Österreich

„Cobra“-Affäre: Bundeskanzler Nehammer zählt zu den „Verdächtigen“

In den seit Monaten laufenden Ermittlungen rund um den Unfall zweier alkoholisierter Personenschützer besteht zwar ein Anfangsverdacht, aber bis dato keine konkrete Beschuldigung.

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Es war ein Vorfall, der für einiges Aufsehen gesorgt hat: Im März 2022 verursachten zwei Personenschützer der Spezialeinheit „Cobra“ nach einem Einsatz bei der Ehefrau von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit ihrem Dienstwagen einen Unfall – zwar nur mit  Blechschaden, aber in alkoholisiertem Zustand. Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner brachte ein parlamentarische Anfrage dazu ein. Darin zitierte er ein anonymes Schreiben eines angeblichen Cobra-Beamten, in dem einerseits behauptet wurde, dass Cobra-Personenschützer zu Tätigkeiten herangezogen würden, die nicht ihrer Aufgabe entsprechen würden. Andererseits hieß es darin, dass – um den Alko-Vorfall zu vertuschen – dahingehend interveniert worden sei, die Dienstzeiten der Beamten nachträglich so zu verändern, damit die Angelegenheit offiziell in deren Freizeit fallen würde.

Während der erste Vorwurf dem Vernehmen nach zu keinen strafrechtlichen Ermittlungen geführt hat, beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Korneuburg bis heute mit der angeblichen Intervention. Es besteht ein Anfangsverdacht in Richtung Amtsmissbrauch beziehungsweise der Beteiligung daran. Wie profil nun erfahren hat, zählt auch Bundeskanzler Karl Nehammer zum Kreis der Verdächtigen. Als „Verdächtiger“ gilt man in Ermittlungsverfahren dann, wenn zwar grundsätzlich ein sogenannter Anfangsverdacht besteht, dieser aber noch so vage ist, dass ein Betroffener nicht in den Beschuldigtenstatus fällt.

Im Cobra-Verfahren in Korneuburg gibt es bis dato keinen einzigen „Beschuldigten“, allerdings – dem Vernehmen nach – eine Handvoll Verdächtige. Nicht darunter soll übrigens die Kanzler-Gattin Katharina Nehammer sein. Dem Vernehmen nach ortet die Staatsanwaltschaft gegen sie nicht einmal einen Anfangsverdacht. Im anonymen Schreiben – das den Ermittlern bis dato noch nicht einmal im Original vorliegen soll – ist angeführt, Katharina Nehammer habe am 14. März 2022 einen Termin mit Cobra-Direktor Bernhard Treibenreif gehabt. Die Ehefrau des Kanzlers soll allerdings belegen können, dass sie zu diesem Zeitpunkt im Ausland gewesen ist. Dies bestätigte Nehammers Rechtsanwalt Oliver Scherbaum am Freitag gegenüber profil. Scherbaum verweist auf entsprechende Flugtickets und die Bestätigung eines Hotels in Berlin, dass Katharina Nehammer dort übernachtet habe. profil konnte diese Unterlagen einsehen. Sie decken den Zeitraum 14. März 2022 in der Früh bis 15. März 2022 nachmittags ab. Scherbaum sagt zu den Angaben im anonymen Schreiben, die Kanzler-Gattin wäre am 14. März 2022 im Cobra-Hauptquartier in Wiener Neustadt erschienen: „Das ist nachweislich gelogen“.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg bestätigte auf profil-Anfrage, dass es Ermittlungen in Bezug auf mehrere verdächtige beziehungsweise angezeigte Personen gebe. Namen nannte eine Sprecherin nicht. Alle Betroffenen bestreiten jegliches Fehlverhalten.

Aus dem Kanzleramt heißt es zu der Angelegenheit: „Es ist nichts Neues, sondern seit einem Jahr öffentlich bekannt, dass es in der Cobra-Frage rund um den Personenschutz von Kanzler Karl Nehammer Ermittlungen gibt. Grund ist ein anonymes Pamphlet mit Vorwürfen. Diese Vorwürfe sind falsch. Der Bundeskanzler wurde bisher nicht einvernommen und ist auch nicht Beschuldigter.“

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Ergänzung am 3.2.2022 um 12:10 Uhr: Das Statement von Rechtsanwalt Oliver Scherbaum wurde hinzugefügt.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).