Ex-Judoka Seisenbacher nach Festnahme in Kiew vor Auslieferung

Justizministerium verweist auf "gute Zusammenarbeit" mit Ukraine und "unkomplizierte Abwicklung vergleichbarer Fälle" - Ex-Judoka war seit 14. Dezember durchgehend in der Ukraine.

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Nach der Festnahme des Judo-Doppelolympiasiegers Peter Seisenbacher, gegen den in Wien ein Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen anhängig ist, in Kiew dürfte die vom Landesgericht beantragte Auslieferung des Justizflüchtlings Formsache sein. Die entsprechenden Modalitäten sind im Europäischen Auslieferungsübereinkommen geregelt, dem auch die Ukraine beigetreten ist.

"Die Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der Ukraine ist gut. Die Abwicklung vergleichbarer Fälle erfolgt in der Regel unkompliziert", hieß es auf APA-Anfrage am Mittwoch aus dem Justizministerium. Die Ukraine bewilligt die Auslieferung ausländischer, zur Strafverfolgung ausgeschriebener Verdächtiger dann, wenn ihnen vom ersuchenden Staat strafbare Handlungen vorgeworfen werden, die mit mehr als einem Jahr Haft oder "schwerer Strafe" bedroht sind. Das trifft auf Seisenbacher zu, der sich als Trainer in einem Wiener Judo-Verein an zwei Mädchen vergangen haben soll. Dafür sieht das Strafgesetzbuch einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren vor.

Ein weiteres Auslieferungshindernis wäre gegeben, wenn - wie es in einem Vorbehalt der Ukraine zum Auslieferungsübereinkommen heißt - die betreffende Person "im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand nicht ohne Schaden für ihre Gesundheit ausgeliefert werden kann". Hinweise auf eine Erkrankung oder schwerwiegende Beeinträchtigung des 57-jährigen Ex-Sportlers liegen derzeit nicht vor.

Die Dauer bis zur tatsächlichen Übergabe kann nicht abgeschätzt werden

Wie viel Zeit verstreichen wird, bis seitens der ukrainischen Behörden eine Entscheidung über das Wiener Auslieferungsersuchen vorliegt, ist unklar. "Die Dauer bis zur tatsächlichen Übergabe kann nicht abgeschätzt werden, zumal diese maßgeblich davon abhängt, ob die auszuliefernde Person mit rechtlichen Mitteln gegen die Auslieferung vorgeht oder dieser zustimmt", so Rudolf Jocher, amtierender Ressort-Mediensprecher im Justizministerium. Am Zug ist jetzt das Bezirksgericht Kiew-Petschersk , das vermutlich morgen, Donnerstag, festlegen wird, ob Seisenbacher in Auslieferungshaft genommen wird. Die Haftfrage muss innerhalb einer Frist von 48 Stunden ab erfolgter Festnahme geklärt werden. Laut ukrainischer Strafprozessordnung können in Auslieferungsfällen zunächst bis zu 40 Tage Haft verhängt werden.

Ich bin davon genauso überrascht worden wie alle anderen

Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer geht davon aus, dass "relativ zügig" entschieden wird, ob der Ex-Judoka den Wiener Behörden zur Strafverfolgung übergeben wird. Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat die entsprechenden Unterlagen bereits nach Kiew übermittelt. Auch für Lehofer war der Doppelolympiasieger seit vergangenem Dezember von der Bildfläche verschwunden, als Seisenbacher kurz vor seinem geplanten Prozess untertauchte. "Ich habe seit damals null Kontakt gehabt", so der Grazer Rechtsanwalt im Gespräch mit der APA. Erst unmittelbar nach Seisenbachers Festnahme hörte Lehofer wieder von seinem Mandanten - in Form eines kurzen Telefonats, das dem 57-Jährigen von der ukrainischen Polizei zugebilligt wurde. "Ich bin davon genauso überrascht worden wie alle anderen", betonte Lehofer.

Was Seisenbacher letztlich nach Kiew geführt hat und wie dieser die sieben Monate seiner Flucht zugebracht hat, konnte sein Verteidiger nicht beantworten. Fest steht, dass sich Seisenbacher bereits Wochen vor seinem Prozess-Termin nicht mehr in Aserbaidschan aufgehalten hatte, wo er zuletzt als Trainer der Judo-Nationalmannschaft tätig gewesen war. Er hatte sich nach Georgien begeben, ehe er am 14. Dezember - fünf Tage vor seiner Hauptverhandlung in Wien - einen Flieger nach Kiew nahm. Seither hielt er sich "ohne weitere Reisebewegungen" durchgehend in der Ukraine auf, wie die Sprecherin des Bundeskriminalamts (BK), Silvia Kahn, der APA bestätigte. Die Festnahme, zu der zwei Verbindungsbeamte des Innenministeriums in Tiflis und Kiew sowie die BK-Zielfahnder wesentlich beitrugen, dürfte Seisenbacher völlig unvorbereitet getroffen haben. Als ein Spezialkommando der ukrainischen Polizei an seiner Wohnung auftauchte und den internationalen Haftbefehl vollzog, war er nur mit einer Unterhose bekleidet.