Morgenpost

Nahost-Konflikt: 36 tote Reporter und Fotografen in vier Wochen

Pressefreiheit: Kein Krieg ist für Journalisten so lebensgefährlich wie jener Israels gegen die Hamas.

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Am Sonntag wurde der philippinische Radioreporter Juan Jumalon ermordet. Ein Unbekannter, der sich als Hörer ausgab, erschoss ihn während einer Live-Sendung in Calamba, einer Stadt südlich von Manila, und flüchtete auf einem Motorrad. Für das Opfer kam jede Hilfe zu spät. Der Täter wird voraussichtlich nie zur Verantwortung gezogen. Einer von vielen.

Die Organisation CPJ (Commitee to Protect Journalists) dokumentiert seit mehr als 30 Jahren Angriffe auf Medien und erstellt darüber hinaus einen Index, der trauriger kaum sein könnte. Die Liste, die laufend aktualisiert werden muss, führt ein Dutzend Länder an, in denen die Mörder von Journalisten frei herumlaufen. Der Nahost-Konflikt schlägt in dieser Chronik nun ein neues, skandalöses Kapitel auf, was die Zahl der getöteten Medienvertreter betrifft.

Mit Stand gestern kamen seit dem Massaker vom 7. Oktober und in den anschließenden Bombardierungen mindestens 36 Journalisten ums Leben. Zur Einordung: 68 waren es im Vorjahr weltweit. Nicht mitgezählt sind Verhaftungen, Einschüchterungen und Schikanen, die alle den Zweck haben, Reporter und Fotografen von ihrer Arbeit abzuhalten. Über den Nahostkonflikt zu berichten ist der lebensgefährlichste Job seit Beginn der Aufzeichnungen von CJP. Noch nie kamen innerhalb so kurzer Zeit an einem Schauplatz so viele Menschen, auf deren schusssicheren Westen groß „PRESS“ steht, zu Tode.

Viele Bilder und Berichte über Zerstörungen, Gräueltaten, Tote und Verletzte, die auf sozialen Plattformen kursieren und über Messenger-Kanäle verbreitet werden, sind Teil einer kriegerischen Propaganda. Die Gefahr, auf falsche Nachrichten und Verhetzung hereinzufallen, ist allgegenwärtig. Jeder ermordete Journalist, jede getötete Reporterin ist ein gezielter Anschlag auf die Pressefreiheit, und ebnet den Weg für noch mehr Verhetzung, noch mehr Propaganda, noch mehr Fake News. Medien, die ihren Auftrag ernst nehmen, sich um ein möglichst wahrhaftiges Bild von der Wirklichkeit zu bemühen, sind auf Kriegsberichterstatter angewiesen. In diesem Sinne verneige ich mich vor all den Kolleginnen und Kollegen, die ihr Leben riskieren, damit wir alle uns eine möglichst fundierte Meinung bilden können.

Das aktuelle profil zeichnet in der Titelgeschichte nach, wie der Krieg Israels gegen die Hamas die Welt spaltet und welche Folgen diese Polarisierung für die globale Ordnung zeitigt. Besonders empfehlen möchte ich Ihnen einen Text der ehemaligen, österreichischen ÖVP-Außenministerin und Diplomatin Ursula Plassnik, die mit profil über die brennendsten offenen Fragen zum Nahost-Konflikt gesprochen hat. Ihr Credo lautet: „Man darf den Polarisierern nicht auf den Leim gehen.“ Dass die Polarisiererer gleichzeitig die größten Feinde der Pressefreiheit sind, sollte auf der Hand liegen.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges