Morgenpost

Die resignierte Republik

Wenn Grundstückdeals von Lokalpolitikern oder fragwürdige Tätigkeiten von Regierungsberatern öffentlich werden, dann passiert in diesem Land – genau gar nichts. Befunde zu einer unreifen Demokratie.

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Es ist schon erstaunlich, womit man in diesem Land durchkommt. Da kauft sich ein Wiener Bezirksvorsteher in seinem Heimatbezirk ein schmuckes Grundstück an einem Badesee, das in einer Kleingartensiedlung liegt – ein Jahr später wird die ganze Siedlung zu Bauland umgewidmet und der Wert des Grundstücks steigt massiv.

Der Bezirkspolitiker heißt Ernst Nevrivy (SPÖ) und steht der Donaustadt vor. Er bestreitet, einen Einfluss auf das Widmungsverfahren genommen zu haben. Es würde allerdings schon reichen, wenn Nevrivy einen Informationsvorsprung hatte und sich diesen vergolden ließ. Ob das so war, gilt es zu klären. Wer sich volle Transparenz oder gar eine Entschuldigung Nevrivys erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es brauchte schon seine Parteifreundin Barbara Novak, die Wiener SPÖ-Landesgeschäftsführerin, die zumindest eine „schiefe Optik“ einräumte.

Optik schief, Fall erledigt, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts mehr zu sehen.

Rücktritt, nein danke!

So ähnlich lief es auch in Niederösterreich, nachdem bekannt geworden war, dass Grafenwörths ÖVP-Bürgermeister Alfred Riedl mit Grundstückdeals in seiner Gemeinde ordentlich Geld verdient hatte – anders als Nevrivy veräußerte Riedl gleich mehrere Flächen nach der Umwidmung durch den Gemeinderat, sein realisierter Gewinn ist in den Kaufverträgen des öffentlich einsehbaren Grundbuchs für jeden Bürger nachprüfbar. profil berichtete vor zwei Jahren mit der „Kronen Zeitung“ als erstes Medium über den Fall.

Entschuldigung? Einsicht? Fehlanzeige. Gnadenhalber stellte Riedl seine Funktion als Gemeindebundpräsident ruhend, Bürgermeister von Grafenwörth will er aber weiter bleiben. Wieder war es nicht der Betroffene selbst, der eine „schlechte Optik“ konstatierte, sondern seine Parteifreundin und ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Von vorschnellen Reaktionen wie einem – undenkbar in Österreich – Rücktritt wollte aber auch sie nichts wissen. Es gelte die „Prüfberichte“ abzuwarten, die die Rechtmäßigkeit der Deals klären sollen.

Vorbildwirkung verwirkt

Auch Riedl zog sich auf eine juristische Argumentationslinie zurück und beteuerte, alles sei legal abgelaufen. Eine beliebte Methode: Politikerinnen und Politiker verstecken sich hinter dem Strafrecht.

Dabei sollten für Amtsträger eigentlich höhere Hürden gelten: Selbst, wenn die Gemeindeaufsicht feststellen sollte, dass die millionenschweren Grundstückdeals rechtmäßig waren, könnte ein Lokalpolitiker mit einem gut kalibrierten moralischen Kompass begreifen, dass schon der Anschein des Insiderhandels und der Sonderbehandlung nicht geht.

Doch die Disziplinen Aussitzen, Durchtauchen und Wegducken werden hierzulande meisterhaft beherrscht.

Enthüllungen bleiben konsequenzenlos

Die Überraschung von profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer und Investigativreporter Stefan Melichar muss sich also in Grenzen gehalten haben, als ihre jüngsten Enthüllungen über den langen Arm der Vereinigten Arabischen Emirate, der bis nach Österreich reicht, keinerlei Reaktion der Regierung auslöste. In der aktuellen Coverstory befassen sich die beiden mit mehreren Mitgliedern des Beirats der Dokumentationsstelle politischer Islam: Einer der Wissenschafter, der im Beirat sitzt, arbeitet für ein Institut mit besten Kontakten in die Emirate. Dort wurden übrigens auch Geheim-Analysen über eine österreichische Journalistin und Politiker angelegt – und ihnen eine Nähe zu den in den Emiraten gefürchteten Muslimbrüdern angedichtet. Ein weiteres Beiratsmitglied arbeitete für einen Schweizer Privat-Geheimdienst und trug Gerüchte, Firmennamen, Ermittlungsunterlagen und eine seitenlange Liste mit Namen von Menschen zusammen, die angeblich der Muslimbruderschaft angehören sollen. Darunter auch etliche Personen, die in Österreich leben. Der Privat-Geheimdienst namens Alp handelte, das zeigen profil vorliegende Akten, im Auftrag der Emirate.

In einer entwickelten Demokratie wären derlei Enthüllungen dazu geneigt, bei den politischen Entscheidungsträgern einen Nachdenkprozess über die Besetzung des Beirates in Gang zu setzen.

Nicht so in Österreich.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.