Morgenpost

Finale bei SPÖ-Mitgliederbefragung: Ständige Mobilisierung

Die SPÖ beendet heute ihre Mitgliederbefragung um den SPÖ-Vorsitz. Warum nur? Die Regierung widmet sich erneut der Teuerung.

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Manche wollen, dass sie niemals endet, diese SPÖ-Mitgliederbefragung. Genüsslich urteilen über die Sozialdemokraten, ORF-III Gesprächsrunden am Abend, ständig Streit und Diskussion. Für alle Fans und Nörgler: Heute ist dann zumindest mit der Abstimmung Schluss, bis 23:59 Uhr ist diese für SPÖ-Mitglieder noch möglich. Aber keine Sorge, Sie verpassen nichts, wenn Sie denn morgen lange schlafen. Ein Ergebnis soll es erst am 22. Mai geben. Bis dahin wird gesichtet und gezählt, die Wahlkommission hat zu tagen. Und selbst dann: Finale Wahl am Parteitag Anfang Juni. Auf den ersten Blick weiter eine chaotische Situation.

Für die SPÖ wurden mit jedem Tag in dieser Auseinandersetzung, mit jedem Post auf Social Media, mit jeder Äußerung die Gräben tiefer. Schwer vorstellbar scheint es jetzt, wie man hier Einigkeit herstellen kann. Doch auch in der Vergangenheit gab es bittere Grabenkämpfe in der Sozialdemokratie - und manchmal wurde die siegreiche Person (Kreisky, Gusenbauer, Kern) dann auch Kanzler. Und auch nach scharf geführten Wahlkämpfen auf Landes- oder Bundesebene finden so manch unmöglicher Partner wie in Niederösterreich oder Salzburg zusammen. Die Wahlkampf-Zeiten “fokussierter Unintelligenz” (Copyright Michael Häupl) gehen auch wieder vorbei.

Intensiv war der Wahlkampf online: Gepunktet hat hier Andreas Babler auf Social Media, mit enormer Reichweite und einer professionellen Kampagne. Manche Videos auf Twitter oder Facebook wurden von zehntausenden Menschen gesehen. Meine Kollegin Lena Leibetseder hat sich die Zahlen genau angeschaut: Babler liegt hier mit großem Abstand vorne.

Aber das Publikum in den sozialen Medien ist alles, nur nicht deckungsgleich mit den SPÖ-Mitgliedern (Durchschnittsalter 63 Jahre, wir erinnern uns). Und es sind sich alle einig: Bei der Mitgliederbefragung ist eine seriöse Prognose nicht möglich. Gute Werte auf Social Media sind da erstmal egal. Die alten und die neuen Mitglieder sind eine unberechenbare Größe, keine Vergleichswerte vorhanden.

Was von den inhaltlichen Positionen der SPÖ-Vorsitz-Kandidaten einem Faktencheck standhält, hat sich Katharina Zwins angeschaut. Rendi-Wagners Angaben zu Kinderarmut? faktiv-Urteil: Unbelegt. Bablers 32-Stunden-Rechnung? Irreführend. Doskozils Mindeslohnpläne? Sehr teuer für private Unternehmen. Alle Faktenchecks finden Sie - wie üblich auch - unter profil.at/faktiv.

Noch ist unklar, ob der Konflikt um den SPÖ-Vorsitz die Partei auf Bundesebene in Richtung Bedeutungslosigkeit führt (schlag nach bei der französischen Schwesterpartei PS). Oder zurück ins Kanzleramt (wie die SPD in Deutschland). Eines ist der SPÖ durch die Vorsitzdebatte aber gelungen: die Basis wurde repolitisiert, Kampagnen-Teams entstanden, zum ersten Mal seit Jahrzehnten wuchs die Zahl der Mitglieder. Im letzten Monat führten Babler, Doskozil und Rendi-Wagner das Medien-Ranking mit den meisten Erwähnungen an. Da hilft auch die Gipfel-Politik der Bundesregierung nichts. Und mit dem Thema Teuerung liegt ein Thema bereit, dass eine ständige Mobilisierung bis zur nächsten Nationalratswahl über die Mitgliederbefragung hinaus ermöglicht.

Dass das Thema Teuerung Sprengkraft hat, ist auch der Regierung mittlerweile bewusst: Die schwarz-grüne Koalition will sich im heutigen Ministerrat dem Thema erneut widmen, ein Paket im Bereich Energie und Lebensmittel präsentieren

Einen guten Mittwoch!

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

war von Jänner 2022 bis Juni 2023 bei profil. Davor war er bei der Tageszeitung "Der Standard".