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Geleakte ÖVP-Konzepte enthielten auch unveröffentlichte Umfrage

Schon im Frühjahr 2016 wurden Sebastian Kurz’ Beliebtheitswerte in einer großen Umfrage abgetestet - Ausgangspunkt seines Kanzlerplans?

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Dieser Artikel erschien erstmals im profil Nr. 39 / 2017 vom 25.09.2017.

Zwei Parteien, ein Problem: Lecks. Während die SPÖ nach den von profil veröffentlichten Wahlkampf-Plänen - darunter Dirty-Campaigning-Videos gegen Sebastian Kurz - "Datenklau“ beklagte und Anzeigen ankündigte, verhielt sich die ÖVP vergangene Woche ruhig. Zumindest nach außen. Intern soll die Verrätersuche allerdings intensiv laufen. Anlass: Ende August hatte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache erstmals von Geheimpapieren gesprochen, die beweisen würden, wie gezielt Sebastian Kurz schon im Herbst 2016 die ÖVP-Obmannschaft anstrebte. In der Folge veröffentlichten "Kurier“, "Österreich“ und "Kronen Zeitung“ Details aus einem umfangreichen Aktenkonvolut. Darunter sind etwa - aus dem Juli 2016 stammende - Konzepte betreffend "Strategische Grundlage und Positionierung“, Listen von potenziellen Sponsoren und Nationalratskandidaten, Entwürfe für ein Wahlprogramm und To-do-Listen für die ersten Wochen als neuer Kanzler.

Aus dem Büro von Sebastian Kurz hieß es bisher auf Anfrage, dass die Papiere gewiss nicht "aus dem Büro von Sebastian Kurz“ stammen würden. Vergangene Woche berichtete schließlich die Wiener Stadtzeitung "Falter“, Bearbeitungsanmerkungen auf einigen Papieren würden belegen, dass enge Mitarbeiter von Kurz an der Erstellung zumindest mancher Papiere beteiligt waren. Dass es sich dabei nicht um ÖVP-Angestellte, sondern um Bedienstete des Außenministeriums handelte, empörte die politischen Mitbewerber. Die NEOS kündigten eine Anfrage an, in der sie Auskunft darüber verlangen, "welche Kosten dem Außenministerium für die Ausarbeitung der Pläne zur Parteiübernahme und die Wahlkampfvorbereitungen angefallen“ seien.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler beschuldigte die ÖVP sogar des "Dirty Campaignings“. Der Grund: Im Konvolut finden sich auch Dossiers zu SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Diese enthalten zwar vor allem biografische Details und bekannte Zitate. Allerdings heißt es an einer Stelle des Aktenkonvoluts: "Framing: Strache kanns nicht - Dinge ausgraben, die ihn diskreditieren.“ Im Dossier zu Christian Kern findet sich ein früherer Artikel der Gratiszeitung "heute“ über Kerns teure Uhren. Auf der gegen den Kanzler kampagnisierenden Facebook-Site "Die Wahrheit über Christian Kern“ findet sich dieser Artikel ebenfalls - aus Sicht der SPÖ kein Zufall. Beweise, dass die ÖVP dahinter stecken würde, gibt es allerdings keine.

Dass Beamte des Außenministeriums bis heute nicht nur für ihr Amt, sondern auch für die ÖVP tätig sind, beweist ein bislang unbekanntes Dokument mit dem Titel "Programm Sommertour; Wohlstand/Aufschwung“, das profil vorliegt. Noch am 1. August 2017 um exakt 13:34 Uhr wurde dieses Wahlkampf-Dokument laut Bearbeitungsprotokoll von einem Kabinettsmitarbeiter von Kurz redigiert - mutmaßlich nicht in dessen verspäteter Mittagspause.
 

Ebenfalls bisher unveröffentlicht ist eine profil vorliegende aufwendige Umfrage, die bereits zwischen 22. und 31. März 2016 vom Wiener Meinungsforschungsunternehmen M&R-Institut durchgeführt wurde (siehe Faksimile). Dessen Eigentümer ist Franz Sommer, Umfrage-Guru und bevorzugter Demoskop der ÖVP.

Die gesamt 28 Fragen zeigen, wie penibel die ÖVP-Obmannschaft angegangen wurde; die Ergebnisse, warum Sebastian Kurz so selbstbewusst ins Kanzlerrennen geht: 89 Prozent der Befragten attestierten Kurz bereits im März 2016 - 14 Monate vor dem Rücktritt von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner - "eine sympathische Ausstrahlung“; 61 Prozent "ein Gespür für die Sorgen und Ängste der Österreicher“; 63 Prozent, dass er "in der Flüchtlingsfrage als Erster eine vernünftige Position“ hatte; 81 Prozent, dass er auch "unpopuläre Standpunkte“ vertrete; 86 Prozent hielten ihn gar für "die Zukunftshoffnung der ÖVP“.

Abgefragt wurden allerdings auch mögliche Schwächen. Immerhin 37 Prozent fanden Kurz "bei Fernsehauftritten zu glatt und zu perfekt“. 41 Prozent glaubten, er verberge "geschickt sein persönliches Machtstreben“; 26 Prozent, er sei "konservativer, als er sich in der Öffentlichkeit gibt“; 28 Prozent, er sei "manchmal zu arrogant und selbstgefällig“.

Kurz’ Bundeskanzler-Eignung ließ man im März 2016 ebenfalls untersuchen. Das Ergebnis: Nur 14 Prozent hielten ihn "als Kanzlerkandidat“ für "ein unkalkulierbares Risiko“; immerhin 66 Prozent glaubten, "ein Kanzlerkandidat Kurz würde den Stillstand in der Politik durchbrechen“; 47 Prozent gaben allerdings an, Kurz sei "noch zu jung, um an der Spitze seiner Partei beziehungsweise einer Bundesregierung zu treten“.

Das Büro von Sebastian Kurz erließ vergangene Woche die Sprachregelung, dass "Teile“ der geleakten Konzepte aus dem Umfeld von Kurz stammten. Die Authentizität der Papiere "in ihrer Gesamtheit“ würden allerdings angezweifelt. Zusatz: Es sei "kein Verbrechen“, sich Gedanken über die Zukunft zu machen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.