René Benko ist angeklagt – so geht es weiter
Der Fall René Benko gehört zu den komplexesten der Zweiten Republik. Vom Schulabbrecher zum erfolgreichen Unternehmer stieg er steil auf – und fiel ebenso dramatisch tief. Sein Unternehmen ging pleite, Ermittlungen wurden eingeleitet, Benko wurde verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklageschrift liegt profil exklusiv vor – wir berichteten als Erste darüber, dass Anklage erhoben wird. Soll noch einer sagen, Magazinjournalismus sei langsam!
14 Seiten ist die erste Benko-Anklage lang. Die Gründe dafür sind im Spektrum der Vorwürfe „kleine“ Aspekte – aber eben gut belegbar. Einmal geht es um eine Mietvorauszahlung von 360.000 Euro für ein Haus, das zu diesem Zeitpunkt wegen einer Hangrutschung unbewohnbar war. Außerdem soll das Geld – laut Verdachtslage – nur einen Tag davor aus einer Stiftung gekommen sein, die Benko zugerechnet wird. Nur kurze Zeit später soll ein Großteil der Summe wieder zurückgeflossen sein. Geldkarussell also, vermuten die Ermittler. Benko bestreitet alle Vorwürfe. Es gilt, wie immer, die Unschuldsvermutung.
Zweiter Vorwurf: Er soll seiner Mutter 300.000 Euro unter dem Titel „Rückzahlung Darlehn“ überwiesen haben. Die Ermittler glauben, das sei aber gar keine Rückzahlung eines Darlehens, sondern einer Schenkung. Und das zu dem Zweck, Geld noch schnell vor seiner Insolvenz als Privatunternehmer in Sicherheit zu bringen. Zufall oder nicht: Die Zahlung erfolgte ausgerechnet an jenem Tag, an dem die Signa Holding, die Dachgesellschaft der Immo-Gruppe, Insolvenz anmeldete.
Benko bestreitet freilich jeglichen Zusammenhang zur bevorstehenden Pleitewelle.
Wie geht es jetzt weiter?
1.Einspruch oder nicht?
Die Verteidigung muss entscheiden, ob sie gegen die Anklage Einspruch einlegt. Das Oberlandesgericht wird dann bewerten, ob Benko tatsächlich angeklagt wird, oder doch nicht – eine riskante Entscheidung, da das Gericht so sehr früh in die Beweislage einsteigt. Das kann für die Verteidigung also auch nach hinten losgehen.
2. Wo findet der Prozess statt?
Der Prozess soll wahrscheinlich in Innsbruck stattfinden. Theoretisch könnte die Verteidigung beantragen, dass der Prozess nach Wien verlegt wird. Darüber würde dann wieder ein Obergericht entscheiden. Bisher wurde die Verlegung solcher Fälle auch eher restriktiv gehandhabt. Dabei wird bewertet, wo die Beweismittel sind (bei der WKStA in Wien), wie der Verfahrensaufwand ist und so weiter. Nebenaspekt: Dieser Prozess wird großes Aufsehen erregen, es braucht also auch einen Ort, der groß genug ist, um zu verhandeln. Das Medieninteresse geht weit über Österreich hinaus und der Andrang wird groß sein. Der Große Schwurgerichtssaal in Wien wird aber derzeit umgebaut.
Der Rest des sogenannten Grauen Hauses ist in peinlich-schlechtem Zugang, wie die Possen um den Integrationsfondsprozess zeigen – übrigens auch ein äußerst spannender Fall, über den wir laufend berichten. Die Causa konnte an angesetzten Terminen wegen Baulärm nicht verhandelt werden. Dann hat die Technik gestreikt, sodass Online-Zeugen nicht einvernommen werden konnten. Ein Mal war die Klimaanlage defekt, sodass alle in Winterjacke im Saal saßen. Und das größte Übel: Es gibt nicht einmal einen Kaffeeautomaten, was bei tagelangen Verhandlungen oft „lebensrettend“ ist.
Auch das sind Gründe, die gegen die Verlegung von Innsbruck nach Wien sprechen – die Justiz würde sich unnötige Peinlichkeiten ersparen.
3. Bleibt René Benko in U-Haft?
Die WKStA hat die „Vorführung des in Untersuchungshaft zu belassenden Angeklagten René Benko zur Hauptverhandlung“ beantragt, so steht es in der Anklage. Die nächste U-Haftprüfung für Benko findet im August statt – dass man ihn vor dem Prozess noch freilässt, gilt als eher unwahrscheinlich. Dann würde er in Handschellen im Gerichtssaal vorgeführt werden, außer, die Verteidigung schafft es, einen Deal zu machen.
4. Wann findet der Prozess statt?
Die Gerichte müssen sich mit dem Termin beeilen – denn jemanden unverhältnismäßig lang in U-Haft zu sperren, ist nicht gestattet. Der Sachverhalt ist dazu auch nicht besonders kompliziert und gut belegt – allerdings hat der Ermittlungsakt schon rund 1500 Ordnungsnummern, das muss ein Richter erst einmal lesen. Dennoch: Justizexperten und mehrere in der Causa involvierte Anwälte, mit denen profil gesprochen hat, gehen davon aus, dass eine Verhandlung im Herbst stattfinden könnte – bis Ende des Jahres jedenfalls passieren müsste. Man würde René Benko dann vermutlich nach Innsbruck verlegen, damit man ihn für die Verhandlungen nicht hin und her fahren muss. In Innsbruck sitzt derzeit noch ein Prominenter: Karlheinz Grasser. Ob es sich zeitlich ausgeht, dass man sich dort trifft? Benko und Grasser haben übrigens denselben Verteidiger: Norbert Wess.
5. Wer sind die geladenen Zeugen?
Die WKStA hat acht Zeugen geladen. Mehrere ehemalige, hochrangige Signa-Manager und Finanzverantwortliche. Seine Schwester und seine Mutter. Viele jene, die auf dieser Liste stehen, sind selbst Beschuldigte und können sich darum entschlagen. Das gilt aber etwa nicht für Mutter Ingeborg Benko, die zumindest derzeit noch nicht Beschuldigte ist, aber eine Schlüsselrolle spielt. Auch die Aussagen der Buchhalter könnten äußerst delikat werden.
Und schließlich: Es ist mit weiteren Anklagen zu rechnen. Ein Vorhabensbericht nach dem anderen soll nun fertiggestellt werden. Woher wir das wissen? Weil es bereits Abschlussberichte zu zahlreichen Ermittlungssträngen und Vorwürfen gibt – und denen sollen ja Konsequenzen folgen. Da gibt es nur zwei Wege: Anklage oder Einstellung.
Wir werden jedenfalls weiter berichten. Mehr als 110 Berichte haben wir schon geschrieben. Heute startet unsere neue Podcaststaffel zu René Benko in unserem Investigativpodcast „Nicht zu fassen“. Abonnieren Sie unseren Kanal zum Beispiel hier – und verpassen Sie keine Folge mehr.
Und für alle Benko-Nerds haben wir heute auch ein Quiz: Testen Sie hier Ihr Wissen zur größten Pleite der Zweiten Republik.
Unsere Podcasts und Newsletter sind gratis – wir freuen uns, wenn Sie uns hören oder lesen. Damit wir unsere Arbeit aber gut und intensiv fortsetzen können, brauchen wir Sie auch als Unterstützer. Profil wird dieses Jahr 55 Jahre alt – helfen Sie uns, dass wir uralt werden. Hier geht’s zu unseren Jubiläumsangeboten.