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Astrologie-Apps: Hype um Horoskope

Im Internet entwickelt sich Astrologie zum sinnstiftenden Identitätsgeber für die Generation Z.

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Ich bin im Sternzeichen Steinbock geboren – was das astrologisch über meine Persönlichkeit aussagt, war mir bis vor Kurzem weder wichtig noch bewusst. Bis mir ein während der Pandemie aufgekommener Trend grafisch ästhetische Sujets, die den zwölf Sternzeichen jeweils eine auf das Klischee passende Zimmerpflanze, eine Sportart oder ein Filmgenre zuordneten, in meine Timelines spielte. Ich lernte, dass es „sehr Steinbock“ ist, zielstrebig, stur und emotional reserviert zu sein. Das hatte ich so ähnlich schon mal von Gerda Rogers in einer Spätabend-Sendung auf Ö3 gehört – wie haben es astrologische Kalenderweisheiten von dort in meine sozialen Feeds geschafft?

Halbironische Witze über karrieristische Steinböcke und impulsive Widder sind Teil eines neuen Identifikationskonstrukts, in dem sich viele junge Menschen verorten. Um Astrologisches hat sich ein Hype entwickelt: „Astrofluencer“, Astro-Podcasts und Astro-Memes bieten Unterhaltung und Gesprächsstoff. Meist im vollen Bewusstsein über die Absurdität der den Sternzeichen anhaftenden stereotypischen Charaktereigenschaften werden sie perpetuiert und zu einem gemeinsamen Bezugsrahmen gesponnen.

Dieser neue Astrologie-Diskurs fungiert als eine Art Spiritualität, die Sicherheit vermittelt, ein Gemeinschaftsgefühl schafft und immer auch etwas selbstoptimierend wirkt. Ablesen kann man die vielsinnig unkonkreten Sentenzen nicht nur auf Instagram oder TikTok, sondern auch in eigenen Apps wie Co-Star, The Pattern oder Sanctuary, die vorgeblich maßgeschneiderte Ratschläge direkt auf das Smartphone liefern - immer gerade vage genug, sodass die eigenen Erfahrungen demgemäß formbar sind.

Welcher Vogel sind Sie? Astrologie-Accounts auf Instagram ziehen absurde Analogien.

Die meisten Applikationen funktionieren nach einem ähnlichen Muster. Nutzer:innen füttern die App mit ihren Geburtsdaten inklusive Geburtsort, auf Basis dieser Daten erstellen Co-Star oder Sanctuary dann „personalisierte“ Horoskope. Im Falle von Co-Star sind diese individuellen Kosmogramme geistreiche Aphorismen wie „Say what you mean“ – „Sag, was du meinst.“ Zusätzlich bieten sie die Möglichkeit, die eigenen Horoskope mit denen von Freund:innen zu verlinken, wodurch die Astrologie-App gleichzeitig zum sozialen Medium wird.

Algorithmisch zusammengeschusterte astrologische Weisheiten bieten mittlerweile auch wirtschaftliches Potential. Astrologie-Start-Ups, die die entsprechenden Apps entwickeln, werden immer attraktiver für Investor:innen, der Markt für „spirituelle Dienste“ wächst an. Laut dem Time Magazine soll ein Viertel der jungen Frauen zwischen 18 und 25 Jahren in den USA Co-Star heruntergeladen haben.

In Österreich liegt das astrologische Monopol nach wie vor wohl bei Gerda Rogers, eine kurze Internet-Recherche ergab nur unerhebliche Konkurrenz in Form von dubiosen Websites, auf denen die kosmologischen Profile von Pamela Rendi-Wagner („grundsätzlich hält sie sich an alle Normen“) Heinz-Christian Strache („materiellen Dingen ist er nicht abgeneigt“) und Hans Niessl („sein Geist ist positiv“) analysiert werden. 

Hoffentlich steht Ihnen ein entspanntes Wochenende in den Sternen,

Lena Leibetseder

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Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.