Ballhausplatz 4

Beate Meinl-Reisinger im Chat: Pinke Wendepunkte

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger chattet darüber, was sie an Österreichs Bildungsminister stört und über Wokeness.

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Die aktuellen Ergebnisse der PISA-Studie sind in fast allen OECD-Ländern schlechter geworden. Österreich schneidet durchwachsen ab, Defizite gibt es vor allem bei Kindern aus sozial schwachen Familien.

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) zeigte sich angesichts des schlechten Zeugnisses gelassen: „Durchaus erfreulich“ seien die Ergebnisse. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht darin ein Versagen des Ministers: „Er gibt sich mit Mittelmaß zufrieden“, Österreich müsse bildungspolitisch zur europäischen Spitze aufsteigen. Um das zu erreichen, verlangt ihre Partei heute im Parlament einen „großen Reset“ des Bildungswesens.

Im Chat mit profil-Redakteurin Elena Crisan erklärt Meinl-Reisinger, was sie an Polaschek stört, wie sie die Bildungs-Schere zwischen Arm und Reich schließen will und warum sie sich „achtsam“ und nicht „woke“ nennt.

Elena Crisan

Die PISA-Studie zeigt: Bildung ist eine Geld- und Herkunftsfrage. Wie kann man gegensteuern?

Beate Meinl-Reisinger

Wie viel Zeit haben wir? 😉

Beate Meinl-Reisinger

Grundsätzlich ist das ja nicht neu. Eine Vielzahl an Maßnahmen ist nötig: Nicht mit Mittelmaß zufrieden geben und “abfeiern”, dass wir weniger abgestürzt sind als Deutschland, sondern Bildung zum nationalen Anliegen machen.

Beate Meinl-Reisinger

Wesentliche Punkte: Kindergarten zumindest um ein weiteres Jahr verpflichtend machen, am besten Bildungspflicht ab drei; ganztägige Schulen mit gesunden, warmen Mittagessen und Unterricht am Nachmittag, speziell für die, die es brauchen. Volle Schulautonomie und indexbasierte Mittelzuteilung: Brennpunktschulen benötigen mehr Geld als Gymnasien in bürgerlichen Bezirken.

Beate Meinl-Reisinger

Last but not least: Transparenz schaffen. Auch das Bildungssystem muss sich messen lassen!

Beate Meinl-Reisinger

Aber dazu brauchen wir auch einen Bildungsminister, dem Kinder und Jugendliche echte Anliegen sind.

Elena Crisan

Muss Martin Polaschek zurücktreten?

Beate Meinl-Reisinger

Er müsste das, ja. Am Besten von alleine. Mangels Erfolg und Ambition. Noch wichtiger aber: Kanzler und Vizekanzler müssen Bildung zur “Chefsache” machen.

Elena Crisan

An Schulen gibt es noch nicht einmal genug Lehrkräfte. Sie fordern zusätzlich ein mittleres Management, mehr School-Nurses und Sozialarbeiter. Wo soll das Personal herkommen?

Beate Meinl-Reisinger

Dazu braucht es einen Stufenplan. Klar geht das nicht von heute auf morgen, aber in Wien schaffen wir es ja auch! Sozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen und auch School-Nurses gehören in Wahrheit an jede Schule. Und ja, auch ein administratives Personal, das die Schulleitung und die Lehrer:innen unterstützt. Dass es “schwierig” ist, ist kein Argument.

Elena Crisan

Was wäre die erste Stufe?

Beate Meinl-Reisinger

Das Ziel zu formulieren! Wir wollen das! So schaut die Schule der Zukunft aus! Und Budgetmittel dazu frei machen, am besten in schulautonomer Verwendung!

Beate Meinl-Reisinger

Jeder muss zuerst sagen, wohin man will. Das ist ja das Kernproblem bei Polaschek. Er weiß es nicht.

Elena Crisan

Die SPÖ stieß zuletzt eine Debatte um die Abschaffung der Matura und von Schulnoten an. Kann man Bildung anhand einer Matura messen?

Beate Meinl-Reisinger

Standardisierte Prüfungen, die Transparenz schaffen sind gut. Abschaffung seh ich nicht. Wo ich aber großen Reformbedarf sehe, ist das “wie”. In Wahrheit lernen die Kinder - jedenfalls ab der Oberstufe - nur noch für die Zentralmatura. Das hat wenig Sinn. Es geht um ein Grundgerüst, wo ich aber den Schüler:innen mehr Freiheit geben würde, Vertiefungen festzulegen und Schwerpunkte zu setzen.

Elena Crisan

Was denken Sie eigentlich, wenn Sie das Wort “Volkskanzler” hören?

Beate Meinl-Reisinger

Was ist das “Volk”? Das sind wir alle! Kickl tut so, als ob es einen homogenen “Volkswillen” gäbe. Das ist haarsträubend! Es ist nichts weiter als ein altbekanntes Muster des Populismus: man gaukelt vor, dass man von “denen da oben” im Stich gelassen würde.

Beate Meinl-Reisinger

Letztlich auch ein autoritäres Konzept: ein homogener Volkswille oder Volkskörper ist Ausdruck eines Verständnisses von geschlossenen Gesellschaften. Wir leben aber in einer liberalen, offenen, pluralen Demokratie! Wir wollen keine Bevormundung!

Elena Crisan

Ihr Buch “Wendepunkt” erscheint im März. Unter anderem geht es um Kulturdebatten und Wokeness. Sind Sie woke?

Elena Crisan

Ich bin achtsam. Und ich trete für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein. Damit auch für die gleichen Rechte und den gleichen Zugang zu Institutionen für alle. Habe hier jedoch keinen identitätspolitischen Zugang, sondern einen universalistischen. 

Beate Meinl-Reisinger

“Wokismus” und Identitätspolitik führen uns in eine Sackgasse.

Elena Crisan

Planen Sie auch für sich einen Wendepunkt?

Beate Meinl-Reisinger

Mein ganzes Leben besteht aus Wendepunkten. Darauf geh ich auch ein. Jetzt steht viel auf dem Spiel. Der “Westen”, im Sinne von liberaler Demokratie und Marktwirtschaft droht gerade “Selbstmord” zu begehen. Das ist mein Antrieb und meine Aufgabe: wachrütteln, und zeigen, wie wir da wieder rauskommen. Es geht besser!

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.