Morgenpost

Selenskyj in Brüssel: Camouflage zwischen Nadelstreif

Wolodymyr Selenskyj beharrt weiter auf Kampfjets und einem raschen EU-Beitritt der Ukraine. Der “Weg nach Hause in die EU” gestaltet sich aber schwierig.

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Ein Mann in Tarnmontur inmitten von blitzblanken Anzügen - ein Bild, das auffällt. “Willkommen zu Hause, willkommen in der EU", twitterte Ratspräsident Charles Michel nach der Landung des ukrainischen Präsidenten in Brüssel. 

Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor knapp einem Jahr war Wolodymyr Selensky auch physisch zu Gast beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Bisher war er zwar auch bei allen Gipfeln dabei - allerdings per Videoschalte. 

Selenskyj hatte beim Besuch in Brüssel  Forderungen im Gepäck: Er verlangte weiter mit Nachdruck Flugzeuge für den Kampf gegen Russland - und einen raschen Beitritt der Ukraine zur EU. Doch auf konkrete Zusagen zu einer künftigen Mitgliedschaft seines Landes kann Selenskyj nicht hoffen, und erst Recht nicht darauf, dass Verhandlungen darüber schon heuer beginnen werden. Mehrere Mitgliedstaaten lehnen einen "Beitritt auf der Überholspur” ab, nachdem die Ukraine bereits im Rekordtempo den Kandidatenstatus erhalten hat. Der Beginn der Beitrittsverhandlungen muss unter Einstimmigkeit aller 27 Mitgliedsstaaten erfolgen. Selenskyj verdeutlichte deshalb einmal mehr: "Für die Ukraine ist es (der Beitritt zur EU, Anm.) der Weg nach Hause". Und er schwörte Europa auf einen Kampf gegen Russland ein: "Nur unser Sieg wird die gemeinsamen europäischen Werte wahren."

Parlamentspräsidentin Roberta Metsola versicherte dem ukrainischen Präsidenten, dass die Zukunft seiner Nation in der Europäischen Union liege und hob ebenso die Bedeutung von Kampfjetlieferungen an die Ukraine hervor. Eine fixe Zusage ist das allerdings noch lange nicht. 

Die ukrainische Europa-Tour

Wolodymyr Selenskyj absolvierte diese Woche eine Blitz-Tour durch Europa. Am Mittwoch war er zu Gast beim britischen Premier Rishi Sunak und König Charles III., am Abend bei seinen “Freunden Olaf und Emmanuel” in Paris. Er bedankte sich beim deutschen Kanzler und dem französischen Präsidenten für die Lieferung von Panzern, forderte aber auch im Élysée-Palast Kampfflugzeuge. “Emmanuel, je schneller unsere Piloten moderne Flugzeuge haben und je stärker unsere Panzerkoalition ist - danke Olaf, dass du den Weg dazu geebnet hast - desto schneller wird die russische Aggression enden.” Deutschland und Frankreich könnten laut Selenskyj "Game Changer" im Krieg sein und das Blatt wenden”. Aber nur dann, wenn sie Langstreckenwaffen und moderne Flugzeuge liefern würden. 

Konkrete Zugeständnisse dazu blieben “Olaf” und “Emmanuel” dem Gast aus Kiew aber schuldig. “Wir werden die Ukraine bis zum Sieg unterstützen”, beteuerte etwa Macron. Und Scholz legte nach: “Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen”.

Selenskyjs Tour durch Europa ist seine zweite Amtsreise seit Beginn des Angriffskrieges vor knapp einem Jahr. Seine erste führte ihn zu US-Präsident Joe Biden nach Washington D.C. Warum das ein Weckruf für die EU war, lesen Sie hier.  

Und was sagt Moskau in Richtung EU zu Selenskyjs Europa-Tournee? "Allmählich verschwindet die Grenze zwischen einer indirekten und einer direkten Beteiligung am Krieg", ließ Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gestern Mittag mitteilen. Die Überlegung, der Ukraine schwere Waffen zu schicken, ändere nichts am Ausgang des Krieges. “Sie führen vielmehr zu einer weiteren Eskalation.” 

Einen erfolgreichen Freitag und ein erholsames Wochenende wünscht Ihnen 

Maximilian Mayerhofer 

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.