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Der prophylaktische U-Ausschuss

Die ÖVP plante einen U-Ausschuss, in dem auch der eigene Koalitionspartner untersucht werden sollte. Allerdings nur vorbeugend.

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Falsch verschickte E-Mails sorgen derzeit für Erheiterung in der Wiener Politikblase. Als es vergangene Woche einem vermeintlichen Berater der SPÖ passierte, hatte die ÖVP noch gut lachen. SORA-Wahlforscher Günther Ogris schickte sein Mail, das ein unfertiges Strategiepapier für die SPÖ enthielt, nicht nur an die Partei, sondern versehentlich auch an einen Verteiler mit mehr als 800 Empfängern. So fand das Papier schnell den Weg an die Medien, der ORF beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA, das seit vielen Jahren die Hochrechnungen an Wahlabenden durchführte – wegen angeblicher Zweifel an der Unabhängigkeit von SORA.
 

Jetzt ist es der ÖVP selbst passiert: Ein brisantes E-Mail landete im falschen Postfach – nämlich in dem von NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter. Im Anhang: Ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Die ÖVP will darin Grüne, SPÖ und FPÖ auf „zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder“ im Zusammenhang mit Inseratenschaltungen, Umfragen, Gutachten und Studien untersuchen und führt jeweils recht ausführliche Begründungen dafür an.

Bei der FPÖ wären das zum Beispiel Inserate in „der FPÖ nahestehenden“ Medien wie „unzensuriert“ oder „Info Direkt“, bei der SPÖ mögliche Verbindungen unter Werner Faymann zum „Beinschab-Tool“ und beim eigenen Koalitionspartner, den Grünen, soll es um öffentliche Aufträge gehen, die an parteinahe Firmen gingen – vor allem aus dem Klimaministerium.

Zusammengetragen wurde dies auf 14 A4-Seiten – allerdings nur prophylaktisch, wie die ÖVP in Reaktion auf die Veröffentlichung der U-Ausschuss-Pläne zu kalmieren versuchte: „Das Dokument ist nichts Neues, sondern Teil der üblichen parlamentarischen Arbeit“, so ÖVP-Klubchef August Wöginger in einer Aussendung. Es sei „eine von vielen Überlegungen, die laufend angestellt werden, für den Fall, dass Oppositionsparteien einen weiteren UsA (Untersuchungsausschuss, Anm.) planen, damit Einseitigkeiten in der parlamentarischen Aufklärungsarbeit vermieden werden.“ Aufgrund der „SORA-Affäre“ hätte der Entwurf nun überarbeitet werden sollen – dabei ist das Mail-Malheur passiert.

Für einen U-Ausschuss wäre übrigens ohnehin wenig Zeit zur Verfügung: Er müsste rechtzeitig vor einer Nationalratswahl beendet werden. Und ob die wirklich erst im nächsten Herbst stattfindet, das ist noch nicht ganz austariert, NEOS, FPÖ und SPÖ fordern heute jedenfalls Neuwahlen. „Diese Regierung ist völlig am Ende“, konstatiert SPÖ-Klubchef Philip Kucher.

In den Schrebergärten wird indes weiter geschrebert: Nach der Aufregung um die Umwidmung eines Kleingartengrundstückes des SPÖ-Bezirksvorstehers Ernst Nevrivy (näheres lesen Sie hier) wurde dessen Rückzug aus der Politik gefordert. Offiziell erzählt die SPÖ zwar noch, man werde in internen Sitzungen über politische Konsequenzen beraten – hinter vorgehaltener Hand berichten Sozialdemokraten allerdings schon, dass diese wohl ausbleiben werden. Die Devise lautet: Abwarten, aussitzen.

Einen schönen Dienstag wünscht

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.