Ursprung von Pandemien: Der Handel mit exotischen Tieren blüht
Die Käfige waren dicht gestapelt und reichten bis in drei Meter Höhe. Eingepfercht darin saßen verschiedenste Wildtiere: Fledermäuse, Makaken, Singvögel, Ratten. Die Szene, vor wenigen Tagen im Wissenschaftsmagazin „Nature“ beschrieben, spielt auf einem Wildtiermarkt in Jakarta. Die Autorin ging in ihrem Text der Frage nach, was eigentlich aus all den hygienisch fragwürdigen Wet Markets wurde – jenen besonders in Ostasien, aber auch in anderen Weltregionen verbreiteten Verkaufsflächen, die seit der Suche nach den Ursprüngen der Coronaviruspandemie in den Fokus von Behörden, Forschenden und der Wissenschaft gerieten.
Die kurze Antwort: Sie blühen nach wie vor und betreiben ihre Geschäfte ungebrochen weiter. Auch an den Bedingungen scheint sich nicht viel geändert zu haben: Auf diesen Märkten werden Fleischwaren ebenso angeboten wie verschiedenste Spezies lebender Wildtiere, meist auf engstem Raum gedrängt, vielfach in ihren eigenen Fäkalien sitzend, umringt von Kundschaft in Massen, die sich von den strengen Gerüchen nicht abschrecken lässt.
Die Menschen, ob in Indonesien, Malaysia oder Vietnam, verwenden das Fleisch zur Zubereitung von Speisen, aber teilweise, um allerlei Wunderkuren daraus herzustellen, für deren Wirksamkeit es keinerlei Beleg gibt.
Übersprung von Tier zu Mensch
Eigentlich hätte diesen Verkaufspraktiken Einhalt geboten werden sollen, weil die Märkte einen Nährboden für die Ausbreitung von Krankheitserregern darstellen – eingeschleppt durch die Tiere, die zum Verkauf angeboten werden, stellen die dicht bevölkerten Marktareale einen perfekten Ort für den „Spillover“ von Viren dar, für den Übersprung von Tieren auf den Menschen. Nach wie vor gehen die meisten Forschenden davon aus, dass SARS-CoV-2, das für die jüngste Pandemie verantwortliche Virus, seinen Ausgang vom Huanan Seafood Market in Wuhan nahm oder zumindest dort so konzentriert auftrat, dass es in der Folge zur globalen Ausbreitung kam (auch wenn nach wie vor die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein Laborunfall die Schuld trägt). Auch die SARS-Pandemie 2003 hatte ihren Ursprung in einem chinesischen Wet Market.
China beispielsweise untersagte die traditionelle Verkaufsform 2020, allerdings mit der Folge, dass die Waren fortan illegal gehandelt wurden, gleichsam im Untergrund. „Nature“ zufolge werden weiterhin viele Millionen Tiere auf diese Weise verkauft, und zwar besonders in urbanen Zentren, wo das Risiko von Übertragungen von Tier zu Mensch besonders hoch ist. Ähnlich dürfte die Lage in Westafrika sein, wo sogenanntes „Bush Meat“ aufgrund der Ebola-Epidemie ab 2014 verboten wurde – die Menschen, mit einem tiefen Misstrauen gegenüber behördlichen Anordnungen ausgestattet, aber weiter Fledermäuse verspeisen. Fledertiere gelten als wichtige Reservoirwirte für viele Krankheitserreger. Sie infizieren meist Nutztiere des Menschen, von denen die Erreger dann weiter zum Menschen wandert.
Rein hypothetisch sind diese Vermutungen nicht: Forschende analysierten zuletzt zahlreiche Markttiere auf den Befall mit Viren, beispielsweise in China konfiszierte Pangolins. Aus diesen beliebten Schuppentiere werden Heilmittel gegen alle möglichen Leiden gewonnen. In den Pangolins fanden die Wissenschafter verschiedene Coronaviren, deren Genom bis zu 92 Prozent ident mit jenem Erreger war, der die Pandemie auslöste. Ähnliche Ergebnisse erbrachte die Untersuchung solcher Tiere in Vietnam.
Millionen von Fledermäusen
Besonders boomt der Handel mit Wildtieren rund um Feiertage in den jeweiligen Ländern. An solchen Tagen würden etwa in Indonesien bis zu 10.000 Fledermäuse pro Tag verkauft, übers Jahr immerhin rund eine Million. Die Tiere würden dabei von Jägern auf weitläufigen Routen über große Strecken transortiert, bis sie am Markt eines Ballungszentrums zum Verkauf feilgeboten würden.
Die aktuellen Daten zeigen nicht nur, dass jene Quellen, denen Krankheitsausbrüche häufig entspringen, offenbar bis heute kaum eingedämmt wurden. Sie führen aufgrund der gigantischen Zahlen an gehandelten Tieren und nachgewiesenen Viren auch vor Augen, dass Übersprünge vom Tier zum Menschen keineswegs völlig unwahrscheinliche Ereignisse – überraschend erscheint viel eher, dass die meisten davon gleichsam im Sande verlaufen, ohne zu größeren Infektionsketten zu führen.