„Burgtheater“-Premiere: „Brutales Gelächter“
Natürlich wird Festwochen-Intendant Milo Rau in aller Berserkerhaftigkeit jenen Forderungen gerecht, die Elfriede Jelinek einst in einem Symposium zu ihrer Posse äußerte: „Hinter dem Lachen steckt Brutalität und Grausamkeit.“ Für seine Stückezertrümmerungs-Tour de force bedient er sich der Crème de la Crème des Burgtheaters: Allen voran Mavie Hörbiger, die sich mit trockener Komik und genialer Präzision auf die Spuren ihres Großvaters Paul Hörbiger begibt und bei dieser Gratwanderung die Widersprüchlichkeiten eines Publikumlieblings nach 1938 mit eigenen Texten auffächert: War er glühender Anschluss-Befürworter, mitlaufender Zelluloid-Liebling, der sich bereitwillig der NS-Unterhaltungsmaschinerie zur Verfügung gestellt hatte, Widerstands-Anständiger oder von allem ein bisschen was?
Caroline Peters gestaltet ihre Attila-Hörbiger-Paraphrase ebenso unfassbar unterhaltsam. In fescher Husarenuniform mimt sie den Schneidigen mit den Scheuklappen, der seiner Gattin, „der Paula“, immer ein wenig unterlegen war. Im echten Leben hatte Paula Wessely ihren Mann, der es mit der Disziplin für seinen Beruf nicht so ernst nahm wie sie, so Christiane Hörbiger in einem profil-Interview, einmal die Rüge an den Kopf geworfen: „Siehst du und deswegen wirst du immer nur Bergsteiger oder Lokomotivführer spielen.“ In den Outrage-Topf greift Birgit Minichmayr allzu üppig – ihre Käthe (alias Paula Wessely) ist ein teilweise akustisch unverständliches Theatermonster, das irgendwo zwischen Linda Blair und Löwinger Bühne angesiedelt ist.
Ihr Können zeigt sie in jenen Szenen, in denen sie sowohl den charismatischen Minimalismus als auch die elastische Gesinnungsakrobatik der Wessely eins zu eins nachstellt: Im „Haselnuß“-Monolog des perfiden Propagandastreifens „Heimkehr“, wo sie von deutschen Vöglein, Blümlein und der „warmen deutschen Erde“ fantasiert, und in jener Szene aus dem „Engel mit der Posaune“, gedreht nach dem Krieg, wo sie eine Frau spielt, die sich weigert, die NS-Flagge zu hissen, und deswegen von der Gestapo abgeführt werden soll. Am Premierenabend im „Burgtheater“ machte sich eine fieberhafte Ländermatch-Stimmung breit, die man sonst nur von den großen Peymann-Premieren in den 1980er Jahren in Erinnerung hat. Der Bundespräsident, der „in der Hitler-Loge“ sitzt, wurde auch ebenso begrüßt, bekam allerdings den Trost, dass der verhinderte Maler nur ein einziges Mal dort zu sitzen kam.
Das Stück, das Hitler dort konsumierte, war perfiderweise jener Nestroy mit dem Titel „Einen Jux will er sich machen.“ Logisch, dass Rau im Anarchie-Schick vibrierte, die Ebenen durcheinander wirbelte, zwischen der Gegenwart der „NSFPÖ“ und Lieder-Geschmetter á la „Wir schaffen die siebente Million“, grausamer Nostalgie, Backstage-Glamour und köstlichem Hey-du-hör-mir-mal-auf- mit- dem-rasstischen-Boomerscheiß-Tiraden, die Regisseur (grandios Itay Tiran) und sein Assi (Tilman Tuppy) absondern. Ein bisschen weniger Hysterie und Schockbemühungen hätten der Angelegenheit gut getan. Alles in allem ein Abend, ganz wie in Jelinek gefordert hat: Brutal, grausam und wahnsinnig unterhaltsam.
Überschattet wurde die Stimmung merklich vom Tod der Doyenne Elisabeth Orth, die am Tage vor der Premiere im 89. Lebensjahr gestorben ist. Elisabeth Orth hatte, wie sie einst in einem profil-Gespräch angemerkt hat, zwar das Stück nicht sonderlich goutiert, aber die Diskussion, die es entfacht hatte, in jedem Fall begrüßt. Mit ihrem Tod verliert das Land eine wichtige Stimme, der das Wort Feigheit fremd war.