Häfenbriader“ (Gefängnisinsassen), „Kieberer“ (Polizisten), „Suacherl“ (Untersuchungsrichter): Mit solchen Vokabeln lässt sich wahrhaft schönrednerisch streiten! 

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.