Morgenpost

Nicht die erste (Neu-)Wahl

Will die ÖVP wirklich früher wählen? Heiteres Rätselraten über den Termin der Nationalratswahl und bald Neues von der Bierpartei.

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Auch falls sie keine Wellness-Fans sein sollten, dürfte das „Steigenberger und Spa“-Hotel in Krems manchen Regierungsmitgliedern der ÖVP bekannt vorgekommen sein. An diesem Austragungsort für parteiübergreifende Harmonie fand die erste Regierungsklausur von ÖVP und Grünen statt, Ende Jänner 2020, als das Coronavirus noch eine Randnotiz und Sebastian Kurz unumstrittener Bundeskanzler war. Gestern, Dienstag, kam das Regierungsteam dort wieder zusammen – allerdings nur der ÖVP-Teil. Bundeskanzler Karl Nehammer wollte, so hieß es offiziell, „die Inhalte des Österreich-Plans“ (also seiner Rede am 26. Jänner) und die „Regierungsarbeit bis zum Herbst“ besprechen. Ohne Grüne.

Der Hinweis auf den Herbst musste sein, denn zuvor war heftigst spekuliert worden, ob die Volkspartei nicht doch eine vorgezogene Nationalratswahl plant. Es sprechen mehr Gründe dagegen als dafür, aber nach einem Treffen mit den Landeshauptleuten am Sonntagabend wirkte das Szenario doch nicht mehr so unrealistisch. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner bestätigte die Gespräche Dienstagfrüh im ORF auch indirekt. „Natürlich werden alle möglichen Szenarien durchdiskutiert, da ist auch nichts entschieden“, meinte er auf Nachfrage. „Eine Diskussion darüber zu führen ist schon sinnvoll. Das sollen die Parteien auf Bundesebene tun und sich rechtzeitig entscheiden.“ Öffentlich diskutieren wollte die ÖVP dann aber offensichtlich nicht. Ein paar Stunden später meinte Wallner nur noch: „Ich habe nicht vor, mich an Spekulationen weiter zu beteiligen.“

Vieles spricht dafür, die Nationalratswahl planmäßig Ende September stattfinden zu lassen. Allein schon das Image: Schwarz-Grün wäre die zweite Koalition, die seit der Verlängerung der Legislaturperiode 2007 tatsächlich fünf Jahre durchgehalten hätte. Und, noch viel wichtiger, das Geld: Den Parteien stehen in ihrer jetzigen Stärke bestimmte Fördergelder zu – und die könnten sie in dem Ausmaß verlieren, wenn sie bei einer vorzeitigen Wahl weniger gut abschneiden. Auch die Konkurrenz bringt sich jedenfalls schon in Stellung: Für morgen, Donnerstag, hat die Bierpartei von Dominik Wlazny ein Statement zu einer potenziellen Kandidatur bei der Nationalratswahl geplant.

Und was spricht gegen den September als Wahltermin? Ein anderes Datum: der 9. Juni. An diesem Tag findet in Österreich die EU-Wahl statt. Und fast könnte man den Eindruck gewinnen, der Termin ist ein Störfaktor vor der Nationalratswahl. Für die ÖVP zum Beispiel: 2019 hatte sie noch zwei kräftige Wahlhelfer für Brüssel, Sebastian Kurz und das Ibiza-Video. Dazu kam die Kandidatur von Othmar Karas und Karoline Edtstadler, die – je nach Standort – eine Good-Cop-Bad-Cop-Doppelspitze bilden sollten. Mit einem Ergebnis von knapp 35 Prozent kann die Volkspartei dieses Mal wohl nur verlieren. Die eine offene Frage (wie viel?) wird erst am Wahltag geklärt werden. Die andere (mit wem an der Spitze?) steht seit dieser Woche fest: Reinhold Lopatka. Die erste Wahl war er nicht: Zuvor sagten mehrere Gefragte ab. Die Sorge von vielen in der Volkspartei ist, dass das prognostizierte kräftige Minus die Zielgruppe demotivieren könnte.

Lopatkas Mitbewerber (Gendern nicht nötig) stehen schon fest, nur eine Mitbewerberin fehlt noch: Die Grünen, das plauderte ausgerechnet Lopatka bei einem Pressetermin aus, würden eine Spitzenkandidatin präsentieren. Wer das sein könnte, berichtete profil schon im Oktober: die Klimaaktivistin Lena Schilling.

Übrigens, von einem Szenario rät der wohl profundeste Kenner des Wahlrechts ab: dem Superwahlsonntag mit zwei Urnengängen an einem Tag. Der langjährige Leiter der Wahlabteilung im Innenressort, Robert Stein, findet 20 Gründe dagegen. Das sollte reichen.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.