profil-Morgenpost

Fernweh und Heimweh

In der profil-Morgenpost geht es heute um Sehnsüchte. Das Verlangen vieler Migranten nach der Familie „unten“ und David Alabas Streben ins Mittelfeld.

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Sevgi und Ali - so heißen meine Neffen. Sevgi wird bald ein Jahr alt. Er ist äußerst lebendig und liebt es, seiner Mutter die Kürbisse aus Omas Garten stückweise in den Mund zu stecken. Ali ist erst ein paar Wochen alt, hat riesige Backen und einen recht grantigen Blick - fast wienerisch. Beide leben in der Türkei. Ich kenne sie nur von Fotos, Videos und Erzählungen. Im Sommer 2019 habe ich meine Familie das letzte Mal in Sakarya am Schwarzen Meer besucht. Mein Heimweh oder Fernweh, wie auch immer man es bezeichnen möchte, ist mittlerweile drückend. Und damit bin ich nicht alleine.

Corona verwehrte es vielen Menschen mit Migrationsbiographie, ihre Familien außerhalb Österreichs zu besuchen. Auch wenn es politisch so rüberkam, als hätten wir alle „das Virus“ von unten wieder heim nach Österreich „eingeschleppt“, ist es bei sehr vielen über ein Jahr her, dass sie ihre Angehörigen physisch gesehen haben. Für den profil-Artikel „Ein Jahr ohne Heimat“ habe ich mit elf Menschen darüber gesprochen, wie sich das anfühlt. Sie können es sich denken: Nicht gerade gut. Denn ein Jahr ohne Heimat bedeutet Sehnsucht, Ungewissheit und die Angst, ältere Angehörige vielleicht nie wieder zu sehen.

Alaba will mehr

Einer, der mit dem Begriff Sehnsucht auch bestimmt viel verbindet, ist David Alaba. Österreichs Vorzeige-Kicker und Star des FC Bayern lebt schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr in seiner Heimatstadt Wien. Und nun zieht er von Bayern weg - zu groß ist die Sehnsucht nach mehr. Dem „Goldjungen“ ist seine Rolle beim deutschen Rekordmeister nicht mehr genug, die Wertschätzung seitens des Vereins zu gering. Und als Verteidiger möchte er auch nicht mehr spielen, sondern ins Mittelfeld. Warum? Nun, weil…. Ach, das lassen Sie sich lieber von Gerald Gossman erklären. Die Spielerpositionen übersteigen doch ein bisschen meine Kompetenz.

Suche nach Unwissenheit

Weitere Kompetenzlücken traten beim profil-Quiz „Treten Sie zurück“ im aktuellen Heft schmerzhaft zu Tage. Viele Skandale datieren vor meiner Geburt, Stichwort „Briefbogen-Affäre“. Eines wird bei diesem Quiz schnell klar: Die Sehnsucht nach einer alten Zeit, in der alles viel weniger korrupt war, wäre verfehlt.

Ich wünsche Ihnen für dieses Jahr ganz viel Heimat und Geborgenheit, wo immer Sie diese finden.

Naz Kücüktekin

PS.: Gibt es etwas, das wir an der Morgenpost verbessern können? Das Sie ärgert? Erfreut? Lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Naz Kücüktekin

Naz Kücüktekin

Im Juni 2021 zu Kurier und "Mehr Platz" dazugestoßen. Davor: Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie journalistische Tätigkeit für diverse Medien (profil, biber, Wiener Bezirkszeitung) Kritik oder Anregungen gerne an [email protected]