Baut die FPÖ mit Online-Petitionen ihre Reichweite aus?
Für ihre politischen Kampagnen setzt die FPÖ verstärkt auf ein direktdemokratisches Tool: Online-Petitionen. Der angenehme Nebeneffekt: So erhält die Partei wertvolle Daten ihrer Unterstützer.
Auf Telegram hat Herbert Kickl eine imposante Reichweite: Knapp 36.000 Menschen haben den Kanal des FPÖ-Chefs abonniert und erhalten mehrmals am Tag politische Botschaften, gespickt mit einer ordentlichen Portion Dramatik: Mal wird der Regierungsspitze ein Paar dämonisch-leuchtender Augen verpasst, mal eine Umfrage gestartet: „Bei wem soll Eurer Meinung nach gekürzt werden: Bei Familien, Leistungsträgern und Pensionisten, oder bei illegalen Migranten, die nichts beitragen?“
Zuletzt postete Kickl ein Video, das seine Anhänger in Angst und Schrecken versetzen könnte: „Jetzt will die WHO die Kontrolle übernehmen“, warnt darin die Erzählstimme von FPÖ-TV und ruft zum Aktivismus auf: „Kämpfen wir gemeinsam für ein freies, selbstbestimmtes Österreich, ohne WHO-Diktat.“ Der Protest gegen die angebliche Übernahme durch die Weltgesundheitsorganisation (es handelt sich um einen Vertrag, der koordinierte Strategien bei künftigen Pandemien regeln soll, mehr dazu lesen Sie hier) kann vom Computer oder Handy gestartet werden: „Unterzeichne gleich jetzt unsere Petition gegen den WHO-Pandemievertrag.“
Die FPÖ nutzt für ihre Werbung neben Telegram auch andere Kanäle, auf Facebook erreicht sie mit ihren Accounts mehr als 1,5 Millionen Abonnenten. Der EU-Abgeordnete Gerald Hauser startete einen Appell, um auch Richtung Brüssel ein Zeichen zu setzen: „Liebe Freunde, ich ersuche euch, tut’s die Petition der freiheitlichen Partei gegen den Pandemievertrag bitte unterschreiben!“ Selbst das FPÖ-nahe Medium „InfoDirekt“ warnt davor, dass „die Staaten sich der Meinung der WHO zu beugen haben“, und wirbt für die blaue Petition.
Aber was hat es mit dieser FPÖ-Online-Petition für eine Bewandtnis?
Keine Weitergabe ans Parlament
Der Link auf all diesen Plattformen führt zu einer Website, die die Freiheitlichen eigens gebaut haben. Um die FPÖ-Online-Petition unterschreiben zu können, müssen Interessierte dort zumindest Namen und Adresse eingeben, per E-Mail erhalten sie einen Bestätigungslink. Wer ihm folgt, dem erscheint auf dem Schirm ein Bild von Herbert Kickl mit der Nachricht „Es ist geschafft!“ – und die Bitte, zusätzlich auch eine offizielle Parlamentspetition gegen den WHO-Pandemievertrag auf der Parlaments-Website zu unterschreiben, die die FPÖ im Nationalrat eingebracht hat. Denn die Unterschriften der quasi privaten FPÖ-Online-Petition scheinen nirgends auf, werden niemandem übergeben oder von offizieller Seite gezählt. Sie sind in Wahrheit ein Marketing-Tool. Auch Beobachter im Parlament bestätigen profil, dass die Anzahl der Unterstützer von Online-Petitionen für die FPÖ im Nationalrat keine Rolle spielt. Ein blauer Sprecher bestätigt: „Die Daten verbleiben beim Initiator der jeweiligen Petition. Eine Weitergabe an andere Stellen wie beispielsweise dem Parlament wäre zudem rechtswidrig.“
Aber warum sammelt die FPÖ überhaupt auf zwei Plattformen – einer parteieigenen und der offiziellen Parlaments-Website –, wenn es doch um ein und dasselbe Anliegen geht?
Parlamentspetitionen sind eher Ein-Personen-Initiativen als direktdemokratische Masseninstrumente: Es reicht ein Abgeordneter, um ein Anliegen einzubringen, sofern der Bund dafür zuständig ist. Staatsbürger können offiziell auf der Parlaments-Website ihre Unterstützung einmelden, Stellungnahmen abgeben oder unterstützen. Unabhängig von ihrer Popularität durchläuft jede Parlamentspetition ein ähnliches Prozedere: Zuerst wird sie im Ausschuss, dann im Plenum behandelt, meist wird eine Stellungnahme vom zuständigen Ministerium eingeholt. Und dann, wenn alles erledigt ist, löscht das Parlament sämtliche Daten der Unterstützer.
Hier könnte ein Grund liegen, warum die FPÖ außerhalb des Parlaments mittels privater Online-Petitionen um Unterstützung wirbt. Denn die Freiheitlichen dürfen zumindest Name, Wohn- und E-Mail-Adresse speichern. Mit drei schnellen Klicks können Fans zusätzlich der Zusendung von „Informationsmaterial“ der Bundes- und Landesparteien und des Parlamentsklubs am Handy, via E-Mail oder per Post zustimmen.
Die FPÖ betont, dass ohne Zustimmung keine Kontaktaufnahme erfolgt. Die Datenspeicherung ist außerdem weder illegal noch anrüchig, zeigt aber, dass die Freiheitlichen mit ihren privaten Online-Petitionen ihre Reichweite ausbauen können. Wie wichtig der FPÖ der direkte Zugang zu ihrer Zielgruppe ist, machte Christian Hafenecker Anfang des Jahres deutlich. Der Generalsekretär präsentierte das neue Medienhaus der Partei, mit 15 Mitarbeitern und TV-Studio.
Das weitreichenstärkste Medium für die Partei ist FPÖ-TV, den dazugehörigen YouTube-Kanal haben 236.000 Menschen abonniert. Die Videos werden wiederum auf Facebook und Telegram geteilt. Nicht von außen einsehbar ist die Anzahl der Newsletter-Abonnenten. Laut Hafenecker sind es 200.000, also beinahe so viele Fans, wie die Partei auf YouTube fix erreicht. All diese Kanäle werden für die Freiheitlichen in Zukunft noch wichtiger. Nicht nur, weil sie auf die journalistische Einordnung klassischer Medien verzichten wollen. Sondern auch, weil Social-Media-Plattformen in der Vergangenheit blaue Beiträge offline genommen haben, wenn diese ihren Richtlinien nicht entsprochen haben. Umso wichtiger ist es der FPÖ, eigene direkte Kommunikationswege zu schaffen.
Die FPÖ ist die einzige Partei, die private Online-Petitionen im großen Stil startet und bewirbt: Jene Online-Petition zur WHO haben bis zu 40.000 Personen unterstützt, sagt ein blauer Sprecher.
Manchmal bringt die FPÖ auch nur offizielle Parlamentspetitionen ein, ohne große Bewerbung. Diese entfalten aber keine so große Wirkung. Wie etwa eine zum Thema „Bürokratieabbau für unsere Feuerwehren“. Das Thema scheint weniger zu emotionalisieren: Bisher gaben 24 Personen ihre Unterstützung ab.
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.