Amtsgeheimnis

Das Schweigen der Ämter: Wie drei Bürger um Infos kämpfen

Eine Bürgerin, ein Aktivist und ein Journalist stellten simple Anfragen an Behörden. Die Reaktion: verzögern, Auskunft verweigern und das Schweigen vor Gericht verteidigen. Die Ämter können so weitermachen, das Informationsfreiheitsgesetz kommt verspätet.

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Wer Fragen an Gemeinden, Länder oder Ministerien richtet, dem kann gewisse Dickköpfigkeit nicht schaden. Das Auskunftspflichtgesetz stammt aus dem Jahr 1987, einer vordigitalen Zeit, als Fragen und Antworten noch per Post verschickt wurden. Entsprechend behördenfreundlich ist das Regelwerk, es räumt Ämtern großzügige Antwortfristen von acht Wochen ein-und falls die Deadline überschritten wird, drohen keine Sanktionen.

Mit den Pauschalargumenten "Amtsgeheimnis" und "Datenschutz" haben Behörden schon viele Antworten verweigert. Oder zumindest so lange verzögert, dass die Infos kaum mehr Relevanz hatten.

Die Gemeindebürgerin Christine Kiesenhofer, der Transparenzaktivist Mathias Huter und der Journalist Maximilian Werner haben die Schwächen der aktuellen Gesetzeslage in der Praxis erlebt. Seit Jahren warten sie auf Antworten und versuchen nun, die Infos vor Gericht zu erstreiten.

Ein Informationsfreiheitsgesetz sollte Fristen verkürzen und die Ämter zu mehr Transparenz verpflichten, das versprach die Bundesregierung zu Amtsantritt. Wie bereits mehrere Koalitionen davor. Landeshauptleute, Gemeindebund und Städtebund arbeiten heftig dagegen. Mit Erfolg: Der Gesetzesentwurf verstaubt seit zwei Jahren.

Neuer Entwurf für Infofreiheit bis Juni

Jetzt soll es doch noch was werden: "Ich habe überhaupt nicht kapituliert", sagt ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zu profil. Gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) versuchte sie in knapp 50 Mediationsrunden, die Vorbehalte auszudiskutieren. "Wir passen jetzt den Gesetzesentwurf final an. Das haben wir für das erste Halbjahr 2023 vor",sagt Edtstadler. Grüne Verhandlerkreise bestätigen den Zeitplan.

Einen Infofreiheitsbeauftragten, der Bürger und Journalisten bei der Durchsetzung ihres Rechts unterstützt, wie ihn Grüne und Transparenzaktivisten wollten, schließt Edtstadler kategorisch aus. Für kleine Gemeinden ohne juristisches Personal soll die Datenschutzbehörde Rechtsberatung anbieten.

Für einen Beschluss braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit. Als Mehrheitsbeschafferin kommt am ehesten die SPÖ infrage.

Brisanter Blog

Christine Kiesenhofer sorgt mit ihren Recherchen regelmäßig für Diskussionen in Kreuzstetten.

Bürgerin fragt nach Grundstücks-Deal, Gemeinde droht

Christine Kiesenhofer ist die außerparlamentarische Opposition in Kreuzstetten, einer Kleingemeinde mit 1654 Einwohnern im Bezirk Mistelbach (Niederösterreich). Nach einem Zerwürfnis mit den Grünen schied sie im Jahr 2020 aus dem Gemeinderat aus. Seither führt sie ihre Kontrollarbeit auf dem Blog "Kreuzstetten aktuell" weiter. Als frühere Mandatarin weiß sie, welche Fragen sie stellen muss.

Kiesenhofers Recherchen sorgen regelmäßig für Gesprächsstoff im Ort. Im Oktober des Vorjahres sah sich Bürgermeister Adolf Viktorik (SPÖ) gezwungen, Kiesenhofer eine ganze Seite in der Gemeindezeitung "Kreuzstetter Nachrichten" zu widmen.

Die Vorgeschichte: Christine Kiesenhofer richtete im Jänner 2021 insgesamt fünf Auskunftsbegehren an den Bürgermeister. Besonders interessierte sie sich für einen Grundstücksverkauf aus dem Jahr 2018, mit dem die Gemeinde 412.000 Euro einnahm. Eine stolze Summe für die kleine Ortschaft. Ihre Fragen lauteten: Auf welches Konto der Gemeinde wanderte der Verkaufserlös? Wofür wurden die Mittel konkret verwendet?

Kiesenhofer war bei einer Analyse der Rechnungsabschlüsse aufgefallen, dass der Betrag nicht in den Rücklagen der Gemeinde aufschien, jedenfalls nicht vollständig. Das Geld dürfte also, so vermutet sie, ausgegeben worden sein. Bloß wofür?

Wo ist das Geld? Der Bürgermeister mauert

Die Gemeinde will die Infos lieber geheim halten, die Gründe dafür muss sie laut Auskunftspflichtgesetz in einem Bescheid darlegen. Dafür hat sich die Gemeinde juristische Unterstützung geholt. Die Honorare für die Anwälte dürften sich, soweit aus den Gemeindebudgets ablesbar, auf eine sechsstellige Summe belaufen.

In der Gemeindezeitung vom Oktober des Vorjahres erklärte der Bürgermeister die Causa Grundstücksverkauf für "erledigt". Da hatte er sich getäuscht. Kiesenhofer beschwerte sich vor drei Monaten zum zweiten Mal beim Landesverwaltungsgericht über die Nichtantwort.

Die Entscheidung ist ausständig. Beliebt hat sich Kiesenhofer damit nicht gemacht. Der Bürgermeister würde nicht mehr mit ihr reden, erzählt sie. Und die Gemeinde warnte per Einschreiben: "Da Sie seit Jahren offenbar mutwillig die Tätigkeit der Marktgemeinde Kreuzstetten in hohem Maße in Anspruch nehmen, bringen wir Ihnen zur Kenntnis, dass die Marktgemeinde in solchen Fällen für jedes Auskunftsersuchen eine Mutwillensstrafe in Höhe von bis zu EUR 726 verhängen kann."

Der Bürgermeister erklärte zum Grundstücksdeal, dass er innerhalb von zwei Tagen keine schriftliche Stellungnahme abgeben könne und telefonisch grundsätzlich "keine Auskünfte erteile".

Aktivist will die Namen der Sonder-Staatsbürger

In einer Woche wird es fünf Jahre her sein, dass Mathias Huter ein simples Auskunftsbegehren ans Innenministerium richtete. Antworten auf seine Fragen aus dem März 2018 hat Huter, der Obmann des Forums Informationsfreiheit ist, bis heute keine bekommen: "Können Sie mir bitte mitteilen, in wie vielen Fällen in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik erfolgt ist? (...) Ich bitte um eine Auflistung der Namen und, soweit erfasst, der jeweiligen Berufe der Personen."

Auf normalem Weg ist die Staatsbürgerschaft schwer zu bekommen, Antragssteller müssen Deutsch sprechen, bereits zehn Jahre im Land sein und ein gewisses Mindesteinkommen vorweisen können. Es gibt aber auch eine Fast-Lane: Die Bundesregierung kann Menschen im Eilverfahren einbürgern, wenn sie "außerordentliche Leistungen" für die Republik erbracht haben oder erbringen werden-beantragen muss diese Spezial-Staatsbürgerschaft eines der neun Bundesländer.

Bloß: Wer sie bekommt, ist geheim. Spätestens seit der Part-of-the-Game-Affäre ist klar, warum Intransparenz zum Problem werden kann: Der frühere Kärntner BZÖ-Politiker Uwe Scheuch stellte im Jahr 2009 die österreichische Staatsbürgerschaft für einen russischen Investor in Aussicht. Im Gegenzug für eine Parteispende. Eine Einbürgerung sei, sagte Scheuch, "no na net, part of the game", also Teil des Spiels. Was er nicht wusste: Das Gespräch wurde aufgezeichnet.

Fälle wie diese kommen derzeit nur durch Zufall ans Licht, Transparenzaktivist Huter wollte das ändern. Das Innenministerium verweigerte ihm allerdings die Auskunft. Und Huters Odyssee durch die Instanzen begann: Er beschwerte sich beim Bundesverwaltungsgericht, das ihm zwar inhaltlich recht gab, die Kompetenz für die Auskunftserteilung aber bei den Bundesländern sah. Also wurde Huters Auskunftsersuchen an die neun Länder weitergeleitet - keines von ihnen legte Huter die Namen vor. Gegen die Nichtauskunft des Landes Niederösterreich legte Huter daraufhin Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht ein.

Informationen laut Gericht "nicht essentiell"

Am 31. Jänner 2023 erreichte ihn das Erkenntnis, seine Beschwerde wurde abgewiesen. Mit einer bemerkenswerten Begründung: Eine Veröffentlichung der Namen könne zwar "zur Debatte betreffend Korruptionsprävention beitragen". Allerdings, so das Gericht, habe "bereits eine öffentliche Diskussion stattgefunden", etwa über die "Part-of-the-Game-Affäre". Die Bekanntgabe der Namen würde "die Diskussion allenfalls bereichern, ist aber nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich im Hinblick auf die bereits sehr breit geführte Diskussion nicht essentiell".

Huter denkt nicht ans Aufgeben. Er kündigt an, die Causa zum Verwaltungsgerichtshof zu tragen, "um das nach so vielen Jahren endlich einmal zu klären".

Journalist fragt nach Grundlage für Corona-Verordnungen

Ernsthaftes Interesse an einer Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen dürfte die Bundesregierung nicht haben. Das legt zumindest der Umgang des Gesundheitsministeriums mit dem Journalisten Maximilian Werner nahe, der für die "Vorarlberger Nachrichten" schreibt.

Werner wollte bereits Ende 2021 mittels Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz vom Minister wissen, welche fachlichen Begründungen es für die Corona-Verordnungen gab.

Denn je länger die Pandemie dauerte, desto komplizierter wurden die Gegenmaßnahmen der Regierung. Während Geschäfte schließen mussten, durften Skilifte offenhalten-aber Bundesgärten keinesfalls. Erst galt 3G (genesen, geimpft oder getestet), dann 2,5G (genesen, geimpft oder PCR-getestet) und später wurde über 1G (nur geimpft) diskutiert.

Fachliche Begründungen werden geheimgehalten

Auf welcher Grundlage wurden die Verordnungen erlassen? Im Ministerium liegen zu jeder Maßnahme fachliche Begründungen auf, bloß wurden die Argumentarien nie veröffentlicht. Nach Werners Anfrage ließ das Gesundheitsressort die achtwöchige Antwortfrist ohne einen Mucks verstreichen. Die Antwort folgte erst sieben Monate später, im Sommer 2022, und fiel erwartungsgemäß aus: Auskunft abgelehnt. Werner legte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Ministerium habe das Informationsmonopol und schränke durch die Geheimhaltung seine "Kontrollfunktion als sogenannter "Public Watchdog" ein.

Das Ministerium vertritt vor dem BVwG eine andere Meinung: Man habe die Erfahrung gemacht, dass die Veröffentlichung von Fachinformationen "mitunter dazu missbraucht wird, um die Behörde mit akkordierten Aktionen lahmzulegen". Eine Veröffentlichung, befürchtet das Ressort außerdem, könne eine "Interpretation( )durch medizinische und juristische Laien, in sozialen Medien, wie insb. Twitter" nach sich ziehen.

Mit einer Entscheidung des Gerichts ist bis April zu rechnen. Eineinhalb Jahre nach der ersten Anfrage.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.