Simion nach Bekanntgabe der Prognosen

Rumänien: Knapp am Rechtsruck vorbei?

Überraschung bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien. Der Favorit, ein Rechtsradikaler, hat wohl doch nicht gewonnen. Aber wird er das Ergebnis auch akzeptieren?

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In Rumänien, dem sechstgrößten Mitgliedsland der EU, standen sich gestern Abend zwei Männer in der Stichwahl für das Amt des Präsidenten gegenüber, die nicht unterschiedlicher sein könnten. 

Rechtsradikaler vs. pro-Europäer 

Einerseits George Simion, 38 Jahre jung und ein ausgewiesener Rechtsradikaler sowie glühender Trump-Anhänger. Andererseits der Liberale und pro-europäische Bürgermeister von Bukarest Nicușor Dan. 

Simion steht der 2019 gegründeten, rechtsextremen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) vor, die der EU den Kampf ansagt und zum Teil auch völkische Ideen vertritt. Darunter etwa die Verschiebung von Grenzen und die Errichtung eines „Großrumäniens.“ Nicușor Dan, der parteilose Bürgermeister von Bukarest, vertritt außenpolitisch gesehen die Positionen der EU. Simion will – wie kein anderer Politiker in Rumänien vor ihm – mit diesen pro-westlichen Konventionen brechen. Auch deswegen galt diese Wahl als Richtungsentscheidung für Rumänien und die gesamte EU. Das Land ist ein Nachbar der Ukraine und gilt aufgrund seiner strategischen Lage am Schwarzen Meer als Außenposten der NATO im Osten. 

Macht Simion jetzt auf Trump? 

Beim ersten Wahldurchgang im Mai lag Simion mit 41 Prozent der Stimmen klar vorne. Bei der Sichtwahl gestern Sonntag  könnte sich das Blatt gedreht haben. Darauf deuteten erste Prognosen aufgrund von Wählerbefragungen am Sonntagabend hin, wonach Nicușor Dan mit 55 Prozent klar in Führung liegt. 

Simion aber akzeptiert das vorläufige Wahlergebnis und seine Niederlage nicht. „Wir sind die klaren Gewinner dieser Wahl. Wir beanspruchen diesen Sieg im Namen des rumänischen Volkes", sagte er gestern Abend gegenüber Medien und zitiert seine eigenen Umfragen. In den nächsten Tagen wird er wohl alles tun, um seine Anhängerinnen und Anhänger davon zu überzeugen, dass es zu einem Wahlbetrug kam. Damit mimt er sein großes Vorbild, den US-Präsidenten Donald Trump. Bereits vor der Wahl sprach er von einer mächtigen Elite, die sich mit undemokratischen Methoden an der Macht hält. Bei einem Teil der Gesellschaft in Rumänien wird er damit sicher Erfolg haben. Um zu verstehen, warum, muss man ein halbes Jahr zurückblicken. 

Die TikTok-Affäre

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien fand bereits am 24. November statt. Damals erreichte der kremlfreundliche Kandidat Călin Georgescu überraschend Platz Eins. Kurz darauf ließ dann aber der Verfassungsgerichtshof den Urnengang aufgrund von unklarer Wahlfinanzierung annullieren. Der Vorwurf: Georgescu soll durch zehntausende TikTok-Accounts gepusht worden sein, hinter denen ein staatlicher Akteur, mutmaßlich Russland, stecke. Das legten Berichte von rumänischen Geheimdiensten nahe. Nachdem Georgescu nicht mehr antreten durfte, stellte sich die AUR-Partei demonstrativ hinter ihn und Simion trat als eine Art Ersatzkandidat an seine Stelle. 

Dreht die Diaspora das Ruder herum? 

Simions letzte Hoffnung sind jetzt die Auslandsrumänen. Die Mehrheit von ihnen hat im ersten Durchgang für ihn gestimmt. In Deutschland, Spanien und Italien, wo eine große rumänische Diaspora lebt, lag die Zustimmung sogar bei über siebzig Prozent.  

Am späten Sonntagabend lag Dan laut Wahlprognosen mit 55 Prozent vor Simion, der nur auf 45 Prozent kam. Die Stimmen der Diaspora sind da noch nicht mitgerechnet. Rund 1,6 Millionen sollen gewählt haben. Ob sie Simion noch zum Wahlsieg verhelfen werden, bleibt abzuwarten. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.