Marketing

Die Influencer der Regierung – und was sie kosten

Regierungsmitglieder wie Alma Zadić und Johannes Rauch haben das Influencer-Marketing für sich entdeckt. Damit wollen sie die Jungen erreichen. Es stellen sich allerdings rechtliche Fragen.

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Alma Zadić hat mit der langjährigen Usance gebrochen, dass das Justizministerium keine Werbeanzeigen schaltet. Die grüne Ministerin ist die erste, die ihrem Ressort seit der Einführung der Medientransparenzdatenbank im Jahr 2012 ein Werbebudget verpasste.

Eine der Kampagnen soll über die Gefahren von Hass im Netz sensibilisieren – und Opfer zu den Anlaufstellen der Justiz lotsen. Dafür hat sich Alma Zadić Unterstützung geholt, und zwar von zwei Influencern, die in der jungen Zielgruppe Promistatus genießen: Satans Bratan und Christl Clear versammeln auf Instagram 147.000 bzw. 50.000 Follower.

Gemeinsam mit den beiden Influencern enthüllte die Justizministerin Anfang März ein Citylight-Plakat mit der Message: “Das Internet ist kein rechtsfreier Raum”. Ein Video davon postete sie auch auf ihren Instagram- und TikTok-Profilen, wobei beide Influencer zu Wort kommen und die Kampagne loben. Einen Hinweis auf eine bezahlte Kooperation hat die Justizministerin dort übrigens nicht angebracht. Obwohl das Ressort auf profil-Anfrage zugibt, dass “10.300 Euro (netto)” an die beiden Influencer flossen. Das BMJ: “Die Kosten umfassen sowohl TikToks, Reels und Stories als auch die Mitwirkung am Medientermin zur Enthüllung der Citylights am 3. März 2023.”

Alma Zadić ist nicht die einzige Politikerin, die auf Influencer setzt. “Auf sozialen Medien erreiche ich de facto die gesamte Jugend”, sagt Florian Bösenkopf, Geschäftsführer von influence.vision, einem Vermittlungsmarktplatz für Content Creators. Die Mischung zwischen Information, Popkultur und Unterhaltung komme bei der jungen Zielgruppe an, deshalb sei es “legitim, dass auch die Politik auf Influencer setzt”. Ein Influencer müsse dabei kein solcher von Beruf sein: “Es geht rein darum, dass die Person seine aktuelle Reichweite zur Verfügung stellt.”

Sozialminister Johannes Rauch gab für das Jahr 2023 insgesamt 20 Videos beim Social-Media-Journalismus-Projekt “Die Chefredaktion” in Auftrag. Kostenpunkt: 80.000 Euro. Das geht aus einer aktuellen Anfragebeantwortung von Rauch an den SPÖ-Klubobmann Philip Kucher hervor. Durch die Kampagne werde insbesondere der Fokus auf junge Menschen mit Migrationsbiografie gerichtet. In den kurzen Videoclips (Reels) vermittelt das “Chefredaktion”-Team “Wissen um die Themen wie Lebensmittel, Finanzen, Einkaufen, Umgang mit Haustieren etc.” Das Ziel laut Anfragebeantwortung: “Unliebsame persönliche oder finanzielle Entwicklungen vermeiden”. 

Die Themenpalette der Auftragsvideos ist recht weit gefasst und reicht über den Kompetenzbereich des Sozial- und Konsumentenschutzministeriums hinaus: “Inflation was ist das?”, “Strafen gegen Klimakleber”, “Warum ist Fleischkonsum schlecht für die Umwelt?” und “Klarna erweitert meine Möglichkeiten - stimmt das?” Die Kooperation wird in den Videos transparent gemacht: “Dieses Video ist Teil der COCO Reels (Conscious Consumers Reels) und im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit dem @bmsgpk_aut erschienen.”

Influencer-Marketing hat sich auch zur sendungsbewussten Wiener SPÖ-Stadträtin Ulli Sima durchgesprochen. Sie versucht aktuell, das Elektroscooter-Chaos in Wien einzudämmen. Dafür sollen die Bewohner der Bundeshauptstadt dazu animiert werden, die Gefährte nur noch auf 200 gekennzeichneten Parkflächen in der Stadt abzustellen. Diese Botschaft bringt Sima gemeinsam mit Influencern unters Internetvolk: Wie Zadić arbeitet Sima mit dem bosnischstämmigen Satiriker Satans Bratan zusammen. Wie viel die Stadträtin sich das kosten lässt? “Gemeinsam mit der Mobilitätsagentur hat man zwei Videos um jeweils 3000 Euro produziert”, heißt es aus dem Büro Simas. Diese seien “äußerst erfolgreich” gewesen: “Allein auf Instagram hat er damit über 620.000 Views erzielt, auf TikTok waren es über 700.000”. In die Bewerbung der Clips durch Social-Media-Ads wurde nicht investiert.

Für die E-Scooter-Kampagne setzt die Stadt Wien außerdem auch auf die Dienste des Influencers Wurstaufschnitt (24.100 Follower auf Instagram). Er sei gemeinsam mit fünf weiteren Influencer:innen beauftragt worden. “Dabei wurden in insgesamt 13 Stories, Reels und Videos 197.569 organische Impressions sowie ein Reach von 180.789 und 13.980 Interaktionen ausgelöst. Social Media Schaltungen gab es in diesem Fall keine. Insgesamt sind für die Kampagne Kosten von 20.000 EUR (inkl. USt) erwachsen”, so laut Presse- und Informationsdienst. 

Bis jetzt habe die Stadt Wien über die Jahre mit über 250 Micro- und Makro-Influencer*innen für unterschiedliche Zielgruppen und Themen kooperiert. Auf Basis der Insights der Follower, etwa der Wohnort Wien, die Reichweite und Interaktionen sind ausschlaggebend sowohl für die Auswahl, als auch dafür, was sich die Stadt Wien ihre Influencer-Kampagnen kosten lässt.

Verglichen mit Inseraten, die in traditionellen Medien geschaltet werden, seien Influencer-Kampagnen günstiger, erklärt der influence.vision-Chef im profil-Gespräch. Weiters sagt er: “Kein Creator ist allein von Staatsaufträgen abhängig.” 

Die Influencer-Kampagnen werfen jedenfalls rechtliche Fragen auf: Denn auf einigen der Videos sind auch die Politiker:innen zu sehen, die den Auftrag für die Werbung gaben. Und das könnte heikel werden: Denn eigentlich gilt für politische Werbung öffentlicher Stellen ein sogenanntes Kopfverbot.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.