Wolfgang Sobotka (ÖVP)
profil-Morgenpost

Ein Autogramm für mehr Anstand in der Politik

Sieben Volksbegehren können bis Ende der Woche unterschrieben werden – darunter das Anti-Korruptionsvolksbegehren. Was man sich von einer Unterschrift erwarten darf und was das mit dem Vorsitzenden des ÖVP-U-Ausschusses zu tun hat.

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100.000 Unterschriften braucht es – dann muss sich das Parlament mit einem konkreten Anliegen auseinandersetzen. Auch wenn das eine Hürde ist, die das bis Ende der Woche zur Unterzeichnung aufliegende Anti-Korruptionsvolksbegehren laut dessen Proponent:innen leicht erreichen dürfte, werben prominente Unterstützerinnen und Unterstützer - vom Altbundespräsidenten Heinz Fischer über Ex-EU-Kommissar Franz Fischler bis zur ehemaligen OGH-Präsidentin und NEOS-Abgeordneten Irmgard Griss - weiterhin öffentlich dafür, das Anliegen zu signieren. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Bekämpfung heimischer Korruption und schmutziger Geschäfte. Und davon gibt es selbst im „vermeintlichen Sauberland Vorarlberg“, wie meine Kolleg:innen Gernot Bauer, Edith Meinhart und Wolfgang Paterno hier schildern, genug.

Das Anti-Korruptionsvolksbegehren wurde angesichts des Ibiza-Untersuchungsausschusses und der daraus gewonnenen Erkenntnisse gestartet. Den Vorsitz hatte damals - wie auch im aktuellen ÖVP-U-Ausschuss - Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) inne, dessen Ausschussführung allen voran von der Opposition heftig kritisiert wird. Der Vorwurf: Sobotka agiere zu parteiisch, im Sinne seiner Partei, der ÖVP. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kann der Kritik an seinem Parteikollegen freilich wenig abgewinnen, wie er etwa Ende Februar in der ORF-Pressestunde betont: „Jeder, der Wolfgang Sobotka kennt, weiß, dass er redlich ist.“ Schließlich maßt sich der Kanzler auch eine rechtliche Einschätzung an, die die Macht des Nationalratspräsidenten im U-Ausschuss relativieren soll: „Der Ausschussvorsitzende kann nichts ohne den Verfahrensrichter machen.“

Auch wenn es sich hierbei um eine (juristische) Spitzfindigkeit handeln mag (aus meiner Haut als gelernte Juristin und Faktencheckerin kann ich doch nicht immer): Ganz so einfach, wie der Kanzler sagt, ist es nicht. Ein schneller Blick in die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse zeigt nämlich, dass die Rolle des U-Ausschuss-Vorsitzenden von sehr zentraler Bedeutung ist. Er legt etwa die Tagesordnung fest, handhabt die Geschäftsordnung und achtet auf die Wahrung des Grundrechtschutzes. Und: Er leitet die Verhandlungen sowie sorgt für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung während der Sitzung. Sobotkas Rolle ist also wichtiger, als von Nehammer dargestellt.

Der Verfahrensrichter auf der anderen Seite, den der Kanzler anspricht, hat lediglich eine Beratungsfunktion inne, wie aus den Erläuterungen zum Rechtsakt hervorgeht und auch Alexandra Schrefler-König und David Loretto bestätigen. Die beiden Expert:innen für die Verfahrensordnung parlamentarischer U-Ausschüsse im Büro der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) haben erst kürzlich einen Kommentar dazu verfasst. Ihr Fazit zu Nehammers Aussage gegenüber profil: „Dominus litis (Herr des Verfahrens, Anm.) ist (und bleibt) immer der Vorsitzende. Dass er ‚ohne den Verfahrensrichter nichts kann‘, trifft nicht zu.“

Katharina Zwins

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.