Ein Baby spielt mit dem Handy

Mamas kleiner Internetstar

Seine eigenen Kinder vor die Kamera zu stellen und als Influencer auf Social Media zu verkaufen, ist für einige Eltern zum rentablen Geschäft geworden. Rechtlich abgesichert sind „Kidfluencer“ allerdings nicht. Stimmen nach gesetzlichen Änderungen werden immer lauter.

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Man kann ihr Leben von Anfang an mitverfolgen: den YouTube-Vlog der Geburt, das Instagram-Posting vom ersten Töpfchengang, den TikTok-Tanz mit der Schultüte nach dem ersten Schultag. Scrollt man durch die Profile sogenannter Kidfluencer – also minderjähriger Influencer –, kommt es einem fast vor, als würde man in der privaten WhatsApp-Familiengruppe mitlesen.

Familienblogger und Kidfluencer teilen nahezu jedes Ereignis aus ihrem Leben auf sozialen Netzwerken – bis ins unangenehmste Detail. Meistens stehen hinter den Accounts der Kids allerdings nicht sie selbst, sondern ihre Eltern, die bestimmen, was aus dem Leben ihrer Sprösslinge gepostet wird. Minderjährige Influencer kommen gut an, immer mehr österreichische Accounts zählen über Hunderttausend Follower. Das Teilen privater Inhalte ihrer Kinder ist ein rentables Geschäft, von dem man gut leben kann.

Nun stellt sich die Frage, wer diejenigen sind, die gut davon leben können. Sind es die Kinder, die vor die Handykamera gestellt werden – oder doch ihre Eltern?

Und: Dürfen sie ihre Kinder überhaupt regelmäßig filmen und ihr Leben ins Internet stellen? Hier verschwimmen die Grenzen. In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es, dass kein Kind willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, das seiner Familie, seiner Wohnung oder seines Schriftverkehrs sowie rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt sein darf. Außerdem müssen Kinder vor Ausbeutung geschützt werden.

Kinderarbeit ist in Österreich für unter 14-Jährige verboten – Ausnahmen gibt es in Einzelfällen, beispielsweise für Schauspiel- oder Modeljobs. In diesen Fällen müssen jedoch strenge Auflagen befolgt werden. Der Anwalt Sebastian Öhner von den Kinder- und Jugendstaatsanwaltschaften fordert, dass man Kidfluencer in diese Ausnahmeregelung miteinbeziehe. So würde man dafür sorgen, dass minderjährige Internetstars zumindest rechtlich geschützt sind.

Außerdem brauche es, so Öhner, mehr Aufklärung: „Wir empfehlen sichere Kinderschutzkonzepte. Kinder sollten frühzeitig über die Risiken aufgeklärt werden, die mit der Selbstdarstellung in sozialen Medien verbunden sind.“

Härter gegen die Ausbeutung junger Influencer eingreifen möchte auch die schwarz-rot-pinke Regierung. Laut einer Stellungnahme, die am Montag im Ö1-Morgenjournal erschienen ist, sieht man in der Regierung jedenfalls Handlungsbedarf. Im Regierungsprogramm findet sich sogar ein Punkt, der auch von den Kinder- und Jugendanwaltschaften gefordert wird: Man möchte die Novelle des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes prüfen und konkrete Vorgaben zur Sicherung der Einkünfte im Netz vorgeben. Passiert ist das bisher noch nicht.

Geht es nach Vizekanzler Andreas Babler, dann soll Social Media für Jugendliche unter 15 Jahren generell verboten werden. In der Europäischen Kommission arbeitet man zumindest an der technischen Umsetzung einer strengen Altersverifizierung – dann wird es jedenfalls schwerer, sich als Teenager auf digitalen Plattformen einzuloggen.

Auch in Frankreich möchte man ein Social-Media-Verbot für unter 15-Jährige. In puncto Jugendschutz im Netz ist Frankreich europaweit allgemein ein Vorreiter. Dort existieren seit 2020 gesetzliche Regulierungen für Kidfluencer. Diese könnten sich auch hierzulande etablieren. Einnahmen von Kidfluencing fließen in Frankreich zum Beispiel nicht nur auf die Konten der Eltern, sondern auch in Treuhandfonds der Kinder. Auf diese können die Kinderstars erst zugreifen, wenn sie 16 Jahre alt werden.

Mit den passenden Regelungen möchte man den Kamera-Kindern zumindest einen Teil ihrer Selbstbestimmung zurückgeben.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.