"Die FPÖ ist schrecklich“

Erni Mangold: "Die FPÖ ist schrecklich"“

Sommergespräch. Erni Mangold über die Nazi-Zeit und das Wesen der Besetzungscouch.

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profil: Frau Mangold, viele Ihrer Interviews drehen sich um das Alter. Geht Ihnen das auf die Nerven?
Erni Mangold: Nein, überhaupt nicht. Das ist mir wurscht. Ich bin froh, dass ich 87 Jahre alt bin, und es geht mir gut. Es ist noch alles okay, ich habe keine Schwierigkeiten.

profil: Der ehemalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher, 88, sagte einmal: Älter werden ist nichts für Feiglinge.
Mangold: Das kann schon sein. Ich hatte den grauen Star und wurde zwei Mal an der Hüfte operiert. Ich habe mir im Theater die Sehne in der Schulter gerissen, was nicht angenehm ist, weil ich immer Schmerzen habe und den Arm schwer heben kann. Damit muss ich leben. Ich bin nicht sehr schmerzempfindlich, das ist mein Glück.

profil: Viele Menschen sind stolz, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben.
Mangold: Stolz bin ich nicht. Aber es ist eine wunderbare Sache, dass ich das Alter erreicht habe. Ich habe auch einiges dazu getan, aber früher auch viele Sünden begangen. Ich habe 50 Jahre lang geraucht, seit 20 Jahren rauche ich nicht mehr. Als ich jung war, habe ich sehr, sehr viel getrunken, das allerdings glücklicherweise etwas eingedämmt. Aber ich trinke noch immer täglich.

profil: Wie viel?
Mangold: Zwei bis drei Achterl Rotwein, die tun mir gut.

profil: Früher war es mehr?
Mangold: Viel mehr. Ich bin damals mit dem Qualtinger herumgezogen, und wir haben viel schlechten Wein getrunken. Der Qualtinger hat einmal gesagt: "Wir waren wie zwei streunende Hunde.“ Wäre ich damals in Wien geblieben, wäre ich heute schon tot.

profil: Sie sind damals nach Hamburg gegangen und haben bei Gustav Gründgens am Schauspielhaus gespielt. Der war den Nazis ja sehr nahegestanden …
Mangold: Er war ein unpolitischer Mitläufer. Manchmal hat er vor Beginn der Vorstellung durch den Vorhang gelugt, und wenn prominente Politiker in der ersten Reihe gesessen sind, hat er gesagt: "Alles wie früher!“ Ich hab mir gedacht: Um Gottes willen! Der Gründgens hat auch nie Urlaub genommen. Während seines ersten Urlaubs ist er auf den Philippinen gestorben.

profil: Mit vielen Schlaftabletten im Magen. Glauben Sie, dass es Selbstmord war?
Mangold: Nein. Man hat ihn ja im Pyjama gefunden. Wenn der Gründgens Selbstmord begangen hätte, hätte er einen Frack angezogen.

profil: Sie haben als Jahrgang 1927 bewusst die NS-Zeit und den Krieg miterlebt. Wie war das für Sie?
Mangold: Ich war zwölf, als Hitler kam. Wir haben damals in Wien gelebt. Ich habe immer nur "Guten Tag“ gesagt, nie "Heil Hitler“, weil ich mich vor dem Regime geekelt habe. Mein Vater war Lehrer, er war Mitläufer, er hat mir aber nie dreingeredet. Ich war zwei Tage bei der Hitlerjugend, dann habe ich gesagt: Da gehe ich nicht mehr hin. Der Papa hat das dann geregelt. Was das betraf, war er sehr gut.

profil: Sie wohnten in Wien im zweiten Bezirk. Von dort wurden viele Juden deportiert. Haben Sie das mitbekommen?
Mangold: Selbstverständlich. Ich wusste natürlich nicht, was mit ihnen passierte. Ich bin sogar mit einem Judenstern gegangen, weil ich eine jüdische Freundin hatte. Das war sehr gefährlich, meine Eltern wussten das nicht. Ich machte das, weil ich mit meiner Freundin spazieren gehen wollte. Sie lebten in der Böcklinstraße in einem Zimmer einer Villa. Der Vater war Kaufmann. Mein Vater sagte ihm, er solle doch nach Amerika gehen - er hatte offenbar schon geahnt, dass etwas passieren würde. Aber der Vater meiner Freundin hat gesagt: "Was soll mir der Hitler tun, ich habe ja nichts gemacht?“ Die Familie wurde dann vergast.

profil: Ihre Freundin auch?
Mangold: Ja, freilich.

profil: Sie spielten in den frühen 1950er-Jahren in einigen Heimatfilmen mit.
Mangold: Eigentlich nur in diesem klassischen Heimatfilm "Der Förster vom Silberwald“. Der Film wurde damals vom Fabrikanten Mautner-Markhof gesponsert und war ein Aushängeschild für Touristen. Aus diesem Grund habe ich mitgemacht. Ich fand diese 1950er-Filme ja grauenhaft. Mir standen keine Dirndln, darum hat man mich ohnehin nicht in solchen Filmen beschäftigt. Ich war sehr froh darüber.

profil: Was hat Sie an den Heimatfilmen gestört?
Mangold: Diese Sentimentalität, diese Verlogenheit, diese furchtbaren Happy Ends. Diese Filme waren alle Märchen, aber keine guten Märchen. Ab 1955 war ich dann in Deutschland. Dort habe ich in den Filmen immer die Frau gespielt, die der Ehefrau den Mann ausspannt.

profil: Jetzt leben Sie im Waldviertel. Was gefällt Ihnen am Landleben?
Mangold: Es gibt mehr Ruhe. Die Nachbarn sind angenehmer, auch wenn man sich gegenseitig nicht besucht, was ich sehr positiv finde. Man kommt einmal vorbei und schaut beim Fenster hinein, aber es gibt nicht diese merkwürdigen Besuche. Das macht man im Waldviertel nicht. Ich mag meine Waldviertler sehr gerne.

profil: Macht das nicht einsam?
Mangold: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich nicht allein sein will geh ich ins Wirtshaus. Dort fühle ich mich sauwohl. Ich bin in meinem Job ja immer noch eingedeckt und froh, wenn ich meine Ruhe hab.

profil: Sie waren nur in 20 von 87 Lebensjahren verheiratet. Hat Ihnen das genügt?
Mangold: Das hat mir völlig genügt. Ich war eigentlich zehn Jahre zu lange verheiratet. Mein Mann Heinz Reincke war ein ziemlicher Egoist, ein furchtbarer Alkoholiker und hat sich immer als großen Künstler dargestellt. Es wurde immer schlimmer. Damit habe ich mein Leben zwar nicht verspielt, aber als wir uns trennten, merkte ich, dass ich damals ziemlich stehen geblieben war. Ich musste viel aufholen. Ich dachte immer, mir kann das nicht passieren, aber es passiert halt.

profil: In einem Interview haben Sie einmal angedeutet, dass die Männer beim Film in den 1950er-Jahren furchtbar aufdringlich waren. Hatte auch Franz Antel eine "Besetzungscouch“?
Mangold: Nicht nur der Antel, auch Arthur Maria Rabenalt, mit dem ich den Film "Fiakermilli“ gemacht habe, und der Géza von Cziffra. Das gab es aber auch am Theater. Am liebsten hatten sie es, wenn man den Vertrag abends unterschrieb.

profil: Sind die Männer im Lauf der Jahre besser geworden?
Mangold: Noch vor einem Jahr hat mich ein 62-jähriger Deutscher angerufen, der unbedingt mit mir zusammensein wollte.

profil: Was haben Sie gemacht?
Mangold: Ich habe ihn getroffen. Meine Freundinnen haben gesagt: "Um Gottes willen, geh nirgends mit ihm alleine hin.“ Ich hab gemeint: "Er wird mich schon nicht umbringen.“ Er war dann ganz entsetzt, weil ich beim ersten Treffen über die Steuern gesprochen habe. Er hat geglaubt, wir machen jetzt "Herzblatt“. Na, dann war es eh aus. Natürlich war er auch verheiratet und hatte zwei Söhne.

profil: Finden Sie den Begriff "Emanze“ diskriminierend?
Mangold: Der Begriff fällt ja nur, wenn einem Mann gar nichts anderes mehr einfällt. Die Frauen nennen sich heute nicht mehr so. Sie sagen nicht mehr, sie hätten sich emanzipiert. Das ist vorbei.

profil: Das ist vorbei?
Mangold: Ja, man ist selbstständig. Alles hat sich verändert, man muss nicht mehr darüber sprechen, wenn man selbstbewusst ist.

profil: Hat Ihnen Johanna Dohnal gefallen?
Mangold: Sie hat mir vor allem sehr leid getan. Sie musste viel kämpfen. Dohnal hat sicher einiges erreicht, aber leicht hatte sie es nicht.

profil: Gegen die Männer?
Mangold: Gegen alle. Es gab sicher auch Frauen, die darüber gelacht haben. Heute ist es anders. Heute ziehen sich Frauen Strapse an, kaufen sich tolle Unterwäsche und müssen deshalb nicht unbedingt mit einem Mann schlafen. Sie kaufen sich das für sich selbst, weil sie es hübsch finden.

profil: Haben Sie sich selbst immer gleichberechtigt gefühlt?
Mangold: Im Job schon. Ich war schon mit 21 ziemlich selbstbewusst und erwachsen. Aber finanziell muss ich mich bis heute ärgern, weil Männer immer noch besser bezahlt werden als Frauen.

profil: Auch für die gleichen Rollen?
Mangold: Na sicher, was glauben Sie? Man sagt sich ja inzwischen gegenseitig, wie viel man bekommt. Da ist man nicht mehr so blöd wie früher.

profil: Zu Ihrem 80. Geburtstag schrieb die APA, Sie seien "eine engagierte Zeitzeugin mit dem Herz am linken Fleck“. War das politisch gemeint?
Mangold: Sicher, ich war immer Sozialdemokratin. Aber man kann heute die Sozialdemokraten nicht mehr wählen.

profil: Warum?
Mangold: Entschuldigen Sie, Sie kennen ja unsere Regierung. Es ist mir einfach nicht mehr möglich. Ich habe dann die Grünen gewählt. Die waren mir dann auch nicht mehr so lieb, darum habe ich zuletzt die NEOS gewählt. Das war aber ein bisschen ärgerlich, weil ich lieber eine soziale als eine liberale Wirtschaft habe. Ich hoffe, dass die NEOS jetzt etwas in der Bildungspolitik weiterbringen.

profil: Gibt es gar keinen Politiker, der Ihnen imponiert?
Mangold: Die NEOS haben mir gefallen, weil sie jung sind und sich für Bildung einsetzen. Das war für mich entscheidend. Auch Hannes Androschs Bildungsvolksbegehren habe ich toll gefunden. Es ist grauenhaft, dass da nichts passiert. Unglaublich, dieser Stillstand! Es geht nicht vorwärts, sondern immer zurück.

profil: Seit 1986 scheiden sich die Geister an der FPÖ. Wie sehen Sie deren Politik?
Mangold: Sie ist furchtbar. Man ist immer wieder erstaunt, wie viele Menschen es gibt, welche die vereinfachte Argumentation der FPÖ gut finden. Im Grunde ist sie sehr primitiv. Die FPÖ ist schrecklich.

profil: Sie traten am Life Ball 2006 als Model der Marke Diesel auf. Als Gaudi oder als politische Botschaft?
Mangold: Es hat mir wahnsinnig gefallen, weil es bei den Visagisten und den Friseuren hinter der Bühne so international war. Man hatte das Gefühl, man sei nicht in Wien. Ich war begeistert. Ich finde gut, was Gery Keszler macht. Ich glaube, er ist sehr anständig.

profil: Glauben Sie, dass Homosexuelle in Österreich noch immer diskriminiert werden?
Mangold: Ja sicher, von der ÖVP. Es ist zum Beispiel lächerlich, ihnen die Möglichkeit nicht zu geben, Kinder zu adoptieren. Bei der Diskussion "Im Zentrum“ sagte kürzlich eine Familiensprecherin der Kirche Familie sei nur Vater, Mutter, Kind. Wie kann man so etwas sagen? Es gibt wunderbare Kinder, die mit zwei Frauen oder zwei Männern aufwachsen. Oder mit einer Frau oder mit einem Mann.

profil: Glauben Sie, dass der Sieg von Conchita Wurst beim Song Contest dazu beiträgt, Vorurteile abzubauen?
Mangold: Das hat einen kleinen Ausschlag gegeben, aber geändert hat sich dadurch nicht viel. Die Leute freuen sich, dass der Song Contest nach Österreich kommt. Viel mehr ist nicht dahinter.

profil: Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Mangold: Ich bin mit 22 aus der Kirche ausgetreten, weil der Pfarrer unbedingt von mir wissen wollte, wie ich das mit der Liebe halte und was ich dabei mache. Da sagte ich "Auf Wiedersehen“ und bin gegangen. Die Kirche interessiert mich nicht. Ich habe meinen eigenen Glauben.

profil: Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Mangold: Nein. Das ist Blödsinn. Nachher ist nichts mehr. Vielleicht bin ich dann eine blöde Fliege oder irgendwas anderes.

profil: Wären Sie gern eine Fliege?
Mangold: Nein, das wäre mir fad. Aber es könnte auch ein Schmetterling sein oder eine Libelle. Die sind hübscher. Für mich ist das Leben nach dem Tod kein Anreiz. Für mich ist klar, dass es dann aus ist, und das ist okay. Mich gibt es dann nicht mehr, ich bin dann nicht mehr da.

profil: Welche Rollen werden Sie vorher noch spielen?
Mangold: 2015 spiele ich bei Schottenberg am Volkstheater das Stück "Haben“ des ungarischen Schriftstellers Julius Hay. Inszenieren wird es jener ungarische Regisseur, der vom rechtsradikalen Viktor Orbán rausgeschmissen wurde. Darauf freue ich mich. Und auf den "Sommernachtstraum“, ebenfalls bei Schottenberg, freue ich mich besonders. Da spiele ich wieder den Puck, das ist eine Rolle, die ich sehr mag. Ich spiele gern Gnome. Da habe ich die Chance, mein Alter einzubringen und gleichzeitig die Spitzbübigkeit, die ich auch noch habe.

Zur Person
Erni Mangold, 87. Im Weinviertel geboren, in Wien aufgewachsen, in Deutschland Karriere gemacht - heute lebt die Schauspielerin im nieder-österreichischen Waldviertel. Ihre Laufbahn begann vor 68 Jahren. In ihrem jüngsten Film "Der letzte Tanz“ (Regie: Houchang Allahyari) spielt Erni Mangold die erste Sexszene ihres Lebens.

Die weiteren Sommergespräche lesen Sie hier:
Mit Jedermann-Darsteller Cornelius Obonya über ein moderneres Kirchenbild, den schlechten Ruf der Politik und das Leben in einer Schauspielerfamilie.

Mit TV-Legende Peter Rapp über sein fünftes Comeback, die NS-Vergangenheit seines Vaters und seine irrtümlichen Auftritte bei einer FPÖ-Veranstaltung.