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Kurzarbeit-Milliarden: Wie Redaktionen Informationen einklagen können

Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Liste der Kurzarbeitshilfen öffentlich. Die Zahlen werfen Fragen auf.

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Knapp zehn Milliarden Euro: So hoch ist die Summe, die bis Ende 2022 in Form von Kurzarbeitshilfen an österreichische Unternehmen ausgeschüttet wurde. An wen dieses Geld in welcher Höhe floss, war bis Mitte der Woche nicht öffentlich bekannt. Ein Umstand, der immer wieder kritisiert wurde, unter anderem vom Rechnungshof, der dem AMS und den zuständigen Ministerien 2022 in einem Bericht mehr Transparenz nahelegte. ORF-Journalist Martin Thür hat während der vergangenen vier Jahre versucht, auf Basis des Auskunftspflichtgesetzes die Liste der Kurzarbeitshilfen-Empfänger zu recherchieren – und war nun vor Gericht erfolgreich. Aber von vorne. 

„2. Juni 2020, die ZIB2 läuft gerade, da schicke ich die erste Anfrage los, auf deren erste Beantwortung ich 1.385 Tage warten werde“, schreibt Thür über den Recherche-Prozess in seinem Blog. Der ORF-Journalist will vom Arbeits- und vom Finanzministerium wissen, welchen Unternehmen im Zug der Kurzarbeitshilfen während der Covid19-Pandemie wie viel Geld ausbezahlt wurde. Doch die Ministerien verweigern die Auskunft. Zurecht, wie der Verwaltungsgerichtshof später entscheidet, denn Thür hätte die Daten beim Arbeitsmarktservice (AMS) anfragen müssen. 

Thür stellt also erneut eine Anfrage, diesmal an das AMS, und bekommt die Zahlen wieder nicht. Auch das AMS beantwortet dieses Auskunftsbegehren nicht, da der Auskunft gesetzliche Verschwiegenheitspflichten entgegenstünden. Thür legt Beschwerde gegen diesen Bescheid ein – und hat nun vom Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen. Im Erkenntnis werden das Recht auf Geheimhaltung personen- und unternehmensbezogener Daten und das Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit abgewogen. Und schlussendlich kommt das BVwG zum Schluss: „Das Interesse des Beschwerdeführers als Journalist an der Transparenz der Mittelvergabe [...] ist nicht nur gleichwertig wie das Interesse der betroffenen Unternehmen an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen bzw. unternehmensbezogenen Daten [...], sondern überwiegt im Kontext der außergewöhnlichen pandemiebedingten Situation und der Höhe der damit gebundenen öffentlichen Summen.“

Der ORF hat diese Summen bereits ausgewertet: Am meisten Geld floss demnach an die AUA, die insgesamt mit 261,5 Millionen Euro unterstützt wurde. Weit dahinter liegt die Flughafen Wien Aktiengesellschaft, gefolgt von der XXXLutz KG und der Casinos Austria Aktiengesellschaft. 

Für Verwunderung sorgt seit der Veröffentlichung der Zahlen der Umstand, dass die Förderungen auch in Branchen flossen, die weder mit mangelnder Nachfrage noch mit wirtschaftlichen Einbußen während Corona zu kämpfen hatten. Etwa in den Lebensmittelhandel oder Richtung Telekommunikationsunternehmen. Und das, obwohl „vorübergehende, nicht saisonbedingte, wirtschaftliche Schwierigkeiten“ eigentlich eine Voraussetzung für die Subvention waren. 

In Österreich kann übrigens jede Bürgerin und jeder Bürger ein Auskunftspflichtbegehren stellen. Die öffentlichen Stellen müssen dann in einer Frist von acht Wochen antworten und die Informationen bereitstellen – oder in einem Bescheid innerhalb von sechs Monaten begründen, warum sie dies eben nicht tun. Gegen diesen Bescheid können die Antragssteller:innen dann beim zuständigen Verwaltungsgericht Beschwerde einlegen. 

Das heißt: Das Recht auf Informationen kann eingeklagt werden.

Dieses Instrument ist zu einem wichtigen Tool journalistischer Arbeit geworden, auch profil hat bereits mehrere Geschichten mittels Auskunftsbegehren recherchiert: Meine Kollegen Stefan Melichar und Jakob Winter wollten beispielsweise im vergangenen Sommer vom Land Niederösterreich wissen, welche Studien die ehemalige Meinungsforscherin und ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin für das Land durchgeführt hatte. Das Land gab die Informationen im Wege einer Anfrage nach dem niederösterreichischen Auskunftsgesetz frei. Die Ergebnisse dieser Recherche lesen Sie hier

Melichar und Winter haben auch aktuell ein Verfahren auf Basis des Auskunftspflichtgesetzes am Laufen. Die beiden hatten im Herbst  Fragen zur Miethöhe für mehrere SPÖ-Lokale in Wiener Gemeindebauten an die Stadt Wien, bei denen seit Jahrzehnten keine Mieterhöhung durchgeführt wurde – konkret fragten sie nach den Mietverträgen zwischen der Stadt Wien und der Partei. Die Stadt verweigerte die Auskunft, der Grund: Datenschutz. profil hat dagegen im November Beschwerde eingebracht, die nun beim Wiener Verwaltungsgericht liegt. Die ganze Geschichte lesen Sie hier

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.