Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Sieg der Hetzer

Sieg der Hetzer

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Am Samstag, einen Tag vor der Wahl, war im „Standard“ ein ganzseitiges Inserat erschienen. „Stimmen für Häupl“, Testimonials von Persönlichkeiten, die für den amtierenden Bürgermeister warben.

Beeindruckend an der langen Liste bekannter Namen war, dass dieses Inserat – neben Menschen, die der SPÖ ihren Job zu verdanken haben oder auf einen solchen warten – einen repräsentativen Ausschnitt des liberalen Wiener Meinungsspektrums abbildete. Unter ihnen fand sich sogar Christoph Thun-Hohenstein, ehemaliger Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in New York, der in den vergangenen Wochen als Kulturstadtrat gehandelt worden war, sollte dieses Ressort an die Volkspartei fallen.

Ein ähnlich breit gefächertes Spektrum an prominenten Unterstützern hat bisher nur Erwin Pröll hinter sich gewusst.

Wenn es nach Michael Fleischhacker geht, haben diese Menschen freilich einen „ausgebrannten Genussmenschen“ empfohlen, dem „sein Intellekt den Ausweg aus dem zynischen Souterrain versperrt hat“. Der Chefredakteur der als liberale Tageszeitung gegründeten und der Kirche nahestehenden „Presse“ stellte an eben jenem Samstag die FPÖ als eher „wählbar“ dar als die SPÖ, wenn auch „nicht leicht“, aber immerhin auf Basis „einiger wesentlicher Punkte ihrer Wahlkampagne“, mit denen sie „recht“ habe.

Zynisch könnte man meinen: Die Wähler haben sich an Fleischhackers Empfehlung gehalten (auch soweit es um Frau Marek geht, der er „fröhliche Hilflosigkeit“ attestierte) und den Freiheitlichen ein sensationelles Ergebnis beschert; über ein Viertel der Stimmen bei Heinz-Christian Strache wiegen tonnenschwer. Das Ergebnis der Sozialdemokraten ist unbefriedigend; richtig schlecht ist es, gemessen am Wunsch nach der absoluten Mehrheit und damit an der eigenen Erwartungshaltung.

Tatsächlich wurde diese Wahl aber weder vom liberalen Gedankengut irgendwelcher Testimonials beeinflusst noch vom Furor gegen die rote Allmacht, der Herrn Fleischhacker ins Strache-Lager getrieben hat. Vielmehr war das Ergebnis von einem einzigen Thema befeuert: vom Ausländer, von dessen Instrumentalisierung durch die FPÖ, von Häupls Versuchen, ein Bollwerk ­dagegen zu errichten. „Migrantenwahlkampf“ hatte das Hans Rauscher in einem Kommentar genannt.

Das Gewicht des Themas für die Wahlentscheidung hatte sich schon vorab bei empirischen Untersuchungen gezeigt. Es wird uns begleiten, österreichweit und über Jahrzehnte. Die Wiener Wahl hat solcherart die möglichen Grenzen und die Grenzen des Möglichen im politischen Umgang mit Migranten gezogen. Ähnliches schaffte kürzlich Thilo Sarrazins Buch in Deutschland in Bezug auf die Grenzen des argumentativen Umgangs mit ebendiesem Problemkreis.

Die politische Dimension: Der skrupelloseste Populist des Landes trifft auf einen verantwortungsbewussten Populisten. Die Begegnung findet in einer Stadt mit rapide gestiegenem und daher hohem Ausländeranteil statt. Auf der einen Seite scheinen die Mittel unbegrenzt, mit denen verbal aufgehetzt wird. Die andere Seite hält mit hohen finanziellen Mitteln dagegen, per klassischer Wahlwerbung, aber auch durch unverhältnismäßige Unterstützung massentauglicher Printmedien.

Die möglichen Grenzen wurden von Herrn Strache bei rund 27 Prozent gezogen. Das gilt jedoch nur für den vergangenen Sonntag und somit für diese politische Konstellation. Hätte sich die Wirtschaftskrise in hoher Arbeitslosigkeit manifestiert, dann wäre „der Ausländer“ nicht nur diffus über seine Religion und seine Lebensgewohnheiten diffamiert worden, sondern wohl auch als Feind des ökonomischen Über­lebens.

Vor allem aber: Die Grenzen des FPÖ-Wähleranteils wären anderswo zu suchen, hätte Strache nicht einen Bürgermeister des Formats Häupl zum Gegner gehabt.

Die Grenzen des Möglichen? Sie werden auch an der Person Häupl deutlich. Selbst der mächtigste Sozialdemokrat, Populist, blendende Redner, ausgestattet mit einem unvergleichlichen Parteiapparat, unterstützt von „Kronen Zeitung“, „Heute“ und „Österreich“, kann eine mit Ausländerhetze, jenseitigen Slogans und dumpfen Ressentiments agierende Bewegung nicht niederhalten.

Die möglichen Grenzen für die FPÖ sind also unbestimmt, die Möglichkeiten, ihrer Politik beizukommen, beschränkt. Das gilt erst recht für die Bundespolitik, somit für die Entscheidung darüber, ob eines Tages ein freiheitlicher Kanzler das Land regiert. Bei den nächsten Nationalratswahlen hat Herr Strache keinen Häupl als Gegner, er wird eine reale Chance haben, an die erste Stelle zu rücken.

Diejenigen, die ein solches Szenario für ausgeschlossen halten, sind dieselben, die im Jahr 2000 an ein ­Niederringen der FPÖ glaubten und sie 2002 als niedergerungen bezeichneten.

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