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Der halbvergessene Schrecken

Corona nimmt viel öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch. Dabei geraten andere wichtige Causen aus dem Blickfeld. Da wäre zum Beispiel die Aufarbeitung des Terrors von Wien vom vergangenen November.

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Erinnern Sie sich noch? Am 2. November letzten Jahres fand mitten in Wien ein schrecklicher Terroranschlag statt. Ein 20-jähriger Islamist tötete rund um den Schwedenplatz vier Menschen und verletzte weitere 23 teils schwer. Wien stand unter Schock, als die Nachricht die Runde machte. Furchtbare Bilder aus jenen Gassen, die vielen Städtern wohlvertraut sind, fluteten die (sozialen) Medien. Ganz zu schweigen von der Angst derer, welche die Schüsse unter ihren Fenstern hörten oder gerade durch die abendliche Innenstadt zogen.

Zu anderen Zeiten hätten dieser Anschlag und seine Vorgeschichte – samt der politischen Versäumnisse, die damit einhergehen – wohl monatelang die Schlagzeilen dominiert. Doch: Heute gibts Corona. Alle Aufmerksamkeit gilt nach wie vor den monatelangen Lockdowns und sonstigen pandemie-bedingten Zumutungen. Also geriet der Anschlag, bei allem Schrecken, erstaunlich schnell aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit.

Minutiöse Rekonstruktion des Tages der Tat

Ein profil-Team aus dem Ressort Innenpolitik – Edith Meinhart, Thomas Hoisl und Clemens Neuhold – lässt sich von dieser eher ungünstigen Themenlage nicht abschrecken. In der aktuellen Ausgabe findet sich ein Artikel von Meinhart, Hoisl und Neuhold (hier geht’s zum E-Paper), dem die Lektüre großer Teile des Ermittlungsaktes zugrundeliegt. Es zeigt sich: Die Einzeltätertheorie, von der man bisher ausgegangen ist, wackelt zunehmend. Den Autoren gelang es, minutiös aufzuschlüssen, was in den Stunden vor der Tat geschehen ist. Bis kurz davor war der Schütze etwa von zwei Freunden umgeben. Gemeinsam googelte man unter anderem jene Orte, an denen kurz darauf die Schüsse fielen.

Eine bemerkenswerte Rede

Und nun noch etwas völlig anderes: Falls Sie vergangene Woche nicht dazugekommen sind, nehmen Sie sich einige Minuten, um die Rede des Bundespräsidenten vom vergangenen Donnerstag nachzusehen.

Sie handelt von der (bisherigen) Weigerung des ÖVP-Finanzministers Gernot Blümel, Akten an den parlamentarischen „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zu liefern – obwohl der Verfassungsgerichtshof dies verfügt hat. Van der Bellen liefert da ein beeindruckendes Statement ab, das ein Stückweit das Zeug hat, in die Zeitgeschichte dieses Landes einzugehen. Bei all der ungünstigen Themenlage.

Einen schönen Wochenstart wünscht

Joseph Gepp

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