Wie steht Österreich zum EU-Abkommen mit Israel?
Der Gipfelplan ist dicht getaktet diese Woche. Die meisten EU-Regierungschefinnen und- chefs saßen am Mittwoch schon in Den Haag beim NATO-Gipfel zusammen. Am Donnerstag ging es dann in Brüssel weiter, um Migration, Zollkonflikte, Klimaschutz und eben auch um das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel, das die wirtschaftlichen Beziehungen regelt.
In die Gipfelerklärung der sollen auch ein paar Sätze zur Lage in Gaza hineinkommen, heißt es in Brüssel. Das tatsächliche Abschlussdokument wird vermutlich erst Donnerstagnacht abgesegnet. Viel diskutiert wurde bis zuletzt allerdings ein ganz spezieller Satz – und zwar, wie die Regierungsspitzen auf den EU-Prüfbericht zur Einhaltung des Artikels 2 des EU-Israel-Assoziationsabkommens reagieren. Das Abkommen regelt die Handelsbeziehungen zwischen Israel und der EU.
Um welchen Bericht geht es da?
Bereits am Montag debattierten EU-Außenministerinnen und -minister einen Prüfbericht des Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD). Darin hieß es, es gibt „Hinweise darauf, dass Israel gegen seine Menschenrechtsverpflichtungen gemäß Artikel 2 des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel verstoßen würde.“ Artikel 2 legt fest, dass Respekt für Menschenrechte und demokratische Prinzipien essenzielle Elemente des Abkommens seien.
Außenpolitisch ging es an diesem Tag rund, dennoch sprachen die Außenministerinnen und -minister lange über das Assoziierungsabkommen. Ein vollständiger Bruch des Pakts bräuchte die einstimmige Unterstützung aller 27 EU-Mitgliedsländer. Eine Möglichkeit wären Übergangsmaßnahmen, wie etwa eine Einschränkung der Handelsbeziehungen, die von einer qualifizierten Mehrheit der Länder verabschiedet werden könnten. Doch Einigkeit gibt es dazu unter den EU-Staaten nicht.
Warum ist das nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich relevant?
Israel steht an 31. Stelle der wichtigsten Handelspartner der EU, umgekehrt ist die EU Israels größter Handelspartner. Mehr als ein Drittel der Importe Israels stammen aus der EU, während etwas weniger als ein Drittel der Exporte des Landes in die EU gehen, zeigen die Zahlen der Europäischen Kommission. Eine Aufkündigung träfe Israel deutlich empfindlicher als die EU.
Spanien, die Niederlande und einige weitere EU-Staaten fordern, dass der Bericht über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in Gaza Konsequenzen haben müsse. Deutschland, Österreich, Tschechien, Italien und Ungarn sprechen sich allerdings dagegen aus. Eine Entscheidung wurde am Montag gesichtswahrend aufgeschoben. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas übergab Israel den Bericht und verschaffte sich so auch ein bisschen Zeit, die Mehrheitsverhältnisse bis zum nächsten Treffen Mitte Juli zu verändern.
Die Dreierkoalition ist nicht einer Meinung
Doch auch in Österreich gehen die offiziellen politischen Communiqués etwas auseinander. Aus dem Büro der ÖVP-Europaministerin Claudia Plakolm heißt es: „Wir sind klar gegen eine Suspendierung des EU-Israel Assoziierungsabkommens.“ Eine Formulierung in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rat, die zu einer Aufhebung des Abkommens führt, sehe sie sehr kritisch.
Eine Spur kritischer klingt NEOS-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger: „Aus österreichischer Sicht würde eine Suspendierung des Assoziierungsabkommens der Zivilbevölkerung in Gaza jedoch nicht helfen, sondern den Dialog mit Israel in dieser Frage deutlich erschweren.“ Aber sie betont, dass „Israel natürlich das humanitäre Völkerrecht zu achten hat und Zivilpersonen schützen muss. Sie forderte zudem einen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und einen uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe.“
Von der außenpolitischen Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, heißt es hingegen: „Es steht außer Frage, dass es von Israel im Krieg gegen die Hamas Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gibt und damit der Artikel 2 des Assoziierungsabkommens berührt ist. Das sollte aus unserer Sicht nicht ohne Konsequenzen bleiben. (…) Es ist zu hoffen, dass die Androhung, das Assoziierungsabkommen bei der nächsten Sitzung im Juli auszusetzen, den nötigen diplomatischen Druck erhöht, dass die unerträgliche humanitäre Krise im Gazastreifen beendet werden kann.“
In Brüssel wurde bis spät in der Nacht darüber diskutiert, in Wien wird es wohl auch noch die eine oder andere Diskussion über den Umgang mit Israel geben.
Keine Sommerpause
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