Präsident Wolodymyr Selenskyj im Parlament
Morgenpost

Österreichs schwieriger Umgang mit Selenskyj

Während die Weltpolitik an Österreich streift, ist man hier hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.

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Es ist ein symbolträchtiges Datum. Am 400. Tag des Kriegs in der Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestern zum ersten Mal per Videoschalte vor dem österreichischen Parlament gesprochen. Und das, während Russland taktische Atomwaffen in Belarus stationieren will, China enger mit Russland zusammenarbeiten und die Ukraine eine Gegenoffensive für April oder Mai planen soll. Seit Kriegsbeginn kam Selenskyj in den Parlamenten von fast allen 27 EU-Ländern zu Wort – nur in Bulgarien und Ungarn hat er bisher nicht gesprochen.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka („Das offizielle Österreich ist zwar militärisch neutral, nicht aber politisch“) hatte den ukrainischen Präsidenten formell zu einer virtuellen Rede im Parlament eingeladen, nachdem ein Neos-Vorstoß im vergangenen Jahr noch an der FPÖ gescheitert war. Diesmal verließen die Freiheitlichen, die traditionell gute Beziehungen zu Russland pflegen, geschlossen den Saal und protestieren mit Taferln (u.a. mit der Aufschrift „Platz für Neutralität“) gegen die Rede.

Aber auch die SPÖ-Fraktion (die bereits letztes Jahr gezögert hatte, sich aber dann doch nicht gegen eine Rede aussprach) zeigte sich gestern nicht in voller Frau- und Mannstärke; Parteichefin und außenpolitische Sprecherin Pamela Rendi-Wagner sei krank, hieß es; 21 weitere SPÖ-Abgeordnete verpassten Selenskyjs Rede teils unentschuldigt.

Der ukrainische Präsident bedankte sich derweil für die humanitäre Hilfe aus Österreich (vor allem bei „Nachbar in Not“ und den Städten Wien, Linz und Graz) und plädierte dafür, „moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein.“

Szenenwechsel nach Südosteuropa. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wird dem Balkan wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil. Meine Kollegin Franziska Tschinderle, aktuell stationiert in Albanien, hat diese Woche nicht nur den Balkan-Besuch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (der in der albanischen Hauptstadt Tirana ein „Erwachen“ aus der EU-Erweiterungsmüdigkeit forderte) beobachtet, sie hat dazu auch einen hörenswerten Podcast mit dem Südosteuropa-Experten Florian Bieber aufgezeichnet. Ihr Thema: der Kosovo-Serbien-Dialog und das neue EU-Abkommen, das Van der Bellen als einen möglichen „Meilenstein“ in der Annäherung der Nachbarländer bezeichnet hat. Bieber erklärt in dem Gespräch, warum ein Verschleppen des Deals vor allem dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zupass kommt und er das aktuelle window of opportunity skeptisch sieht. Druck sei eben nur dann sinnvoll, wenn Hoffnung bestehe, dass die Verhandlungen auch zu einem Ergebnis führen. Nachsatz: „Diese Hoffnung halte ich im Moment leider für eine Illusion.“

Einen guten Start in das Wochenende wünscht

Philip Dulle

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.