Polizeibeamte werden bei Verfehlungen fast nie entlassen
Um bei der Polizei in Ungnade zu fallen, müssen sich Beamte einiges leisten. Wie ein Polizist, der an einem Sommertag im Jahr 2017 beschloss, in seiner Dienstzeit mit Uniform in ein Laufhaus zu fahren, dort fünf Bier zu trinken und mit einer Prostituierten aufs Zimmer zu verschwinden. Seine geladene Dienstwaffe ließ er unbewacht zurück – auf die durfte die mitgereiste Polizeipraktikantin aufpassen, die er zuvor mit sexistischen Sprüchen verstört hatte. Einen Anruf seiner Kollegen erwiderte der Beamte damit, dass er es im Laufhaus „nochmal angehen“ werde, obwohl er zu dieser Zeit als Verkehrspolizist während einer Veranstaltung eingeteilt war. Kollegen mussten einspringen. Dreieinhalb Stunden später holte ihn eine Streife vom Bordell ab und brachte ihn zu seinem Dienst in der Bezirksleitstelle. Der alkoholisierte Beamte gab unverständliche Funksprüche ab und schickte Streifenkollegen unnötig im Kreis.
Milde Strafe wurde gekippt
Das alles ist aktenkundig. Trotz der langen Liste an Verfehlungen urteilte die damals noch im Innenministerium angesiedelte Disziplinarkommission milde: Sie wollte den stellvertretenden Postenkommandanten mit einer Geldstrafe von 15.000 Euro davonkommen lassen.
Der Fall landete vor dem Verwaltungsgerichtshof, der schließlich die Entlassung des Beamten anordnete, „um andere Bedienstete, die die Dienstpflichtverletzungen hautnah miterlebten bzw. davon in der Zeitung lasen, von ähnlichen Dienstpflichtverletzungen abzuhalten“, wie es im Urteil heißt.
Mit 2020 wurden die Disziplinarhüter in den einzelnen Ministerien abgeschafft, seither entscheidet die Bundesdiziplinarbehörde (BDB) über Dienstverletzungen in allen Ressorts. Das sollte mehr Professionalität und Distanz bringen.
Sieben Entlassungen in drei Jahren
Beamte des Innenministeriums werden durch die BDB am häufigsten belangt – doch Entlassungen sind eine seltene Ausnahme. Das zeigt die Disziplinarstatistik des BMI für die Jahre 2022 bis 2024, die profil vorliegt.
Im Jahr 2024 wurden 145 Disziplinarvergehen von BMI-Beamten bei der Bundesdisziplinarbehörde (BDB) angezeigt, in 118 Fällen wurde ein Verfahren eingeleitet. Es kam zu keiner einzigen Entlassung, wobei einige Fälle noch nicht entschieden sind.
Anders im Jahr 2023: Damals wurden sechs Beamtinnen und Beamte entlassen. 2022 war es eine Person. Die meisten Verfahren enden also glimpflich. 2024 etwa wurden 37 Geldbußen, 26 Geldstrafen und 15 Verweise ausgesprochen.
Suspendierungen – also vorläufige Dienstfreistellungen mit Kürzung der Bezüge – sind häufiger: 2024 wurden 44 Beamte suspendiert, 2023 waren es 42, im Jahr 2022 sogar 61. Darunter eine Beamtin und ein Beamter, die Chats mit nationalsozialistischen Inhalten weitergeleitet haben (profil berichtete). Eine Suspendierung muss allerdings nicht zwingend zu einer späteren Strafe führen – sie kann auch folgenlos enden, wenn das Disziplinarverfahren eingestellt wird.
Ein fast todsicherer Job
Bei in Summe 30.000 Polizeibeamten erscheint eine dreistellige Zahl an jährlichen Disziplinarverfahren niedrig. Aber warum kommt es selbst bei der Feststellung von Verfehlungen nur äußerst selten zu Rauswürfen?
Der Grund: Polizeibeamtinnen und -beamte sind pragmatisiert und können daher nicht einfach so gekündigt werden. Nur bei einem schweren Vergehen, das den Interessen der Behörde grob zuwiderläuft oder ihr Ansehen beschädigen kann, ist eine Entlassung denkbar.
Die Pragmatisierung ist nicht bloß ein verstaubtes Privileg, das die Zeit überdauert hat, sie soll die Unabhängigkeit der Beamtenschaft sichern. Andernfalls könnte ein Minister theoretisch unliebsame, politisch andersdenkende Beamte entfernen. Mittlerweile gibt es im öffentlichen Dienst bereits mehr Vertragsbedienstete als Beamte. Das Verhältnis: etwa 72.000 Bedienstete stehen 63.000 Beamten gegenüber. Ausnahmen: In der Justiz, der Polizei und beim Bundesheer gilt weiterhin das Prinzip der Pragmatisierung.
Aus welchen konkreten Gründen in den vergangenen drei Jahren sieben Beamte entlassen wurden, wollte das BMI aufgrund des „Verwaltungsaufwandes“ nicht für profil auswerten. Frühere Fälle zeigen aber, dass Entlassungen nur bei dramatischen Fehlern ausgesprochen werden: Etwa bei einem Beamten, der sich der Staatsleugner-Bewegung anschloss – oder einem, der in seiner Dienstzeit einen Ladendiebstahl beging.