Betonhauptstadt: Breite Front gegen Baupläne des Wiener Neustädter Bürgermeisters

Wiener Neustadt könnte die erste komplett zugebaute Stadt Österreichs werden, warnte das Umweltbundesamt 2018. Die Einwohner wollen das verhindern - der Bürgermeister plant indes eine Umfahrung samt Gewerbegebiet.

Drucken

Schriftgröße

Die Modellrechnung hatte es in sich: Geht es in Wiener Neustadt so weiter wie bisher, würden noch vor 2050 keine Äcker und Wiesen mehr existieren, abgesehen von einem kleinen geschützten Wäldchen im Südwesten (profil berichtete). Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) will jetzt einen halben Quadratkilometer Beton draufsetzen. Demnächst soll eine seit Jahren umstrittene Ostumfahrung realisiert werden. Sie wird weitere fruchtbare Äcker verschlingen und mitten durch ein Natura 2000-Schutzgebiet führen.

Kirche gegen Beton

Deswegen brodelt es in diesem Sommer in Wiener Neustadt. „Wir haben eine A2 und eine S4, die neue Umfahrung braucht es nicht“, kritisierte der Wiener Weihbischof Franz Scharl, der in den 1990er-Jahren Kurat in der Gemeinde war. Er sei bestürzt über die leblos gewordene Innenstadt und das Zubetonieren wertvoller Böden, sagte er in einem Video der Bürgerinitiative „Vernunft statt Ostumfahrung“. Scharls Auftritt veranlasste Bürgermeister Schneeberger dazu, sich an höchster Stelle zu beschweren. In einem Brief an Kardinal Christoph Schönborn zeigte sich Schneeberger „irritiert“. Schönborn und Schneeberger haben sich mittlerweile ausgesprochen. Der Kardinal räumte zwar ein, Scharl hätte sich vor der öffentlichen Kritik auch mit den Verantwortlichen der Stadt auseinandersetzen sollen, betonte aber, dass sich die Kirche seit Längerem gegen die Versiegelung und für den Naturschutz stark mache.

Dominic Thiems Mutter will Umfahrungsbau stoppen

Das tut auch Karin Thiem, die Mutter des Tennisstars Dominic Thiem. „Ich fände es jammerschade, wenn hier wieder so viele Hektar wertvollen Bodens zubetoniert werden würden“, sagt die Wiener Neustädterin. Sie unterstützt eine Online-Petition gegen das Straßenbauprojekt, bei der bereits knapp 1800 Unterschriften gesammelt wurden.

Umfahrungen heizen Verkehr an

Aus Sicht der Wissenschaft wäre die knapp fünf Kilometer lange Trasse ein Desaster. In der Verkehrsplanungsforschung gelten Umfahrungen seit Jahren als nicht zielführend. Anders als von der Politik behauptet, sorgen diese nicht für eine Verkehrsentlastung, sondern für noch mehr Autos auf den Straßen. „Mit der Ostumfahrung plant sich Wiener Neustadt gerade die Verkehrs- und Umweltprobleme der nächsten 50 Jahre“, sagt Verkehrsplaner Ulrich Leth von der Technischen Universität Wien. Man müsse stattdessen Straßen rückbauen sowie den öffentlichen Verkehr und Radwege forcieren.

Baubescheid vor Gericht

Im September geht der Fall vor Gericht. Bürgerinitiativen brachten Beschwerde gegen den positiven Baubescheid der mindestens 32 Millionen Euro teuren Ostumfahrung ein, nun soll das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Helmut Buzzi von der Plattform „Vernunft statt Ostumfahrung“ hofft, dass sich Politik und Einwohner nun endlich an einen Tisch setzen. „In Zeiten des Klimawandels sollten wir andere Lösungen für unsere verkehrsgeplagte Stadt finden“, sagt Buzzi.

 

Mehr zum Thema: Betonfieber. Wird so gedankenlos weiter gebaut wie bisher, ist Österreich 2050 praktisch zugepflastert. Und: Wissenschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) verteidigt im Interview die von ihm geplante und von Wissenschaftlern scharf kritisierte Raumordnungsnovelle in Oberösterreich.

 

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.