Finanzminister: „Beinhart gefällt mir nicht, aber streng muss ich sein“
Von Gernot Bauer und Marina Delcheva
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Herr Bundesminister, Sie haben davon gesprochen, dass den Österreicherinnen und Österreichern aufgrund der Budgetkonsolidierung zwei harte Jahre bevorstünden. Der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, sagt, es wäre irreführend, wenn die Regierung jetzt so tut, als ob die Welt bald wieder heil wäre. Führen Sie uns alle in die Irre?
Markus Marterbauer
Nein. Unser Sanierungspaket ist, wie wir sagen, frontloaded. Das heißt, die großen Maßnahmen passieren zu Beginn. Immerhin planen wir für 2026 ein Konsolidierungsvolumen von mehr als acht Milliarden Euro. Das heißt nicht, dass nicht weitere Maßnahmen notwendig sind, aber die großen, einschneidenden Schritte werden schon jetzt gesetzt. Wir müssen laufend die Rahmenbedingungen beobachten und auf Sicht fahren. Der Fiskalrat hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass auch langfristig budgetäre Herausforderungen gegeben sind, etwa in Zusammenhang mit der älter werdenden Gesellschaft.
Schlimmer als jetzt wird es also nicht mehr?
Marterbauer
Wir werden mit dem Doppelbudget noch nicht unter ein Defizit von drei Prozent des BIP kommen. Aber wir werden keine riesigen Konsolidierungspakete wie 2025 und 2026 mehr benötigen.
Also sind es doch bloß zwei harte Jahre. Dann waren alle, inklusive der Medien, hysterisch.
Marterbauer
Ich würde weder die Medien noch den Fiskalratspräsidenten hysterisch nennen. Ich bin selbst lang im Fiskalrat gesessen. Es ist gut, dass mahnende Stimmen auch weiterhin erhoben werden.
Mit der Budgetkonsolidierung steckt die Regierung nun so richtig im Realitätscheck. Die Honeymoon-Phase ist vorbei.
Marterbauer
Alle sind in der Realität angekommen, in jedem Ministerium wird gespart. Das sind zum Teil Einsparungsmaßnahmen, die über die Schmerzgrenzen hinausgehen. Es werden auch Vorhaben, die durchaus sinnvoll sind, aufgeschoben oder redimensioniert. In diesem Sinne sind wir in der Realität der knappen Kassen angekommen.
Realitäts-Check
"Wir sind in der Realität der knappen Kassen angekommen", sagt Finanzminister Markus Marterbauer. Die Staatskassen sind leer, die Schulden immer höher. Dabei bräuchte gerade jetzt eine deftige Finanzspritze, um die lahme Konjunktur wieder anzukurbeln.
Es soll in der Dreierkoalition ja ordentlich geknirscht haben.
Marterbauer
Ich habe die Politik bislang nur von außen beobachtet, aber ich glaube, es ist noch nie vorgekommen, dass so umfangreiche Einsparungen vorgenommen wurden, ohne dass die Auseinandersetzungen darüber in der Öffentlichkeit stattfanden. Das waren harte Verhandlungen, bei denen wir zum Teil auch aufgestanden und übereingekommen sind, dass wir besser zu einem späteren Zeitpunkt weiterreden.
Sie wirken so freundlich. Aber offenbar verfügen Sie über ausreichend Härte und Strenge im Umgang mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Regierung.
Marterbauer
Es geht gar nicht anders. Man kann nicht 8,7 Milliarden Euro 2026 einsparen, ohne dass es jemand merkt. Das ist schmerzhaft, aber mein Job ist es, das Budget zu sanieren. Und deshalb kann ich in dieser Frage gar nicht weich sein.
So schnell geht die Verwandlung vom Wissenschafter zum beinharten Minister.
Marterbauer
Das Wort „beinhart“ gefällt mir nicht, aber streng muss ich sein, sonst bringt man dieses Volumen nicht zusammen. Wir sanieren das Budget ja nicht um der Sanierung willen, sondern damit uns die Zinskosten nicht davonwachsen. Aber wir konsolidieren es primär, damit der Staat seine Aufgaben erfüllen kann, vom Kindergartenangebot bis zur Pflege. Wir versuchen, uns wieder jene Spielräume zu schaffen, die wir im Moment nicht haben.
Man muss aber auch die schlechte österreichische Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren ansprechen. Die Teuerungskrise haben wir im europäischen Vergleich schlechter bewältigt.
Finanzminister Markus Marterbauer
über die Performance der Vorgängerregierung während der Teuerungskrise
Wer aus der Vorgängerregierung trägt mehr Schuld an der Budgetmisere? Die ÖVP mit der „Koste es, was es wolle“-Politik, die schon während der Corona-Krise Milliarden ohne Gegenfinanzierung in die Wirtschaft gepumpt hat? Oder die Grünen, die ebenfalls Milliarden ohne Gegenfinanzierung für die grüne Transformation ausgegeben haben?
Marterbauer
Zunächst muss man sagen, dass wir heuer ohne Sanierungsmaßnahmen ein noch höheres Defizit als die geplanten 4,5 Prozent des BIP hätten. Wenn die Wirtschaft drei Jahre lang in der Rezession ist, dann wirkt sich das klarerweise auf die Staatseinnahmen aus. Man muss aber auch die schlechte österreichische Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren ansprechen. Die Teuerungskrise haben wir im europäischen Vergleich schlechter bewältigt.
Warum haben wir uns schlechter geschlagen?
Marterbauer
Auf die Covid-Krise hat die damalige Regierung mit Subventionen für die Unternehmen reagiert, in der Teuerungskrise mit Transfers an die privaten Haushalte. Das Budget wurde dadurch strapaziert, die hohe Inflation blieb trotzdem. Im Unterschied zu anderen Ländern wurde in Österreich nicht regulatorisch in die Preise eingegriffen. Die Steuersenkungen der vergangenen Jahre wie der Ausgleich der kalten Progression waren vielleicht im Einzelnen durchaus begründet, aber nicht gegenfinanziert. Dazu kam die schlechte Wirtschaftsentwicklung. All das hat bewirkt, dass das Budget völlig aus dem Ruder gelaufen ist.
Dem früheren Finanzminister Magnus Brunner fehlten offenbar die Härte und Strenge des Markus Marterbauer.
Marterbauer
Möglicherweise hat er zu selten Nein gesagt.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Marterbauer gilt als linker Ökonom und Keynsianer. Jetzt muss er genau das tun, was er jahrelang kritisiert hat: sparen in der Krise. "Eigentlich ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das Budget zu sanieren. Wir müssen es dennoch tun, weil sonst die Gefahr viel zu hoch ist, dass unsere Zinssätze und damit unsere Zinslast weiter steigen", sagt er im profil-Interview.
Als überzeugter Keynesianer müssten Sie jetzt mit höheren Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln. Stattdessen haben Sie die undankbare Aufgabe, ein massives Sparpaket zu schnüren.
Marterbauer
Eigentlich ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das Budget zu sanieren. Wir müssen es dennoch tun, weil sonst die Gefahr viel zu hoch ist, dass unsere Zinssätze und damit unsere Zinslast weiter steigen. Ein Prozentpunkt mehr auf unsere Staatsschuld kostet uns mittelfristig vier Milliarden Euro. Damit kann man 80.000 bis 100.000 Pflegekräfte oder Elementarpädagogen anstellen. Das Sparpaket ist aber durchaus konjunktur- und beschäftigungsschonend. Wir sparen viel Geld ein, aber wir betreiben keine Austeritätspolitik. Die erhöhte Stabilitätsabgabe der Banken hat null Effekte auf die Konjunkturentwicklung, der Energiekrisenbeitrag der Versorger maximal einen geringen.
Na ja, wenn jetzt Investitionen wie etwa in den Ausbau der Bahn oder Renovierungen von Bahnhöfen verschoben werden, hat das schon einen negativen Effekt auf die Konjunktur.
Marterbauer
Es gibt sicher eine Reihe von investiven Bereichen, die konjunkturrelevant sind. Ich kann aber nicht acht Milliarden im kommenden Jahr konsolidieren, ohne dass die Wirtschaft das merkt. Doch unser Bemühen, die Konjunktur möglichst zu schonen, ist massiv.
Bis zum Ende der Legislaturperiode 2029 wird das flexible Drittel der kalten Progression nicht mehr ausbezahlt. War ihre Abschaffung durch Schwarz-Grün ein Fehler?
Marterbauer
Im Nachhinein gesehen war es natürlich ein Fehler, die kalte Progression ohne eine Gegenfinanzierung auszugleichen. Das kostet Milliarden, gerade bei hohen Inflationsraten.
Die Regierung wird auch die automatische Valorisierung der Familienleistungen aussetzen. Welche davon sind betroffen?
Marterbauer
Die Anpassung bei hoher Inflation war sinnvoll, aber wir können uns viele dieser Maßnahmen einfach nicht mehr leisten. Und wichtig ist: Die Familienleistungen bleiben erhalten. Wir heben sie nur nicht weiter an. Aus meinem Ressort betrifft das den Kinderabsetzbetrag.
Das heißt, auch Sozialhilfe und Mindestsicherung könnten in der Folge vielleicht nicht mehr oder nicht mehr komplett an die Inflation angepasst werden. Allgemein müssen Sparmaßnahmen bei den untersten Einkommen Ihnen als Sozialdemokrat besonders wehtun.
Marterbauer
Als Sozialdemokrat stört mich natürlich, wenn untere Einkommen stark betroffen sind, deshalb versuchen wir, die Einschnitte für die untersten Einkommen oder Armutsbetroffenen wieder abzumildern. Eine der am stärksten von Armut betroffenen Gruppen sind die Alleinerziehenden. Hier planen wir Hilfen in Zusammenhang mit dem Unterhaltsvorschuss. Die größten Härten versuchen wir abzufedern.
Es kann ein Sparpaket nicht so gestaltet sein, dass die breite Masse der Bevölkerung nichts merkt. Alle werden es spüren.
Markus Marterbauer
stimmt alle Bevölkerungsgruppen auf Einschnitte ein.
Und die Mittelschicht zahlt wieder drauf.
Marterbauer
Es kann ein Sparpaket nicht so gestaltet sein, dass die breite Masse der Bevölkerung nichts merkt. Alle werden es spüren. Und ich glaube, dass dies ein bisschen auch das Erfolgsgeheimnis ist. Eine Budgetsanierung kann nur funktionieren, wenn die Menschen sich sicher sein können, dass alle betroffen sind. Und dass die Sanierungslasten gerecht verteilt sind. Das sind die politischen Voraussetzungen, damit das Sanierungspaket, so hoffe ich jedenfalls, Unterstützung in der breiten Bevölkerung findet.
In Ihrer Budgetrede am 13. Mai müssen Sie auch gute Laune verbreiten und die Zuversicht stärken, damit die Österreicher wieder mehr konsumieren.
Marterbauer
Ich teile die Einschätzung, dass eines unserer zentralen Probleme die enorme Verunsicherung ist. Die Haushalte haben wieder das verfügbare Einkommen wie vor der Teuerung erreicht. Aber der Konsum bleibt relativ schwach, und die Sparquote steigt. Das gilt auch für die Unternehmen. Diesen geht es von der Liquiditätssituation her nicht so schlecht. Aber sie investieren nicht. Das ist ein Riesenproblem. Allerdings fehlt dem Staat das Geld, um Konsum und Investitionen zu fördern.
Das heißt, der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, jammert ein bisschen zu viel für Ihren Geschmack.
Marterbauer
Natürlich gibt es einen Rückgang der Industrieproduktion. Wenn ich die Standortqualität beurteilen will, sollte ich aber nicht nur auf die vergangenen zwei, drei Jahre schauen. Die österreichische Industrie hat sich in den vergangenen 20, 25 Jahren enorm entwickelt. Unsere Industrieproduktion liegt um mehr als 60 Prozent höher als im Jahr 2000, die deutsche bloß um 15 Prozent. Wir haben einen starken Industriestandort, der jetzt zweieinhalb Jahre in der Rezession war.
Also jammert die Industrie auf hohem Niveau?
Marterbauer
Wir jammern auf hohem Niveau, und ich bin angesichts der nunmehrigen zarten Erholung eigentlich sehr zuversichtlich, was die industrielle Entwicklung betrifft.
Das gesamtstaatliche Defizit wäre ohne die Schulden der Länder und Gemeinden deutlich geringer. Wo genau sollen die Gebietskörperschaften jetzt sparen?
Marterbauer
Ich werde den Ländern und Gemeinden nicht öffentlich ausrichten, wo sie zu sparen haben. Aber wir verhandeln ab Juni im Stabilitätspakt, wie der Defizitpfad von Ländern und Gemeinden aussehen kann. Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung trifft alle Gebietskörperschaften. Vor allem die Gemeinden haben rasch wachsende Ausgaben bei Pflege, Kindergärten, Personal und Energie.
Können sich die Gemeinden die flächendeckende Kinderbetreuung noch leisten?
Marterbauer
Der flächendeckende Ausbau der Kindergärten ist eines der wichtigsten Projekte. Nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch. Beim zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr stellt der Bund Zusatzmittel zur Verfügung. Aber dennoch bleibt die Finanzsituation vieler Gemeinden angespannt. Und die Bürger merken das Funktionieren des Staates ja vor allem auf der Ebene der Gemeinde: bei den sozialen Diensten, beim Kindergarten, bei der Nachmittagsbetreuung in der Schule, beim Freibad. Dort wird der Wohlfahrtsstaat wahrgenommen.
Sie schlagen vor, den kleinen Gemeinden die Volksschulen zu sperren und mit Schulen in Nachbargemeinden zusammenzulegen.
Marterbauer
Wie gesagt, ich mache keine öffentlichen Zurufe. Aber Fakt ist, dass es für kleine Gemeinden irrsinnig teuer sein kann, Schulen mit nur wenigen Kindern aufrechtzuerhalten. Wenn man das mit den Nachbargemeinden besser koordiniert, wird es vielleicht billiger, und man kann zusätzlich die Nachmittagsbetreuung anbieten, und allen wäre geholfen.
Die Vorgängerregierung hat bereits die Lohnerhöhungen für den öffentlichen Dienst für 2026 festgelegt. Aus Sicht des Fiskalrats war das „keine gute Idee“. Es gibt schon Debatten, den Abschluss wieder aufzuknüpfen, vielleicht im Herbst mit den nächsten Verhandlungen.
Marterbauer
In Österreich ist es ein großer Vorteil, dass die Löhne kollektivvertraglich verhandelt werden. Nur so kann man auf die gesamte Wirtschaft Rücksicht nehmen. Dieser zweijährige Abschluss der letzten Regierung für den öffentlichen Dienst ist deshalb nicht besonders passend gewesen, weil sie davon ausgegangen ist, dass es 2025 und 2026 einen Aufschwung geben wird. Würde man erst heuer die Bezüge für nächstes Jahr verhandeln, hätte man das beachten können. Aber es ist nun mal so, wie es ist.
Also werden Sie die Löhne nicht neu verhandeln?
Marterbauer
Wir werden einen guten Austausch mit den Interessenvertretungen der öffentlich Beschäftigten führen. Dort war, wenn man sich die Vergangenheit anschaut, die Einsicht immer sehr groß.
Die Gewerkschaft wird vor Ihrem Ministerium aufmarschieren, wenn Sie im öffentlichen Dienst niedrige Lohnabschlüsse durchdrücken wollen.
Marterbauer
Der öffentliche Dienst hat seine Verantwortung bei notwendigen Budgetkonsolidierungen immer wahrgenommen. Wenn man mit gegenseitiger Wertschätzung in die Verhandlungen geht, wird es eine Lösung geben.
Pensionsprobleme?
"Wir haben kein langfristiges Problem bei der Pensionsfinanzierung, sondern aufgrund der schlechten Wirtschaftsentwicklung kurzfristig in dieser und der nächsten Legislaturperiode. Die Einnahmen aus den Beiträgen der Versicherten hängen an der Beschäftigung und den Einkommen", meint der Finanzminister im Interview. Dem würden einige andere Ökonomen wohl widersprechen.
Was das Budget enorm belastet, sind die Zuschüsse des Staates zu den Pensionen. Nun gibt es erste Reformen bei der Korridorpension. Aber ganz ehrlich: Müssen wir nicht schlicht länger arbeiten, um uns unser Pensionssystem leisten zu können?
Marterbauer
Wir haben kein langfristiges Problem bei der Pensionsfinanzierung, sondern aufgrund der schlechten Wirtschaftsentwicklung kurzfristig in dieser und der nächsten Legislaturperiode. Die Einnahmen aus den Beiträgen der Versicherten hängen an der Beschäftigung und den Einkommen. Der Bundeszuschuss steigt merklich, das ist ein Problem. Deshalb finde ich es richtig, dass jetzt Maßnahmen wie in der Korridorpension ergriffen werden, die kurzfristig wirken. Wir führen eine Teilpension ein, die Einsparungen bringt, weil die Leute gleichzeitig erwerbstätig und in Pension sein können, also auch länger einzahlen. Im internationalen Vergleich wird unser Pensionssystem bewundert, weil es eine gute Absicherung garantiert. Wer aber unser System schätzt, muss auch auf die Finanzierbarkeit achten. Primär müssen wir die Beschäftigungsquoten bei den Älteren massiv erhöhen.
Das wird oft angekündigt, gelingt aber nie.
Marterbauer
Nehmen wir die 60- bis 64-Jährigen: Im Jahr 2000 hatten wir in dieser Altersgruppe eine Beschäftigungsquote von zehn Prozent. Heute sind es 34 Prozent. Wir brauchen den gleichen Sprung noch einmal, um auf das Niveau der skandinavischen Länder mit einem Anteil von bis zu 70 Prozent zu kommen. Dafür sollten wir aber kürzer als 25 Jahre brauchen. Das bringt 100.000 Leute mehr auf den Arbeitsmarkt, lindert die Arbeitskräfteknappheit und führt dazu, dass mehr Leute ins System einzahlen.
Sie haben 17 Jahre lang Wirtschaftsprognosen berechnet. Ihr Vorgänger Magnus Brunner hat sich angesichts des explodierenden Defizits auf die immer wieder nach unten korrigierten Prognosen der Wirtschaftsforscher herausgeredet. Glauben Sie denn Ihren Ex-Kollegen beim WIFO und beim IHS, was die Wirtschaftsaussichten für heuer anbelangt?
Marterbauer
Ich habe zu lange Wirtschaftsprognosen gemacht, ich weiß, wie schwierig es ist, das nächste Jahr gut prognostizieren zu können, insbesondere in den Trump-Zeiten. Die Entwicklung ist nicht wirklich vorhersehbar, deshalb muss man auf Sicht fahren. Beim Budget wollen wir auf der vorsichtigen Seite bleiben. Ich halte es aber für gut und richtig, dass in Österreich die Budgetmaßnahmen auf Basis externer Prognosen gemacht werden.
Was hält denn der österreichische Finanzminister von Bitcoin?
Marterbauer
Nicht besonders viel. Als Ökonom, der sich in der Vergangenheit mit Finanzkrisen auseinandergesetzt hat, weiß man, dass solche unregulierten Finanzmärkte eine der Ursachen von Krisen sein können. Man sieht es an den enormen Kursschwankungen von Bitcoin. Wenn diese Kryptowährungen ein kleines Segment bleiben, in dem sich irgendwer ein Kasino aufbaut, ist das nicht störend. Ich bin ein Fan des Euro und nicht des Bitcoin.
Ist Bitcoin Teufelszeug?
Marterbauer
Teufelszeug? Würde man sagen, die Eröffnung eines Kasinos ist Teufelszeug? Nein. Wenn die Leute gern auf ein Fußballspiel wetten oder Roulette spielen, warum nicht? Aber wenn man darauf ein Weltwährungssystem aufbauen würde, wäre es extrem gefährlich.
Waren Sie eigentlich am 1. Mai beim Aufmarsch der SPÖ am Wiener Rathausplatz?
Marterbauer
Sicher, wie jedes Jahr.
Aber diesmal waren Sie zum ersten Mal vorn auf der Bühne mit der Parteispitze und den SPÖ-Regierungsmitgliedern?
Marterbauer
Nein, ich war nicht auf der Bühne. Ich bin mit meiner Gruppe in meinem Bezirk losgegangen, wie immer. Wir haben uns einen guten Platz gesucht, um die Reden zu hören. Ich wusste gar nicht, dass ich irgendwo anders hinmuss.
Viele neue Minister zieht es sofort auf die Bühne. Sind Sie so uneitel?
Marterbauer
Uneitel bin ich tatsächlich.

Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.

Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".