Die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz am Montag, 13. Juli 2020.
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Bei der ÖVP ist „nichts mehr da“

Razzia-Phobie: Die Kanzlerpartei sorgt sich vor einer angeblichen Hausdurchsuchung. Und sie erklärt, wie sie sicherstellen will, dass nichts gefunden wird.

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Mit Pressekonferenzen ist es ähnlich wie mit anonymen Anzeigen: Jeder kann eine machen. Ob das Resultat dann besonders gehaltvoll ausfällt oder nicht, steht freilich auf einem anderen Blatt Papier. Manchmal überwiegt auch einfach nur der Unterhaltungswert vor der eigentlichen inhaltlichen Erkenntnis – etwa, als gestern ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz vor Journalisten trat, um über Gerüchte zu sprechen. Der Kanzlerpartei wäre zu Ohren gekommen, dass es möglicherweise eine Hausdurchsuchung in ihrer Zentrale geben könnte, ließ Schwarz wissen. Nun forderte sie eine Klarstellung von den „zuständigen Stellen“, wobei Schwarz meinte, diese „Stellen“ nicht zu kennen. 

Der ÖVP-Vizegeneralsekretärin sei hier etwas auf die Sprünge geholfen: Hausdurchsuchungen werden in Österreich in aller Regel von Staatsanwaltschaften bei Gerichten beantragt, von diesen genehmigt und dann unter Zuhilfenahme der Polizei und anderer Behörden durchgeführt. Der erste Teil einer solchen Planung (Staatsanwaltschaft, Gericht) findet also im Bereich der Justiz statt. Diese stellt allerdings nie vorab klar, ob sie eine Razzia plant oder nicht. (Ob es inoffiziell in der Vergangenheit geschehen sein könnte, ist eine Frage, die in prominentem Kontext aktuell sehr wohl die Ermittler beschäftigt. Unter Verdacht stehen bekanntlich ein suspendierter Sektionschef des Justizministeriums und ein zurückgetretener Verfassungsrichter und Ex-Justizminister. Beide bestreiten alle Vorwürfe.) 

Datenschutz der anderen Art

Es wäre aus Sicht der Ermittlungsbehörden jedenfalls kontraproduktiv, auf Aufforderung der ÖVP bekannt zu geben, ob man in den türkis/schwarzen Hallen der Wiener Lichtenfelsgasse vorstellig werden möchte oder nicht (historisch gesehen würde es sich bei einem solchen Einsatz übrigens nicht um ein völliges Novum handeln). Die chancenlose Aufforderung zu einer derartigen Klarstellung ließ bei der Pressekonferenz jedenfalls die Frage aufkommen, ob man auf diesem Weg vielleicht Personen aus dem ÖVP-Umfeld vor einer Behördenaktion warnen wolle – was Schwarz vehement bestritt. Sie richtete allfälligen Hausdurchsuchern allerdings gleich von vornherein aus, dass diese ohnehin nichts finden würden. Die ÖVP sei nämlich schon länger dazu übergegangen, alle Daten regelmäßig zu vernichten, die man nicht gesetzlich aufbewahren müsse. Zitat: „Es ist nichts mehr da.“

Dass eine Kanzlerpartei in einer entwickelten Demokratie laufend wesentliche Teile ihres dokumentierten Innenlebens löscht, ist jedenfalls bemerkenswert. Allerdings gibt es – vom Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz abwärts – ja auch das eine oder andere Ermittlungsverfahren, mit dem die ÖVP naturgemäß wenig Freude hat. Der Kanzler steht bekanntlich im Verdacht, vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Kurz bestreitet das vehement – unter anderem sagte er das auch in einer Beschuldigteneinvernahme Anfang September.

„profil“ hat das rund 150 Seiten starke Protokoll, das in mehrerlei Hinsicht tief blicken lässt, vollständig online gestellt. Noch vor wenigen Tagen war der vom Steuerzahler finanzierten Pressestelle im Bundeskanzleramt übrigens keine klare Auskunft darüber zu entlocken, ob die Einvernahme überhaupt bereits stattgefunden hatte. Vielleicht war aber auch nur die Erinnerung daran bereits gelöscht.

Trainieren Sie regelmäßig Ihr Gedächtnis und haben Sie einen sorgenfreien Tag!

Stefan Melichar

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Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).