Exklusiv: Das steht in der Anklage gegen René Benko
Von Marina Delcheva und Anna Thalhammer
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Eine mehr als ungewöhnliche Mietvorauszahlung und eine 300.000 Euro schwere Überweisung an die eigene Mutter, just am Tag der Signa-Pleite: In der ersten Anklage gegen René Benko wirft ihm die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor, kurz vor seiner Pleite als Einzelunternehmer Vermögen vor dem Zugriff seiner Gläubiger und Gläubigerinnen in Sicherheit gebracht zu haben. profil liegt exklusiv die Anklageschrift vor. Und die hat es in sich.
„Unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer für ihn spätestens ab Herbst absehbaren Konkurseröffnung fasste der Angeklagte den Entschluss, Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, indem er sie unter anderem in die Verfügungsgewalt seiner Mutter, Ingeborg Benko, oder in die Verfügungsgewalt von Gesellschaften und Privatstiftungen (ua Laura Privatstiftung) verschob, von denen er selbst unmittelbar oder mittelbar profitierte und deren offiziell Begünstigte Ingeborg Benko und seine ehelichen Kinder sind“, steht wörtlich in der Anklageschrift. Benko selbst hat immer alle Vorwürfe gegen seine Person bestritten, es gilt vollumfänglich die Unschuldsvermutung.
Was ist geschehen?
Da wäre zum Beispiel die Sache mit der Mietvorauszahlung und dem vermuteten Geldkarussell. Neben dem schon berühmten Haus im Innsbrucker Stadtteil Igls, bewohnt die Familie Benko ein weiteres Haus auf der Hungerburg am anderen Ende der Stadt. Die Benkos sollen dafür am 6. Oktober 2023 die Miete für gleich vier Jahre im Voraus bezahlt haben, 360.000 Euro auf einen Schlag.
Wie so vieles im weit verzweigten Benko-Signa-Komplex gehört die Immobilie nicht Benko selbst. Eigentümerin ist die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG. Die gehört wiederum der RB Immobilienverwaltungs GmbH, die mehrheitlich der Laura Privatstiftung zugerechnet wird. Das ist jene Familienstiftung, in der noch ein beachtliches Vermögen liegen soll und deren Begünstigte René Benkos Mutter ist.
Mit dieser Vorauszahlung stimmt laut den Ermittlerinnen und Ermittlern der WKStA aber so einige Dinge nicht.
- Am 5. Oktober 2023 lässt die Laura Privatstiftung Benko eine halbe Million Euro zukommen.
- Am 6. Oktober überweist Benko 360.000 Euro auf das Konto der RB Immobilienverwaltungs GmbH und Co KG.
- Am 10. Oktober 2023 überweist die Immobilienverwaltungs GmbH und Co KG 340.000 Euro an deren Gesellschaftsmutter Immobilienverwaltungs GmbH.
- Wenig später überweist wiederum die Immobilienverwaltungs GmbH 300.000 Euro an die Laura Privatstiftung.
Die Ermittler vermuten jetzt, dass hier Geld im Kreis geschickt wurde und wieder in der Sphäre der Laura-Stiftung landete, wodurch Benkos Gläubiger um diese Summe geschädigt worden sein sollen. Denn einen Zugriff auf das Geld der Familienstiftung hat der Masseverwalter bisher nicht.
Noch dubioser erscheint die Zahlung vor dem Hintergrund, dass das Haus zum damaligen Zeitpunkt gar nicht bewohnbar war. Nach einer Hangrutschung und einem beachtlichen Wasserschaden musste es erst saniert werden. Eine Sanierung hätte bis Anfang 2024 gedauert. Das zeigen Auswertungen interner E-Mails und Aussagen ehemaliger Manager der Signa und der Eigentümergesellschaft RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG. Tatsächlich eingezogen sind die Benkos dann erst um den Jahreswechsel 2024/25. Warum zahlte René Benko also vier Jahresmieten im Voraus für ein Haus, in das die Familie zunächst gar nicht einziehen konnte? Und das auf Eigeninitiative von René Benko, laut den Aussagen eines ehemaligen Managers.
Die WKStA hält das jedenfalls weder für juristisch plausibel, noch für wirtschaftlich sinnvoll und hegt den Verdacht, dass hier doch Geld in den Einflussbereich der Stiftungen gewandert ist. René Benko sieht das in seiner Einvernahme anders oder erscheint bemüht, „sich als juristischen Laien darzustellen und sich auf mangelndes juristisches Verständnis“ zurückzuziehen, schreiben die Ermittler in der Anklage. Angesichts seines Werdegangs als international tätiger Immobilieninvestor erscheint diese Strategie den Ermittlern aber eher unglaubwürdig.
Mamas Geld
Eng wird es für Benko auch mit einer 300.000 Euro schweren Überweisung an seine Mutter Ingeborg, tituliert als Rückzahlung eines Darlehns. Und zwar just am 29. November 2023 – dem Tag, an dem die Dachgesellschaft von Signa, die Signa Holding, pleiteging. Kurze Zeit davor hatte René Benko von seiner Mutter 1,5 Millionen Euro überwiesen bekommen. Die Ermittler gehen hierbei von einer Schenkung der Mutter an den Sohn aus. Und genau das legt eine Schenkungsvereinbarung nahe, die zwei Monate später abgeschlossen wurde.
Aber warum gibt der Sohn einen Teil des mutmaßlich geschenkten Geldes an seine Mutter zurück? Wo doch großzügige Schenkungen, die schon mal in die Millionenhöhe gehen, keine Seltenheit bei den Benkos waren. Mutter Benko hat ihrem Sohn immer wieder Geld aus den Familienstiftungen zukommen lassen, wie auch zahlreiche Ermittlungsberichte zeigen. Hinzu kommt, dass Benko in der Zeit ab der Signa-Pleite einen massiven Geldbedarf hatte. Er hatte Ende 2023 zugesichert, eigenes Geld für die Sanierung der in Schieflage geratenen Signa zuzuschießen. Wieso gibt er also ganz ohne Not 300.000 Euro zurück, anstatt das Geld zu behalten und für die Tilgung von anderen, absehbaren Forderungen zu verwenden?
Benko selbst behauptet in einer Einvernahme, er habe eben nicht die gesamten 1,5 Millionen Euro gebraucht und einen Teil zurückgegeben. Die Ermittler sehen das anders. Sie werfen ihm vor, dadurch seine Gläubiger geschädigt zu haben. Denn der Masseverwalter kann zwar im Insolvenzverfahren auf Benkos Vermögen zugreifen. Eine Vermögens-Sippenhaftung gibt es im heimischen Insolvenzrecht aber nicht.
Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig. Benkos Anwälte haben ab der Zustellung zwei Wochen Zeit, dagegen Berufung einzulegen. Diese Anklage ist die erste im umfangreichen und verzweigten Benko-Signa-Komplex. Die WKStA ermittelt derzeit zu zwölf Sachverhalten. Es geht unter anderem um einen Safe, der bei Verwandten von Benkos Ehefrau gefunden wurde. Um Investorengelder, die zweckwidrig eingesetzt worden sein sollen. Um Ungereimtheiten bei einer Kreditverlängerung und vieles mehr. Nicht alles muss zwangsläufig zu einer Anklage führen – aber vieles. Darin sind sich Gläubiger und Rechtsvertreter sicher.

Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.