Nationalbank-omaten: 5,5 Millionen Euro für mehr Bargeld am Land
Es war ein wahrhaft feierlicher Moment: Anfang Juli eröffnete Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), höchstpersönlich den ersten OeNB-eigenen Geldausgabeautomaten, welcher der besseren Bargeldversorgung im ländlichen Raum dienen soll. Da, wo es sich für Geschäftsbanken offenbar nicht auszahlt, entsprechende Infrastruktur aufzustellen.
Standort für den ersten derartigen OeNB-Bankomaten: die Gemeinde Obritzberg-Rust im Bezirk St. Pölten. Ansprachen wurden gehalten. Ein blaue Schleife, die symbolisch um das Geldausgabegerät geschlungen war, wurde durchgeschnitten. Ein Fünf-Euro-Schein auf zwei Beinen verteilte aus einem Körbchen Goodies an die Bevölkerung – etwa Kork-Untersetzer mit dem Aufdruck: „Ich steh‘ auf Bargeld“. Letzteres gilt freilich nicht nur für die Nationalbank. Wer definitiv auf Bargeld steht, ist die Politik: Gemeinsam mit Holzmann posierten auch die Bürgermeisterin von Obritzberg-Rust und Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl stolz für die Kameras.
Mittlerweile drei OeNB-Bankomaten eröffnet
Pressl ist ein wesentlicher Faktor in Zusammenhang mit den Nationalbank-omaten. Gerade kleine Gemeinden dünnen strukturell immer weiter aus. Mitunter gibt es kein Wirtshaus mehr, keine Post, keine Bankfiliale – das sorgt für Unmut am Land. Dass man zumindest zum reinen Geldabheben nicht mehr in den Nachbarort fahren muss, hilft jenen, die nicht mobil sind, tatsächlich. Insgesamt zählt aber wohl auch stark die Symbolik – insbesondere, wo es doch um das besonders emotionale Thema Bargeld geht.
Schon im Vorjahr hat der Gemeindebund mit den Geschäftsbanken vereinbart, dass diese – vorerst bis Ende 2029 – ihre Bankomaten grundsätzlich da belassen, wo sie sind. In einem zweiten Schritt verständigte man sich mit der OeNB dann darauf, dass diese in 60 bis 120 Gemeinden, die keinen Bankomaten haben, eigene Geldausgabeautomaten aufstellt. Obritzberg-Rust machte den Anfang. Mittlerweile wurden zwei weitere OeNB-Bankomaten eröffnet: einer in Wolfsthal und und einer in Gaubitsch – beides Gemeinden in Niederösterreich. Als nächstes ist dann Edt bei Lambach in Öberösterreich an der Reihe.
5,5 Millionen Euro für fünf Jahre
Es geht also Schlag auf Schlag. Aber was kostet es die OeNB, ihr von der Politik willkommen geheißenes Parallel-Bankomatsystem im ländlichen Raum aufzuziehen? Eines vorneweg: Die astronomische Zahl von 55,4 Millionen Euro, auf die profil in der Ausschreibungsdatenbank des vom Bundeskanzleramt betriebenen „Unternehmensservice Portals“ (USP) gestoßen ist, stimmt laut OeNB nicht. Da ist wohl beim Einmelden ein nicht unwesentlicher Tippfehler passiert und das Komma um eine Stelle verrutscht. Tatsächlich beläuft sich laut Nationalbank der Rahmenvertrag, den die OeNB mit dem Bankomat-Betreiber „PSA Payment Services Austria GmbH“ geschlossen hat, auf 5,5 Millionen Euro für fünf Jahre.
Das ist freilich immer noch eine stolze Summe. Heruntergerechnet auf 120 Bankomaten sind das im Schnitt rund 46.000 Euro pro Gerät. Auch nicht nichts. Mittlerweile sind aus dem Rahmenvertrag auch schon namhafte Abrufe erfolgt – und zwar über insgesamt rund 460.000 Euro. Somit sind in den ersten beiden Monaten immerhin bereits 8 Prozent des Gesamtrahmens ausgeschöpft. Der Zehnerpotenz-Fehler in der Gesamtsumme sollte nach der Anfrage von profil übrigens rasch korrigiert werden. Vertipper können freilich jedem passieren – wer wüsste das besser als der Autor dieser Morgenpost?
Befriedigung politischer Befindlichkeiten?
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob mit der millionenschweren Mehr-Bargeld-fürs-Land-Aktion ein reales, veritables Problem behoben wird – oder ob hier zumindest teilweise die symbolische Befriedigung politischer Befindlichkeiten betrieben wird. Zum Glück gibt es seit Jahren detaillierte Erhebungen der Nationalbank zur Thematik Bankomat-Zugang. Diese zeigen: Tatsächlich ist die Anzahl der Bankomaten in Österreich von 2021 bis 2024 um mehr als 500 Stück gesunken. Allerdings ergibt sich aus den Zahlen auch: 2021 war mit fast 9.200 Stück der absolute Höhepunkt der Bankomat-Konjunktur erreicht. Nach dem darauf folgenden Rückgang liegt die Zahl in etwa wieder da, wo sie bis 2017 war. Und früher waren es überhaupt noch viel weniger: 2005 gab es in Österreich rund 7.400 Bankomaten, 2024 waren es immerhin 8.600.
Laut OeNB-Erhebungen haben rund zwei Drittel der Bevölkerung weniger als einen Kilometer zum nächstgelegenen Bankomaten. Bei rund 83 Prozent sind es weniger als zwei Kilometer, bei 97 Prozent weniger als fünf Kilometer. Diese Zahlen haben sich von 2021 auf 2024 kaum verändert. 2021 ließ die OeNB eine repräsentative Umfrage in der Bevölkerung durchführen. Bei dieser gaben mehr als 80 Prozent der Befragten an, dass es für sie nicht oder eher nicht mühsam sei, Bargeld zu beheben. Die OeNB selbst konstatierte damals eine „unvermindert gute Versorgungslage der österreichischen Bevölkerung mit Bargeld“. Ein echter Notstand, der unbedingt zu beheben ist, wirkt anders.
Lücke wird mehr als geschlossen
Was sich tatsächlich zwischen 2021 und 2024 zumindest leicht verschlechtert hat: Damals gab es 315 Gemeinden ohne eigenen Geldautomaten, 2024 waren es 343. Das sind doch einige mehr – aber auch wieder nicht so viele, wie man aufgrund der Debatte vermuten könnte. Wenn die OeNB nun 60 bis 120 Gemeinden mit einem Bankomaten beglückt, schließt sie nicht nur die tatsächlich entstandene Lücke. Im Endeffekt werden wahrscheinlich mehr Gemeinden einen Geldausgabeautomaten haben als zum Höhepunkt der heimischen Bankomat-Entwicklung im Jahr 2021. Es wird also nicht nur eine Verschlechterung verhindert, sondern eine Verbesserung erzielt. Eine solche Verbesserung sei der Bevölkerung, die davon profitiert, durchaus gegönnt. Dass die Situation bisher so unzumutbar gewesen wäre, wie manchmal der Anschein erweckt wird, ist daraus aber nicht abzuleiten. Es hatten ja trotzdem schon bisher die allermeisten Einwohnerinnen und Einwohner nur wenige Kilometer bis zur nächsten Bargeld-Stelle. Und solange es nicht Heim-Bankomaten gibt, werden gewisse Wegstrecken grundsätzlich wohl nicht ganz vermeidbar sein.
Das Gefühl, dass es bei der millionenschweren Bankomat-Aktion der Nationalbank nicht zuletzt auch um Symbolpolitik gehen könnte, ergibt sich auch aus der grundsätzlichen Bargeld-Debatte der vergangenen Jahre. Dazu lässt sich festhalten: Es gibt gute Argumente gegen eine bargeldlose Gesellschaft. Dass eine solche heraufdämmern würde, lässt sich aus dem Umstand, dass nicht jede Kleingemeinde einen Bankomaten im Ort hat, aber nicht ableiten. Das hieße ja, dass die Bewohner nicht über die Ortsgrenze hinauskommen. Nach wie vor gehört Österreich insgesamt zu den Ländern mit der größten Bankomatdichte. Kurioserweise hielt sogar Gemeindebund-Präsident Pressl anlässlich der ersten OeNB-Bankomat-Eröffnung fest: „Die Dichte an Geldausgabegeräten liegt in Österreich im europäischen Spitzenfeld, die Versorgung in Österreich ist wirklich exzellent.“
Probleme klar benennen
Warum muss also die unabhängige OeNB viel Geld für etwas in die Hand nehmen, das einerseits normalerweise in den Bereich der Geschäftsbanken fällt und andererseits verdächtig stark nach Politik riecht? Pressl meinte bei der Eröffnung, es gehe darum, dass dort „wo noch Lücken bestehen“, diese nun geschlossen werden können. Gouverneur Holzmann hielt fest: „Als OeNB ist es uns ein zentrales Anliegen, auch im ländlichen Raum weiterhin den öffentlichen Zugang zu Bargeld vor Ort zu ermöglichen.“ Wie oben anhand der Zahlen beschrieben, ermöglicht die OeNB jedoch nicht nur weiterhin den bestehenden Zugang, sondern baut diesen in gewisser Weise sogar aus. Wer bezahlt eigentlich dafür? Alleineigentümerin der Notenbank ist die Republik. Die Geschäftsergebnisse der OeNB schlagen sich daher darauf durch, was die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als jährliche Dividende erhalten. Wegen hoher Verluste, die sich aus geldpolitischen Maßnahmen ergeben, schaut der Staat da aktuell durch die Finger. Für ein eigenes Bankomatnetz ist aber offenbar genug da.
Nun spricht überhaupt nichts dagegen, dass die OeNB Bankomaten aufstellt, wenn damit ein reales Problem in der Geldversorgung gelöst wird – obwohl sich die Frage stellt, warum sich nicht Geschäftsbanken darum kümmern, die sonst auch ganz gerne ihre gesellschaftliche Bedeutung hervorstreichen. Im konkreten Fall entsteht jedoch auch der Eindruck, dass – auf eher symbolische Weise – diffuse, breitgefächerte Abstiegsängste im ländlichen Raum bekämpft werden. Das mag ein politisch richtiges Anliegen sein. Dann sollte es die Politik jedoch auch klar benennen – und nicht auf Umwegen kaschieren.