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„Gecko“-Leiter Striedinger: "Zwangsmaßnahmen bleiben möglich"
In der Pandemie-Politik herrscht blankes Chaos. "Gecko"-Krisenkoordinator Rudolf Striedinger versucht, den Überblick zu bewahren
profil: Der Ukraine-Krieg dominiert die öffentliche Debatte. Ist die Pandemie vorbei?
Striedinger: Die Bilder aus den Spitälern oder die täglichen Corona-Statistiken sind dadurch weniger präsent. Aber die Pandemie ist ganz und gar nicht vorbei. Wir gehen von einem ruhigen Sommer aus, bereiten uns aber intensiv auf die Covid-Saison im Herbst vor.
profil: Zuletzt wurden rund 50.000 Neuinfektionen pro Tag registriert. Ein absoluter Rekord. Waren die weitreichenden Öffnungsschritte am 5. März zu voreilig?
Striedinger: Die Öffnungsschritte basierten auf einer klaren Vorstellung, wie sich diese Pandemie in einem gewissen Zeitraum weiterentwickelt. Die aktuelle Entwicklung entspricht weitgehend den Prognosen. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn es ab 5. März einen deutlichen Abschwung bei den Neuinfektionen gegeben hätte. Aber diese Kennzahl tritt zunehmend in den Hintergrund. Entscheidend sind die Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Und dort ist die Lage mit deutlich unter 200 Personen extrem stabil. Hier bewegen wir uns auf einem Niveau vergleichbar mit Jahren vor Corona.

Generalmajor Rudolf Striedinger, Leiter der Corona-Krisenkoordination „Gecko“
profil: Die Ampel-Kommission, ein Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums, fordert bereits wieder strengere Maßnahmen zur Corona-Prävention. Die „Ampel“-Vorsitzende Katharina Reich leitet mit Ihnen gemeinsam auch die Krisenkoordination im Bundeskanzleramt, kurz „Gecko“ genannt. Sehen Sie als Co-Vorsitzender der Gecko weiterhin keinen Anlass, die Öffnungsschritte vom 5. März zu überdenken?
Striedinger: Nein. Die Corona-Kommission hält ja ebenfalls in ihrem aktuellen Bericht fest, dass die Belegung sowohl der Intensivstationen als auch der Normalbetten „nahe an der Prognose“ liegt. Die Belegung der Intensivstationen ist in drei Bundesländern leicht über der Prognose und in zwei sogar unter der Prognose. Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist in keinem Bundesland absehbar.
profil: Der Patientenzuwachs auf den Normalstationen bereitet Ihnen keine Sorge?
Striedinger: Auch hier sind wir deutlich entfernt von einer kritischen Situation. Wir befinden uns zwischen dem ersten und dem zweiten von insgesamt drei Schwellenwerten, die wir eingezogen haben.
profil: Und die täglich bis zu 50 neuen Toten?
Striedinger: Jeder Tote ist einer zu viel, deshalb ist die Impfung so wichtig. Diese Fälle stammen zudem noch aus der Zeit vor den Öffnungsschritten.
profil: Wann bricht in Österreich die Omikron-Welle?
Striedinger: Wir rechnen im April mit einer markanten Abflachung.
Striedinger: Ich würde meinen, das liegt an der vorsichtigen Art und Weise, wie wir zunächst mit der Omikron-Welle umgegangen sind. Unser Ziel war ja, dass wir Erfahrungen sammeln können und die Infektionszahlen bis dahin nicht explodieren. Dadurch stieg die Welle bei uns langsam an und flacht jetzt langsamer ab. In anderen Ländern wie Großbritannien ging es steil bergauf und steil bergab.
profil: Welche Rolle spielt die Subvariante des Omikron-Virus BA.2?
Striedinger: Ohne diese Variante würden die Zahlen schon deutlich sinken. Aber auch sie wird in den nächsten Wochen auslaufen. Das Virus braucht Wirte. Und irgendwann ist die Menge von Personen, die eine gewisse Immunisierung haben, sowohl durch Impfung als auch durch Infektion, so hoch, dass dem Virus die Nahrung ausgeht.



Zur Person
Rudolf Striedinger, 60, ist Leiter der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko), gemeinsam mit der Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit Katharina Reich. Striedinger dient dem Bundesheer seit 1979 und ist Offizier im Rang eines Generalmajors. Der Vater von sechs Kindern leitete Auslandseinsätze in Bosnien, war Militärkommandant in Niederösterreich, Leiter des Abwehramtes sowie Stabschef von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP).